Nach der Rodung alter Bäumer für A49: Wie geht es weiter?
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Eine Viertelmillion Menschen haben gegen die Rodung im Dannenröder Wald unterschrieben. Den Streit um die Bäume haben wir verloren, die Verkehrswende aber hat Boden gewonnen.
Bevor Igor Levit sich mitten im Wald ans Klavier setzt, nennt er diesen Freitag Anfang Dezember einen „traurigen Tag“. Hinter dem Pianisten klafft eine Schneise wie eine offene Wunde. Seit Wochen fressen sich die Harvester durch den Dannenröder Wald in Mittelhessen, sägen von uralten Eichen bis zu jungen Buchen alles weg, was in den vergangenen 200 Jahren auf dieser Trasse gewachsen ist. Als Levit an diesem Ort spielt, ist das Roden fast vollendet. Es bleibt ein Schlachtfeld aus Sägespänen, Baumstümpfen und zerborstenen Hoffnungen.
Fast 250.000 Menschen haben in den vergangenen Wochen und Monaten gegen dieses irrsinnige Projekt A49 unterschrieben. Haben ihren Namen in die Waagschale geworfen, damit ein Plan aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gestoppt wird: Knapp 100 Hektar gesunden, alten Mischwald abzuholzen, um im Land der Autobahnen Platz für eine weitere zu schaffen, mitten durch ein Trinkwassergebiet. Das wollten all diese Menschen nicht mehr tatenlos hinnehmen. Nicht nach dem dritten aufeinanderfolgenden Jahr mit zu wenig Regen und zu hohen Temperaturen, mit Nachrichten über riesige Waldschäden und eine sich beschleunigende Klimakrise.
Auch die Grünen spüren, dass hier etwas in Bewegung geraten ist. Noch bevor Greenpeace, der BUND und Campact Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir in Wiesbaden mit all diesen Unterschriften konfrontieren, fordern Partei- und Fraktionsführung der Bundesgrünen ein Ausbaustopp für Autobahnen und Bundesstraßen. Bei solchen Straßenprojekten sollte künftig nicht alleine geprüft werden, ob sie wirtschaftlich und notwendig sind, sie müssten auch „auf die Einhaltung der Klimaziele“ untersucht werden, fordert der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. Soweit ist Verkehrsminister Andreas Scheuer, der eigentliche Bauherr aller Autobahnprojekte, noch lange nicht. Einer seit Wochen bestehenden Anfrage zur persönlichen Übergabe der Unterschriften kommt Scheuer bis heute nicht nach.
Geholfen hat es dem Wald letztlich nicht. Der letzte Baum auf der Trasse ist inzwischen gefällt. Und doch haben diese Unterschriften etwas Wichtiges erreicht. Der Konflikt um die A49 ist mit dem wachsenden Druck jeder zusätzlichen Signatur über Hessens Landesgrenzen hinausgewachsen. Es geht längst nicht mehr allein um 30 Kilometer Autobahn. Es geht inzwischen um jedes der 44 neuen Autobahnprojekte, die die Bundesregierung in den kommenden zehn Jahren plant. Es geht um Bundesstraßen und ihre Erweiterungen, es geht im Kern darum: Wie ermöglichen wir allen eine Form von Mobilität, die nicht länger auf Kosten von Natur und Klima geht?
Diese Frage wird die kommende Bundestagswahl entscheidend prägen, denn die Antwort kann nicht länger warten. Das Geschehen um den Dannenröder Wald hat das gezeigt, jede Unterschrift hat es unterstrichen. Die Verkehrswende muss jetzt starten.