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Die Klage soll am 31. Mai 2012 beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington eingegangen sein. Das ICSID ist formal bei der Weltbank angesiedelt, fungiert aber als eigenständige Organisation für internationale Schiedsgerichtsverfahren. Kritiker beklagen seit Jahren, dass die Verfahren völlig intransparent ablaufen.
Der schwedische Konzern begründet seine Klage damit, dass ihm durch den Atomausstieg erheblicher finanzieller Schaden entstanden sei. Hunderte Millionen Euro seien in die AKW investiert worden, weil eine Laufzeitverlängerung sicher schien.
Vattenfall und der Energiecharta-Vertrag
Vattenfall beruft sich in der Klage auf den Energiecharta-Vertrag, ein internationales Handels- und Investitionsabkommen. Es sieht neben Förderung und Schutz von Investitionen auch ein Streitschlichtungsprozedere vor. Dieses gibt Konzernen im Konfliktfall ein eigenes Klagerecht gegen Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht. Das Abkommen haben 51 Staaten, die EU und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) unterzeichnet.
Ausländische Unternehmen können somit gegen staatliche Maßnahmen eines Landes klagen, ohne dessen Gerichte anzurufen. Der Energiecharta-Vertrag begünstigt einseitig die Konzerne, gibt ihnen Rechte ohne Pflichten und hebelt so nationale Gesetze für mehr Sicherheit und Umweltschutz aus, kritisiert der Greenpeace-Atomphysiker Heinz Smital.
Genau das zeigte ein weiterer Fall: 2009 klagte Vattenfall gegen Umweltauflagen der Stadt Hamburg, um Mehrkosten beim Bau des Kohlekraftwerks Moorburg zu sparen. Durch das ICSID-Verfahren wurde die Stadt unter Druck gesetzt und stimmte schließlich einem Vergleich zu. Die Auflagen für die Kühlung des Kraftwerks wurden herabgesetzt.
Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel- durch Stilllegung zum Dukatenesel?
{image_r}Das AKW Krümmel stand seit einem Transformatorenbrand im Sommer 2007 fast ununterbrochen still. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht stellte damals erhebliche Mängel fest. Vattenfalls Umgang mit Sicherheitsfragen und Transparenz stand massiv unter Kritik. Die Öffentlichkeitsarbeit des Konzerns geriet zum Fiasko.
Zwei Jahre lang stand das AKW auf dem Prüfstand. Je genauer der Reaktor untersucht wurde, desto mehr Mängel traten zutage. Im Sommer 2009 ging er wieder ans Netz - für ganze zwei Wochen. Dann kam es erneut zu Problemen mit einem Transformator. Danach wurde der Meiler nicht wieder hochgefahren.
{image_r}Das AKW Brunsbüttel war seit Inbetriebnahme eines der störanfälligsten deutschen Atomkraftwerke. 2001 wurden bei einer Wasserstoffexplosion Rohre dicht am Reaktorkern meterweit zerfetzt. Der Trafobrand in Krümmel 2007 führte in Brunsbüttel zu einem Kurzschluss, seitdem ist der Reaktor vom Netz. Früheren Angaben des Konzerns zufolge kostet der Ausfall eines AKW das Unternehmen täglich eine Million Euro.
Schwarz-Gelb, die Energiewende und die Planungssicherheit
Die Dreistigkeit des Stromversorgers ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist die Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Sie hat den Boden für die Begehrlichkeit bereitet.
Der Atomkonsens des Jahres 2000 hatte Planungssicherheit für die deutschen Energieunternehmen geschaffen. Die Atomstromkonzerne waren vertraglich verpflichtet, bis ca. 2020 aus der Atomkraft auszusteigen - sobald die AKW ihre festgelegten Strommengen produziert hatten. Bis dahin blieb den Stromversorgern ausreichend Zeit, in zukunftsträchtige Erneuerbare Energien zu investieren.
Doch das taten sie nicht. Sie setzten weiter auf ihre abgeschriebenen, äußerst profitablen Reaktoren und hofften auf einen Regierungswechsel. Der kam 2009 und mit ihm die Wende. Schwarz-Gelb leitete den Ausstieg aus dem Atomausstieg ein. Bis zur nächsten Wende: Nach dem Super-GAU in Fukushima im März 2011 kehrte Angela Merkel zum Atomausstieg zurück. Die Laufzeitverlängerung war noch keine drei Monate in Kraft, als die ältesten Meiler und das Pannen-AKW Krümmel abgeschaltet wurden.
Vattenfall hat wie die anderen großen Energieversorger jahrelang die Energiewende ausgesessen. Jetzt will der Konzern sich am Steuerzahler schadlos halten. Der aber hat für die Atomkraft schon mehr als reichlich gezahlt, sagt Smital.