Greenpeace-Gutachten zu staatlicher Haltungskennzeichnung
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Ein Schweinesteak mit dem staatlichen Gütesiegel “Tierwohl” – da könnte man erwarten, dass das Tier vor seiner Schlachtung ein artgerechtes Leben führen konnte. Oder doch nicht?
Wo Tierwohl draufsteht, ist nicht unbedingt Tierschutz drin, auch wenn es von offizieller Stelle kommt. Diesen Verdacht hat sich Greenpeace durch ein juristisches Gutachten nun bestätigen lassen. Konkret geht es um das sogenannte “Tierwohl-Label”, das Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gegen alle Widerstände hinweg auf den Weg bringen will. Anhand einer dreistufigen Kennzeichnung von Schweinefleisch sollen Verbraucherinnen und Verbraucher vertrauensvoll eine gute Kaufentscheidung im Supermarkt treffen. Später soll das Siegel für Geflügel und andere Tierarten eingeführt werden. Die dreizehn Kriterien für die Vergabe des staatlichen Gütesiegels hat die Ministerin unlängst vorgestellt – fünf davon hat die Hamburger Kanzlei Rechtsanwälte Günther nun für Greenpeace exemplarisch unter die Lupe genommen und untersucht, ob sie im Einklang mit deutschem und europäischem Recht stehen. Ihr Fazit: Tun sie nicht.
Geht es nach Ministerin Klöckner, dürfte etwa Schweinefleisch mit dem staatlichen Tierwohl-Label beworben werden, obwohl den Tieren kurz nach der Geburt routinemäßig die Ringelschwänze abgeschnitten wurden. Das jedoch ist seit 1994 in der EU untersagt und nur in Ausnahmefällen erlaubt. Auch beim Platzangebot gibt es in der ersten Stufe kaum Verbesserungen zum gesetzlichen Mindeststandard. Und der verlangt wirklich grausam wenig: 0,75 Quadratmeter sind für ein 110 Kilo schweres Mastschwein vorgeschrieben. Bekommt das gleiche Schwein die Fläche von zweieinhalb DIN A4-Blättern mehr Platz, erfüllt das bereits die Definition Klöckners von Tierwohl. “Kein Schwein kann auf so wenig Raum ungestört ruhen, geschweige denn sich artgerecht bewegen“, stellt Stephanie Töwe von Greenpeace klar.
Selbst die Industrie will eine verpflichtende Kennzeichnung
Die langjährige Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin sieht in einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung einen Hebel, um die miserable Schweinehaltung in Deutschland zu verbessern – ähnlich wie bei der Kennzeichnung von Eiern. “Es würde sich sofort zeigen, wie schlecht die Schweine in den meisten Ställen gehalten werden. Aber: Die Kennzeichnung müsste verbindlich gelten, nicht nur auf freiwilliger Basis, wie es die Landwirtschaftsministerin plant,” so Töwe. Und das wäre noch nicht mal unrealistisch – denn der Ruf nach einer Pflicht-Kennzeichnung wird immer lauter, sowohl in der Partei, als auch in Landwirtschaft, Fleischindustrie und Handel.
Supermärkte und Discounter haben derweil die Ministerin längst überholt und auf eigene Faust eine abgestimmte vierstufige Haltungskennzeichnung eingeführt. Kein Grund für Frau Klöckner, ihr Konzept in Frage zu stellen. Das Rahmengesetz zu Klöckners Tierwohl-Label soll noch vor der politischen Sommerpause ins Kabinett zur Abstimmung gebracht werden. Ein Werbebudget von über 50 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt soll das gesetzeswidrige Tierwohl-Siegel bekannt machen.
Ob sich die Verbraucherinnen und Verbraucher so leicht täuschen lassen? Klar ist: Das Landwirtschaftsministerium will unter Leitung von Ministerin Klöckner ein umstrittenes Gütesiegel auf den Weg bringen, das dem Begriff Tierwohl nicht ansatzweise gerecht wird und augenscheinlich über die Versäumnisse des Ministeriums hinwegtäuschen soll.