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Greenpeace hat Strafanzeige gegen Tanja Gönner und verantwortliche Mitarbeiter ihres Umweltministeriums erstattet. Es geht um den Verdacht auf Urkundenunterdrückung, Urkundenverfälschung und Rechtsbeugung. Greenpeace-Aktivisten forderten heute Morgen im Ministerium die Herausgabe von Akten wie vom Gericht verfügt.
Im Verfahren gegen die Betriebsgenehmigung für das AKW Philippsburg 1 gibt es den Verdacht, dass das baden-württembergische Umweltministerium Unterlagen zurückhält. Denn: Kann ein halb gefüllter Aktenordner alles sein, was das Ministerium zum Thema Sicherheit in Philippsburg 1 zu bieten hat?
Das Ministerium war per richterlicher Verfügung aufgefordert, Unterlagen herauszugeben. Doch mehr als diesen Ordner mit augenscheinlich unvollständigem Inhalt haben Greenpeace und die anderen Kläger bis heute nicht erhalten. Zum Vergleich: Die hessische Atomaufsicht schickte immerhin eine Umzugskiste mit Genehmigungsunterlagen sowie eine Vielzahl von korrekt geführten Aktenordnern.
Geschichte einer Verzögerung
Im Dezember 2001 beantragt Greenpeace gemeinsam mit Anwohnern des AKW, die Betriebsgenehmigung für Philippsburg 1 zu widerrufen. Der Antrag geht an die baden-württembergische Atomaufsicht, die dem Umweltministerium unterstellt ist. Das Ministerium reagiert nicht.
Im Juni 2009 schließen sich weitere Bürger dem Antrag an. In dieser erweiterten Form wird er am 17. Juni neu eingereicht. Als auch diesmal keine Reaktion erfolgt, reichen die Antragsteller am 17. September 2009 beim zuständigen Verwaltungsgericht eine Klage auf Widerruf der Betriebsgenehmigung ein. Die Möglichkeit einer solchen Klage besteht für betroffene Bürger erst seit April 2008 aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts.
Am 28. Juni 2009 wird das Umweltministerium per richterlicher Verfügung aufgefordert, den Klägern die Akten binnen vier Wochen auszuhändigen. Einen knappen Monat später kommt die Antwort, auch an das Gericht: Voraussichtlich in weiteren vier Wochen soll der Vorgang abgeschlossen sein.
Fast acht Wochen später, am 17. Dezember 2009, heißt es, Ministerin Tanja Gönner habe sich wegen der Bedeutung der Sache eine persönliche Prüfung vorbehalten. Nach ihrem Weihnachtsurlaub will sie die Akten an das Verwaltungsgericht Mannheim weiterleiten. Am 20. Januar 2010 schickt das Ministerium dann den erwähnten halb gefüllten Leitzordner.
So geht es noch ein Jahr lang weiter - bis heute. Das Verfahren wird trotz Mahnung von Greenpeace zum Nachteil der Kläger weiter hinausgezögert. Damit könnte der Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt sein.
Alles streng geheim?
Das Umweltministerium beruft sich darauf, dass nur noch Akten vorhanden seien, die der Geheimhaltung unterlägen. Die Erfahrung aus dem Parallelprozess in Hessen belegt, dass dies nicht zutreffen kann. Was Greenpeace aus dem Hause Gönner erhalten hat, ist eine willkürliche Zusammenstellung von Papieren. Das nährt den Verdacht auf Urkundenverfälschung.
Der Vorgang erinnert an den zurückgehaltenen Antrag des Energiekonzerns EnBW vom September 2007, den Greenpeace vor wenigen Wochen veröffentlicht hat. Hier ging es um Sicherheitsnachrüstungen für das AKW Neckarwestheim 1. Auch in diesem Fall zeichnete sich das Gönner-Ministerium nicht durch einen offenen Informationsfluss aus. Bis heute hat die Ministerin nicht erklärt, weshalb sie das Papier geheimgehalten hat und die beantragten Sicherheitsmaßnahmen nicht umgesetzt wurden.
Die Bürger haben ein Recht auf umfassende Informationen über die Sicherheit in den Atomkraftwerken des Landes. Die Ministerin hält aber die entsprechenden Unterlagen vor der Öffentlichkeit zurück, erklärt der Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Tanja Gönner verhält sich so, als sei mit der Atomindustrie ein Kartell des Verschweigens vereinbart worden.