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Beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat Greenpeace heute im Namen der Klägerin beantragt festzustellen, dass die Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Neckarwestheim I erloschen ist.
Nach Ansicht von Greenpeace sind die AKW-Laufzeitverlängerungen der Bundesregierung verfassungswidrig. Am 3. Februar 2011 hat Greenpeace deshalb gemeinsam mit Anwohnern von sieben AKW-Standorten Verfassungsbeschwerde eingereicht. Zu den sieben Standorten gehört auch Neckarwestheim I. Sollte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden, dass die Laufzeitverlängerungen unrechtmäßig sind, wäre der Betrieb von Block I auch heute schon illegal.
Block I - Relikt aus Starfighter-Zeiten
Der Reaktor wurde in den 1960er Jahren konzipiert und ging 1976 in Betrieb. Er gehört zu den ältesten und störanfälligsten in Deutschland. Gleichzeitig ist er der erste, der ohne die von Schwarz-Gelb beschlossene Laufzeitverlängerung heute bereits stillgelegt wäre. Nach dem Atomgesetz von 2002 hätte er im Januar endgültig abgeschaltet werden müssen.
Der Alt-Meiler gehört zur sogenannten Starfighter-Generation. Das heißt, er wurde mit einer Reaktorhülle ausgestattet, die lediglich dem Absturz eines Starfighters standhält. Schon den Absturz eines Airbus A320 würde die Hülle nicht aushalten, und die meisten Verkehrsflugzeuge sind wesentlich schwerer als der Airbus A320. Laut Bundeskriminalamt ist die Gefahr eines Terrorangriffs in Deutschland gestiegen. Neckarwestheim wäre ein geeignetes Ziel.
Gemauschel um die Sicherheit?
Am 5.9.2007 beantragte der Energiekonzern EnBW bei der baden-württembergischen Atomaufsicht Sicherheitsnachrüstungen für Neckarwestheim I. Er stufte diese Verbesserungen der Sicherheitstechnik als zwingend erforderlich und zur sofortigen Vollziehung ein.
Hintergrund des Antrags dürfte EnBWs Versuch sein, den Alt-Meiler länger als vorgesehen am Netz zu behalten. Schon Ende 2006 hatte das Unternehmen beantragt, Reststrommengen vom jüngeren Block II auf Block I übertragen zu dürfen. Die Erfolgsaussichten für dieses Vorhaben waren schlecht. Der Antrag wurde vom damaligen Bundesumweltministerium wegen bauartbedingter Sicherheitsdefizite abgelehnt.
2009 gewann Schwarz-Gelb die Bundestagswahlen, 2010 zog die Koalition aus CDU/CSU und FDP die AKW-Laufzeitverlängerungen durch. Der Regierungs- und Kurswechsel hatte sich schon länger abgezeichnet - ein Grund, warum der Antrag auf Sicherheitsnachrüstungen bei Tanja Gönner liegenblieb? Seit dreieinhalb Jahren verschleppt sie die Realisierung der Maßnahmen. Inzwischen hat die Bundesregierung nicht nur den Atomkonsens, sondern auch die erforderlichen Sicherheitsnachrüstungen für alte AKW vom Tisch gefegt: Sie müssen erst 2020 nachgewiesen werden. Also dann, wenn Neckarwestheim I vom Netz gehen soll.
Umweltministerin Gönner sind die Interessen des landeseigenen Atomkonzerns EnBW offenbar wichtiger als die Sicherheit der Bevölkerung, sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. Die Kläger wollen nicht mehr mit der Angst vor einem schweren Störfall leben. Frau Gönner muss endlich das Wohl der Menschen ins Zentrum ihrer Atomaufsicht rücken.
Tödliche radioaktive Dosis für Stuttgart
Greenpeace hat zwei Ausbreitungsrechnungen für den Fall eines schweren Reaktorunfalls im Atomkraftwerk Neckarwestheim erstellen lassen. Die eine zeigt ein mögliches Szenario für eine Bodenkontamination mit Cäsium 137. Errechnet hat sie das Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien anhand von realen, archivierten Wetterdaten.
Eine zweite Ausbreitungsrechnung berücksichtigt alle relevanten Radionuklide. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Menschen in Stuttgart schon wenige Stunden nach einem Super-GAU allein durch die Luft eine tödliche Dosis Radionuklide aufnehmen würden.