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Greenpeace: Seit wann übst du den Beruf des Naturfotografen aus, und wie bist du dazu gekommen?
Markus Mauthe: Seit über zwanzig Jahren. Wobei es den Beruf des Naturfotografen eigentlich gar nicht gibt. Das ist mehr eine Leidenschaft und einigen Glücklichen gelingt es, auch ihren Lebensunterhalt damit zu bestreiten.
Seit meiner Kindheit liebe ich es, draußen im Freien zu sein. Als Sprössling einer Fotografenfamilie habe ich schon früh eine Kamera zwischen die Hände bekommen, bin als Jugendlicher zu den ersten Inter-Rail-Touren nach Marokko und Griechenland aufgebrochen. Mit Neunzehn habe ich meine Ausbildung als Berufsfotograf hinter mich gebracht. Schon da war klar, dass ich die Kraft der Sonne nutzen und die ganze Welt zu meinem Arbeitsplatz machen wollte.
Greenpeace: Deine heutige Tätigkeit beschreibst du als Naturschutz mit der Kamera. Was muss man sich darunter vorstellen?
{image_r}Markus Mauthe: Ich darf unsere Erde als Fotograf entdecken und ihre Schönheiten aus meiner künstlerischen Sicht wiedergeben. Daraus erwächst eine Verantwortung. Wir leben in Zeiten großen Wandels. Unsere Zivilisation wächst immer schneller weit über die natürlichen Ressourcen, die uns der Planet zur Verfügung stellen kann. Als Reise- bzw. Naturfotograf ist man vielerorts Zeuge dieser Veränderungen. Ich fotografiere Tiere und Pflanzen, von denen ich oft nicht sicher sein kann, ob sie in fünfzig Jahren noch existieren werden.
{image_r}Solange es noch etwas gibt, das zu erhalten sich lohnt, möchte ich mitmischen. Mit dem Medium Foto lassen sich erstaunlich viele Emotionen transportieren. Ich möchte Begeisterung für die Natur wecken. Nur wer emotional involviert ist, rafft sich auf und engagiert sich oder ändert seine Gewohnheiten. Ich möchte den Menschen zeigen, wie wunderschön der Organismus Erde ist und dass es durchaus Lösungen aus der Misere des Klimawandels und Artensterbens gibt. Abgesehen davon muss ich mich schon deshalb für den Systemwechsel einsetzen, weil mein vieles Unterwegs sein eine persönliche Klimabilanz erzeugt, durch die mindestens 1000 Jahre Fegefeuer auf mich warten.
{image_r}Greenpeace: Das aktuelle Projekt, das du fotografiert hast, heißt Europas wilde Wälder. Was sind wilde Wälder?
Markus Mauthe: Europa ist heute größtenteils mit Forstwäldern gesegnet, die vor allem zur Holzgewinnung dienen. Sie wachsen eher in Monokulturen und bieten keinen Raum für die all die Pflanzen und Tiere, die ohne unser Zutun in der Natur existieren würden. Mit wildem Wald sind Urwälder in ihrem natürlichen Zustand gemeint und Wälder, die vom Menschen naturnah bewirtschaftet werden. Wir wollen beweisen, dass alle Zutaten früherer Pracht noch vorhanden sind, wenngleich oft in erschreckend geringem Ausmaß.
Greenpeace: Was ist auf deinen Fotos, die für das Projekt entstanden sind, zu sehen?
{image_r}Markus Mauthe: Mir war die Vielfalt der Waldarten wichtig. Innerhalb Mitteleuropas ist klimatisch bedingt die Buche der natürliche Platzhirsch im Wald. Doch allein in Deutschland unterscheiden wir zwischen Nord- und Ostsee und der Alpenkette neun Waldtypen. Ein Hartlaubwald in Spanien mit seinen Korkeichen ist etwas völlig anderes als ein typischer Fichten-Birkenmischwald in der russischen oder finnischen Taiga.
Außerdem wollte ich den Charakter der Jahreszeiten abbilden. Ob schneebedeckte Landschaften in den Schweizer Alpen, feuriges Herbstlaub in Kroatien oder frisches Frühlingsgrün der Buchen im Steigerwald - das Spektrum ist ungeheuer vielseitig und wunderschön. Am schwierigsten ist es, die Waldbewohner angemessen abzulichten. Ich habe mich öfter in Fotoverstecke zurückgezogen, um Adler, Bären, Wölfe, aber auch Eichhörnchen und Vögel vor die Kamera zu bekommen.
Greenpeace: Du arbeitest nun seit acht Jahren zum Thema Wald. Was bedeuten dir persönlich Wälder?
{image_r}Markus Mauthe: Ich empfehle jedem, mindestens einmal im Leben an einem regnerischen Frühlingstag in einen naturnahen Buchenwald zu wandern. Dabei die klare Luft einzuatmen, dem Klang der Vögel zu lauschen und das ungeheuer intensive Grün zu betrachten - während Nebelschwaden durch das Unterholz ziehen. Die Arbeit in den Wäldern der Erde hat mir so viele unvergessliche Erlebnisse beschert, dass ich wohl auf alle Zeiten emotional mit ihnen verbunden sein werde. Zu sehen, wie wir unsere letzten Urwälder dem kurzfristigen Profit opfern, macht mich traurig und wütend.
Greenpeace: Welchen Wald sollten deine Zuschauer unbedingt mal gesehen haben?
{image_r}Markus Mauthe: Die Zusammensetzung der Bäume ist egal - solange es ein naturnaher Wald oder noch besser ein Urwald ist. Erst an solch einem Ort wird einem bewusst, was den Lebensraum in all seiner Vielfalt wirklich ausmacht. Mein Vortrag liefert eine Menge Anregungen, wo in Europa diese magischen Landschaften zu finden sind.
{image_r}Herausheben möchte ich hier ein kleines Waldstück im Nationalpark Bayrischer Wald: Das Höllbachgspreng am Großen Falkenstein ist ein Urwaldrest mit imposanten Fichtenbeständen, deren Wurzeln über Steine wachsen und Moose und Farne einen märchenhaften Eindruck hinterlassen. Die Fichten im ehemaligen Forstwald, die sich in unmittelbarer Nähe befinden, sind zu Zigtausenden gestorben, sie waren dem Borkenkäfer nicht gewachsen. In der gesunden Naturwaldmischung des Höllbachgsprengs dagegen hatte der Schädling keine Chance. Ich habe den Wald an einem bedeckten Tag zu Pfingsten besucht, als Sumpfdotterblumen gelbe Farbkleckse auf die grünen Moosteppiche zauberten. Ein Wald wie aus dem Bilderbuch.
Greenpeace: Du zeigst die Multimediashow Europas wilde Wälder an 250 Abenden in allen Ecken der Republik. Während dieser langen Tournee triffst du viele Menschen. Hast du das Gefühl, dass deine Botschaft ankommt?
{image_r}Markus Mauthe: Ich denke schon. Natürlich kommen in erster Linie Zuschauer, die sowieso schon einen gewissen Draht zur Natur und zu ökologischen Themen haben. Trotzdem ist es immer wieder schön gespiegelt zu bekommen, dass ich die Leute ehrlich berühren konnte. Das gibt Kraft, die Geräte am nächsten Abend in einem anderen Saal wieder aufzubauen. Auch wenn jede Fernsehsendung auf einen Schlag mehr Zuschauer erreicht als ich während einer ganzen Tournee - der live-Vortrag ist doch wesentlich persönlicher als die Konserve. Auf der Großleinwand entfalten die Bilder zusammen mit meinen Geschichten und der von Kai Arend komponierten Musik eine ganz andere Wirkung, als wenn man daheim eine DVD einlegt.
Markus Mauthe (Jahrgang 1969) arbeitet als Referent für Greenpeace an Projekten zum Wald- und Klimaschutz. Er lebt in Markdorf am Bodensee.