Nach Druck von Greenpeace: Umweltministerium schiebt dem Zerstören von Waren einen Riegel vor
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Eine „Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes“ klingt vielleicht nicht auf Anhieb nach einem aufregenden Durchbruch. Aber der aktuelle Entwurf aus dem Bundesumweltministerium kann für einen besseren Schutz der Ressourcen sorgen: Versandhändler wie Amazon sind von nun an durch eine sogenannte „Obhutspflicht“ angehalten, neuwertige Waren aus Lagerbeständen oder Retouren nicht länger zu zerstören. Hört sich nach gesundem Menschenverstand an; trotzdem war das Kaputtmachen bislang erlaubt.
Dass das Bundesumweltministerium dem nun einen Riegel vorschieben will, ist begrüßenswert. Doch geht die Verordnung weit genug? Wir fragen Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Konsum, wie sie den Gesetzesentwurf bewertet.
Greenpeace: „Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes“ klingt nach Nachbesserung. Ist das Gesetz denn nun ein großer Wurf?
Viola Wohlgemuth: Es ist in jedem Fall ein wichtiges Signal an die Wirtschaft. Es sagt: Wer die Umwelt mit Plastikmüll verdreckt, muss dafür zahlen. Das ist das Verursacherprinzip – bislang haben das die Kommunen bezahlt, also letztlich eben wir Steuerzahler*innen. Es fordert außerdem Unternehmen zu mehr Transparenz auf, die können also nicht mehr im Dunkeln machen, was sie wollen: zum Beispiel wie bisher ungenannte Mengen neuwertiger Waren vernichten, weil sie zu viel Lagerplatz beanspruchen. Und das ist ein direkter Erfolg unserer Greenpeace-Kampagne, denn bisher konnten sich die Unternehmen trotz massiver Berichterstattung stets dahinter verstecken, dass es kaum Zahlen gibt, wie viel tatsächlich vernichtet wird. In diesem Zusammenhang wird häufig eine Umfrage der Uni Bamberg zitiert, die auf vergleichsweise niedrige Zahlen kommt. Der Haken ist, dass die Studie auf freiwilligen Angaben der Firmen basiert, wie viel sie verschrotten – die geben das aber nicht notwendigerweise zu. Auch ziemlich bezeichnend: Amazon ist als Marktführer nicht einmal Teil der Umfrage gewesen.
Und das führt zum dritten Punkt: Genau solche – absolut gängigen! – Zerstörungspraktiken will der Gesetzgeber mit dieser Novelle jetzt endlich unterbinden. Das ist mit der darin festgehaltenen „Obhutspflicht“ gemeint: Händler haben dafür Sorge zu tragen, dass zurückgesendete, funktionstüchtige Ware wieder in den Verkauf kommt. Dafür hat sich Greenpeace seit Jahren eingesetzt.
Also Erfolg auf ganzer Linie?
Nein, unsere Forderungen gehen noch einen ganzen Schritt weiter. Sowohl das „Transparenzgebot“ als auch die „Obhutspflicht“ sind bisher nur sogenannte Verordnungsermächtigungen. Die müssen jetzt zu handfesten und vor allem durchsetzbaren Verordnungen führen! Wir werden die Schritte des Ministeriums jetzt ganz genau verfolgen, denn eine Obhutspflicht bietet zwar tatsächlich zum ersten Mal eine rechtliche Handhabe gegen die sinnlose Zerstörung, ist aber in erster Linie ein – wenn auch scharfer – Appell an den Handel. Ein Zerstörungsverbot mit empfindlichen Strafen, wie es das beispielsweise in Frankreich für Lebensmittel gibt, greift deutlich weiter – und schreckt dementsprechend auch mehr ab.
Was fehlt konkret in dem Gesetzesentwurf?
Ganz klar der Ausbau der Obhutspflicht zu einem deutlichen Zerstörungsverbot für sämtliche neuwertige Waren, und zwar mit Sanktionsmöglichkeiten. Nur wenn die Vernichtung am Ende auch zu Strafen führt, kann das Gesetz seine Wirkung entfalten – daran wird sich Frau Schulze messen lassen müssen! Ihre entschlossene Ankündigung muss nun auch in eine schlagkräftige Verordnung münden.
Überfällig ist auf jeden Fall auch eine Überarbeitung des Steuerrechts. Tatsächlich ist es immer noch so, dass es für Händler wie Amazon mitunter steuerlich günstiger kommt, Ladenhüter zu verschrotten als sie kostenlos abzugeben. Denn gespendete Waren kosten den, der sie spendet, trotzdem Mehrwertsteuer. Das ist absurd und ein Missstand, der behoben werden muss, aber kein Allheilmittel. Wenn Verschenken das neue Verschrotten wird, ist schließlich auch niemandem geholfen. Es darf nicht mehr so viel Überflüssiges produziert werden – dazu trägt aber eine einfache Steuerreform nicht bei.
Was wäre denn stattdessen sinnvoll?
Wir fordern eine gesetzliche „Andienungspflicht“. Das hieße, ein Händler, der seine Ware nicht mehr verkaufen kann oder will, muss sie kostenpflichtig an zugelassene Stellen abgeben. Egal, ob das Handys sind, Fast-Fashion-T-Shirts, die schon nach einer Woche gegen die neue Kollektion ausgetauscht werden, oder zigtausend Duschgels, die schnell aus den Drogeriemärkten verschwinden sollen, weil die Verpackung ein neues Design kriegt. So ein Modell gibt es schon, nämlich in Frankreich für Lebensmittel.
Solche zertifizierten Stellen würden sich um eine sinnvolle Weiterverwendung der Produkte kümmern. Das kostet dann natürlich Geld! Und das muss von den Firmen kommen, die überproduzieren. Ich bin überzeugt, erst wenn es den Handel kostet, riesige Überhänge zu produzieren, werden sie das Geschäftsmodell ändern. Es muss ihnen weh tun, wenn sie so weitermachen wie bisher. Und zwar an der einzigen Stelle, die für sie zählt – in der Kasse! Nur so kommen wir dem System Wegwerf-Kapitalismus bei – denn dessen rücksichtslose Ressourcenverschwendung können wir uns in Zeiten der Klimakrise längst nicht mehr leisten.