7500 Teilnehmer bei erster internationaler Anti-Kohle-Kette
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Am Samstag, bald nach 14 Uhr ist es so weit: Die erste internationale Anti-Kohle-Kette steht auf den vollen acht Kilometern und jeder einzelne Meter versprüht Stolz, Hoffnung und Zuversicht. Braunkohle ist Vergangenheit – wir wollen eine erneuerbare Zukunft, ruft diese Kette und schiebt hinterher: Das fordern tausende Menschen aus der Region und aus ganz Europa!
Die Bilder in dieser Galerie, unser Fotoalbum auf Facebook und das flickr-Fotoalbum unserer polnischen Kollegen erzählen den Tag in Bildern nach.
Die Menschenkette war ein Experiment. Niemand wusste, ob es funktionieren würde. Ja, die Bürgerinitiativen auf der deutschen und der polnischen Neiße-Seite hatten schon früher zusammengearbeitet. Doch diesmal sollte der Protest größer werden, richtig groß sogar. Schließlich ist auch das Problem groß.
Die Kohlekonzerne Vattenfall und PGE wollen die deutsch-polnische Lausitz zu Europas größter CO2-Schleuder machen. Insgesamt sechs neue Tagebaugruben sind geplant. Sechs staubige Löcher, aus denen hunderte Millionen Tonnen zusätzliche Braunkohle gebaggert werden sollen. Bei deren Verstromung gut zwei Milliarden Tonnen klimaschädliches CO2 entstehen würden - mehr als doppelt so viel wie ganz Deutschland pro Jahr erzeugt. Um dieses Klimaverbrechen zu verhindern, um 6000 Menschen vor der Umsiedelung zu bewahren und um die Energiewende nicht durch schmutzige, unflexible Braunkohlekraftwerke zu bremsen, mobilisierten die Bürgerinitiativen in der Region und Umweltverbände wie Greenpeace, der BUND oder Campact in ganz Deutschland und darüber hinaus zur Anti-Kohle-Kette.
Die ersten Busse kommen in der Nacht zum Samstag an: 50 Briten stolpern am Deulowitzer See auf den Campingplatz. Ein paar Stunden später treffen 70 Franzosen ein. Es folgen Dänen und Tschechen, Schweden und Slowenen, Belgier und Österreicher. Am Samstag sind es Menschen aus knapp 30 Ländern, die sich neben die Bewohner aus bedrohten Dörfern wie Proschim und Grabice, Atterwasch und Jadzow in die Kette reihen. Was sie zusammenhält, ist die Überzeugung, dass hier etwas Unrechtes geschieht, etwas, das verhindert werden muss.
Am Abend wird aus der Kette ein Festival
Gegen Mittag fängt es kurz an zu regnen, aber da ist die Sache längst nicht mehr aufzuhalten. 200 Tschechen marschieren gerade die Strecke entlang, auf dem Weg zu ihrem Platz in der Kette, Frauen aus den umliegenden Dörfern schneiden ihre selbstgebackenen Kuchen an, die ersten Sprechchöre werden angestimmt. Es wird voller und voller. Hier noch ein Bus aus Berlin, dort ein paar Radler mit wehenden Anti-Kohle-Flaggen. Die Sonne vertreibt die Regenwolken und als die Freiwillige Feuerwehr von Groß Gastrose um 13:45 zum Beginn der Kette die Sirene anwirft, ist nicht nur das Wetter sondern auch die Stimmung bestens. Alle spüren: Dies ist ein besonderer Moment. Einer der Mut macht und Hoffnung spendet.
Von „hope“ spricht auch der Sänger von Asian Dub Foundation ein paar Stunden später auf dem Abschlussfestival der Menschenkette, bevor er das Publikum auf die Bühne bittet. Schließlich lässt sich nur gemeinsam etwas verändern – auch wenn es noch so aussichtslos erscheinen mag.
Die Anti-Kohle-Kette hat gezeigt: Kohle ist nicht mehr gesellschaftsfähig. Wer für den Atomausstieg war, muss heute für den Kohleausstieg sein. Natürlich nicht gleich morgen - aber in den kommenden 15 Jahren. Das ist Zeit genug, um den Kumpeln eine neue Existenz zu ermöglichen und die Erneuerbaren weiter zu entwickeln und auszubauen. Startet die Politik nicht bald den Ausstieg, dann wird die nächste Anti-Kohle-Kette weit länger als acht Kilometer. Es heißt ja nicht umsonst Kettenreaktion.