Jetzt spenden
Verbraucherin füllt Biosprit in Benzinkanister
Martin Langer / Greenpeace

EU-Parlament stimmt über Biosprit-Anteil ab

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Die EU-Parlamentarier haben abgestimmt: Bis 2020 wird der Einsatz von sogenanntem Biokraftstoff aus Mais, Palmöl und Raps subventioniert, allerdings nur für maximal sieben Prozent des Gesamtkraftstoffverbrauches. Derzeit liegt der Anteil in Deutschland bei fünf Prozent.

„Keine Wende im Transportsektor in Sicht: Fossiler Kraftstoff wird weiterhin durch klimaschädlichen Agrosprit ersetzt“, fasst Martin Hofstetter, Greenpeace-Experte für Landwirtschft, dieses Ergebnis zusammen. „Damit wir in Europa Auto fahren können, werden wohl noch mehr Urwälder gerodet und noch mehr Menschen Hunger leiden müssen. Die EU gefährdet mit dieser Entscheidung die weltweite Nahrungsmittelsicherheit und treibt den Klimawandel an. Das Geld, das nun noch jahrelang in die Subventionierung von Agrosprit geht, sollte man lieber für intelligente neue Mobilitätskonzepte ausgeben“, so Hofstetter.

Agrosprit verursacht Hunger

 

Agrosprit, auch Biosprit genannt, ist aus gutem Grund umstritten: Für die Herstellung wird konventioneller Treibstoff mit Kraftstoffen auf Pflanzenbasis gemischt. Doch die landwirtschaftlichen Flächen sind knapp, sodass Äcker weltweit zweckentfremdet werden, um Energiepflanzen anzubauen. In frisch gerodeten Wäldern darf zwar kein Ackerbau für Biosprit stattfinden, das verbieten die europäischen Richtlinien. Doch das hilft wenig. Denn für den Anbau der Agrospritpflanzen muss der Anbau von Nahrungsmitteln weichen – im schlimmsten Fall in ökologisch wertvolle Gebiete wie den Regenwald. Im Fachjargon spricht man dabei von indirekten Landnutzungsänderungen oder dem sogenannten iluc-Faktor (indirect land use change).

 

„Mit den dezimierten Wäldern riskieren wir nicht nur das Überleben ganzer Arten, sondern verlieren auch unsere besten Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel“, warnt  Martin Hofstetter. „Wenn die Anbauflächen knapp werden, klettern die Agrarpreise. Europa importiert Nahrungsmittel, die dann im Tank landen, statt den Hunger in der Welt zu stillen. Das ist absurd und verantwortungslos.“ Zudem heizt der aufwendig erzeugte Agrosprit in ähnlichem Umfang wie fossiler Treibstoff den Klimawandel an.

 

Der iluc-Faktor: Wenn Energiepflanzen Nahrungsmittel vertreiben

Obwohl die ökologischen Folgen bekannt sind, soll Biokraftstoff auch weiterhin nicht mit dem besagten iluc-Faktor gewichtet werden. Greenpeace und andere Umweltverbände sowie zahlreiche Wissenschaftler hatten eine Einbeziehung dieser indirekten Landnutzungsänderungen gefordert, um auszuschließen, dass besonders klimaschädliche Agrokraftstoffe eingesetzt werden. Auch Kommission und Parlament folgten zuvor dieser Linie. Die EU-Mitgliedstaaten weigerten sich nach Druck von Agrarverbänden und der Agrokraftstoffindustrie jedoch, das iluc-Konzept anzuwenden. Jetzt soll die EU-Kommission lediglich darüber berichten, wie sich die pflanzlichen Biokraftstoffe auf die Landnutzung in der Welt auswirken.

Mehr Importe von Billig-Kraftstoffen

Die EU-Entscheidung bedeutet, dass die Menge an Agrarpflanzen im Tank zunächst noch einmal ansteigen wird. Europaweit liegt der Biosprit-Anteil derzeit bei rund fünf Prozent. Das deckt sich mit der Situation in Deutschland: Laut Biokraftstoffbericht der Bundesregierung wurden 2013 rund 5,2 Prozent des Kraftstoffmarktes durch Biokraftstoffe gedeckt. Im Einzelnen waren das: 1,77 Millionen Tonnen Biodiesel, 1,21 Millionen Tonnen Bioethanol, 0,44 Millionen Tonnen hydriertes Pflanzenöl.

„Wenn der Anteil der Biokraftstoffe also zukünftig in Deutschland auf sieben Prozent klettern soll, dann werden dafür fast 40 Prozent mehr Biodiesel und Ethanol benötigt“, erklärt Hofstetter. „Dafür gibt es in Deutschland aber nicht genügend Anbaufläche. Das bedeutet, wir müssen die beschlossene Biokraftstoffquote vor allem mit Importen aus Übersee decken.“

Fakt ist: Palmöl aus Indonesien oder brasilianisches Ethanol aus Zuckerrohr sind in der Regel deutlich günstiger als heimisches Rapsöl beziehungsweise Ethanol auf Getreide- oder Zuckerrübenbasis. Doch die Produktion von Palmöl geht oft einher mit massiven ökologischen und sozialen Problemen: Rodung ökologisch wertvoller Wälder, verbunden mit massivem CO2-Ausstoß, Gefährdung bereits bedrohter Tier- und Pflanzenarten und Konflikten mit der Bevölkerung vor Ort. Eine Entscheidung mit fatalen Folgen also, die das EU-Parlament getroffen hat.

Datum
Tierqual Ställe bei Bärenmarke

Mehr zum Thema

Drei junge Frauen sitzen an einem mit Getränken und vegetarischen Speisen gedeckten Tisch.
  • 22.10.2024

Gutes Essen – was bedeutet das? Dass es lecker ist, na klar. Gesund soll es sein, umweltschonend und fair produziert. Wie das geht? Wir haben 12 Tipps zusammengestellt.

mehr erfahren
Christiane Huxdorff, Staatssekretärin Silvia Bender und Corinna Hölzel vom BUND neben einem überdimensionierten Glyphosat-Kanister.
  • 21.05.2024

Nach langem Ringen hat die EU das umstrittene Pestizid Glyphosat Ende 2023 weiter zugelassen. Wie Deutschland den Einsatz dennoch begrenzen kann, zeigt ein Bündnis zum Tag der Artenvielfalt.

mehr erfahren
Protest vor dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung in Berlin für eine weitere EU-Regulierung von Gentechnik-Pflanzen
  • 06.07.2023

Die EU-Kommission schlägt vor, mit neuen Gentechnikverfahren erzeugte Pflanzen aus der bisherigen Regulierung zu nehmen. Aktive fordern Landwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, das zu verhindern.

mehr erfahren
Tisch gedeckt mit vegetarischem Essen
  • 28.06.2023

Weniger Fleisch- und Milchkonsum würde den Flächenverbrauch in der Landwirtschaft reduzieren. Wie sich eine gerechte und ökologische Grundversorgung aller umsetzen ließe, haben Verbände skizziert.

mehr erfahren
Gemüsestand mit Obst und Gemüse.
  • 15.06.2023

Bienen sind nicht nur für die biologische Vielfalt und ein funktionierendes Ökosystem essentiell, sie leisten auch einen wichtigen Beitrag für die Ernährung.

mehr erfahren
Traktor versprüht Pestizide auf einer Apfelplantage in Deutschland
  • 14.12.2022

Pestizide sind überall – auf Feldern, in Wäldern und in privaten Gärten. Sie stecken sogar in konventionellem Obst und Gemüse. Gift für Ökosysteme, Artenvielfalt und Menschen.

mehr erfahren