Wie der Anbau von Pflanzen auf Klima und Artenvielfalt wirkt
Der Anbau von Lebensmitteln ist auf funktionierende Ökosysteme angewiesen. Die Landwirtschaft jedoch trägt zum Insektensterben und Klimawandel bei.
Die Hälfte Deutschlands –so groß ungefähr ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche hierzulande. Enorm viel. Es kann also nicht egal sein, wie auf diesen Hektar gewirtschaftet wird. Weder fürs Klima noch für die Artenvielfalt noch unsere Gesundheit.
Tierfutter und Lebensmittel: Konkurrenten auf dem Acker
Zwar werden in Deutschland jährlich mehr als 210 Millionen Kühe, Geflügel und Schweine gehalten – auf den insgesamt 16,7 Millionen Hektar Agrarfläche sind sie jedoch nur selten anzutreffen. Der Großteil fristet in konventionellen Betrieben ein Leben in engen Ställen. Und dennoch beansprucht die Nutztierhaltung den meisten Platz: Auf rund 9,7 Millionen Hektar wachsen Pflanzen für die Fütterung der Tiere, davon nehmen Dauergrünland etwa für die Heuernte sowie entwässerte Moore 4,7 Millionen beziehungsweise 900.000 Hektar ein. Das sind 58 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen – die nicht der direkten Lebensmittelproduktion zur Verfügung stehen.
Das erzeugte Futter reicht dennoch nicht für die hiesige Massentierhaltung. Ein großer Teil des Tierfutters wird zusätzlich importiert, meist aus Übersee. Rund 80 Prozent der weltweiten Soja-Ernte landet im Trog von Tieren; in Anbauländern wie Brasilien oder Argentinien verdrängen Viehhaltung und Futterproduktion wertvollen Urwald. Hinzu kommt, dass dort meist gentechnisch verändertes Saatgut ausgebracht wird.
In Deutschland wie auch in den meisten EU-Ländern wachsen Gen-Pflanzen hingegen nicht – dank des Widerstands europäischer Verbraucher:innen. Lediglich in Spanien und Portugal säen Landwirt:innen eine Gen-Maissorte.
Der Anbau von Futterpflanzen ist höchst uneffektiv für die Versorgung der Bevölkerung: Denn um eine Kalorie Hühnerfleisch zu erzeugen, müssen erst einmal zwei pflanzliche Kalorien verfüttert werden, bei Schweinefleisch, Milch und Eiern sind es drei verfütterte Kalorien für eine gewonnene und beim Rind sogar sieben. Der gleiche Boden würde also mehr Menschen satt machen, wenn dort Pflanzen wie Kartoffeln oder Roggen fürs Brot wachsen würden.
Auf Wachstum ausgerichtete Landwirtschaft schadet Artenvielfalt und Klima
Dieser Kalorienverlust ist nicht unerheblich. Schließlich ist die Ressource Boden begrenzt. Die konventionelle Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten in erster Linie auf Wachstum ausgerichtet: So weitet sie die Fläche – wo möglich – aus, etwa indem sie Bäume fällt oder Hecken und Blühstreifen am Ackerrand vereinnahmt. Zudem sollen Dünger, Pestizide und auf hohe Erträge gezüchtete Pflanzen die Ernten steigern. Doch diese einseitige Ausrichtung auf Wachstum gefährdet nun die Grundlage der Landwirtschaft: Artenvielfalt und ein stabiles Klima. Denn der Anbau ist auf funktionierende Ökosysteme angewiesen wie bestäubende Bienen oder bodenverbessernde Regenwürmer.
Auch in Deutschland wich Wildnis der Landwirtschaft. Dadurch schwinden nicht nur wichtige Lebensräume für Pflanzen, Insekten, Vögel und andere Tiere, sondern auch Kohlenstoffsenken – etwa CO2 speichernde Wälder, die im Kampf gegen die Erderhitzung unerlässlich sind. Die Bedeutung der Wälder in dieser Hinsicht ist vielen bekannt, weniger beachtet die Funktion der Moore: Sie speichern weltweit betrachtet doppelt so viel CO2 wie Wälder, dabei nehmen sie lediglich drei Prozent der globalen Landfläche ein. Für die Nutzung als Äcker oder Weiden wurden sie jedoch jahrzehntelang entwässert. Dadurch baut sich das in ihnen gebundene organische Material – also Pflanzenreste – ab und setzt CO2 frei. So wird aus einer CO2-Senke einer der Hauptemittenten von Treibhausgasen in der Landwirtschaft. Moore machen in Deutschland sieben Prozent der Landwirtschaftsflächen aus, rein rechnerisch könnten sie wiedervernässt die Emissionen des Landwirtschaftssektors um 37 Prozent senken.
Der Fokus auf Ertragssteigerungen trägt ebenfalls zum Klimawandel bei: Der Weltklimarat erklärte jüngst, die massive Stickstoffdüngung unterschätzt zu haben als ernst zu nehmende Treibhausgas-Quelle in der Landwirtschaft. So entsteht bei der übermäßigen Verwendung von Stickstoffdünger klimaschädliches Lachgas. Zwei Drittel des Stickstoffdüngers gehen im Übrigen auf das Konto des Tierfutters
Mit der Vielfalt auf dem Acker schwindet die Nahrung von Insekten
Der Druck, auf bestehenden Äckern hohe Erträge zu erzielen, schadet jedoch am allermeisten der Artenvielfalt. Die Agrarwirtschaft setzt sowohl bei der Futter- als auch Lebensmittelproduktion auf wenige Hochertragssorten, die sie meist in Monokulturen anbaut. Die großen Felder fallen bei der Fahrt übers Land insbesondere bei der Rapsblüte auf. So schön die gelben Äcker im April sind: Wenn die Blüte im Mai vorüber ist, fehlt den Insekten eine Futterquelle.
Abhilfe schaffen könnten kleinteiligere Felder mit vielfältigen Pflanzen, umgeben von Knicks mit Büschen, Bäumen und Hecken – oder Blühstreifen am Ackerrand. Doch diese Futterquellen, die zudem bei Wind auch vor Bodenerosion schützen, tauchen meist nur noch bei kleineren Höfen auf. Beim Arbeiten mit großen Landmaschinen jedoch stören diese nützlichen Vorkehrungen.
Pestizide gefährden Biodiversität – auf zweierlei Weise
Nicht nur die Konzentration auf wenige Pflanzensorten schwächt die Artenvielfalt. Mit dem Einsatz von Pestiziden sollen einerseits unerwünschte Kräuter, aber auch Schädlinge und Pilze bekämpft werden. So wird das weltweit immer wieder für Schlagzeilen sorgende Glyphosat auch in Deutschland eingesetzt. Das vom deutschen Chemieriesen Bayer hergestellte Pflanzengift spritzen Landwirt:innen zum Beispiel vor der Aussaat auf die Böden, damit alles abgetötet wird, was dort wachsen könnte, wie Klee, Mohn oder andere Beikräuter. Mit den Kräutern schwindet auch die Nahrung für Insekten, die wiederum auf dem Speiseplan von Vögeln stehen. Bezeichnend daher auch der starke Rückgang von Feldvögeln.
Andere Pestizide hingegen sollen nicht Beikräuter, sondern Schädlinge treffen. Leider führen der Anbau von weniger robusten, auf maximalen Ertrag gezüchtete Sorten und stark reduzierte Fruchtfolgen in der industrialisierten Landwirtschaft dazu, dass die Pflanzen anfälliger für Schädlinge sind. Die eingesetzten Insektizide jedoch wirken auch tödlich auf Nützlinge, die stillen Helfer, die ganze Ökosysteme in Gang halten. So fressen etwa die unter Hobbygärtner:innen geachteten Marienkäfer lästige Läuse. Fehlen Nützlinge auf den Äckern, haben Schädlinge wiederum leichteres Spiel – ein bitterer Kreislauf, der die Menge der eingesetzten Pestizide sinnlos in die Höhe treibt.
Wie können ausreichend nachhaltige Lebensmittel produziert werden?
Zugegeben: Die konventionelle Landwirtschaft fährt verglichen mit der ökologischen höhere Ernten ein. Noch jedenfalls. Denn Obstbauern sind auf bestäubende Insekten angewiesen, der Ackerbau auf wertvollen Humus – den geringe Fruchtfolgen doch gerade strapazieren. Hinzu kommen klimawandelbedingte Wetterkapriolen wie Dürre, Hitzeperioden, Starkregen – je höher die Temperatur, desto heftiger. Schon jetzt gefährden Extremwetter die Ernten – und es wird nicht besser werden. Wie lange also kann sich dieses System, das nimmt, aber kaum gibt, an den wertvollen Ökosystemen bereichern?
Einen Ausweg bietet ein nachhaltigerer Umgang mit unseren Ressourcen, der den Anbau ökologischer gestaltet, Moore und Wälder als Kohlenstoffsenken nicht zerstört – und dennoch genügend Lebensmittel produziert. Wie das gelingen kann, hat Greenpeace in zwei Studien vorgestellt: Das Kursbuch Agrarwende zeigt, wie die Landwirtschaft schrittweise ökologischer werden kann. Und „Landwirtschaft auf dem Weg zum Klimaziel“ nennt Maßnahmen, wie die Landwirtschaft im Jahr 2045 klimaneutral wirtschaften kann. Man ahnt es: Beide Ziele lassen sich nur mit einer Reduzierung der Tierbestände verwirklichen. So stünden Flächen zur Verfügung, auf denen etwa Moore wiedervernässt oder Lebensmittel extensiv, also bodenschonend und ohne Gifte, angebaut werden könnten.
Funktionieren kann das natürlich nur, wenn die Politik für Landwirt:innen einen verlässlichen Rahmen setzt und sie beim Umbau unterstützt. Auch müssten Verbraucher:innen umdenken und Essgewohnheiten über Bord werfen. Für manche mag das nach Verzicht klingen, aber es ist die Chance, gesunde Lebensmittel für alle zu produzieren – auch in Zukunft.
Häufig gestellte Fragen zum ökologischen Anbau
Warum sind Pestizide gefährlich?
Pestizide (zu deutsch: Schädlingsbekämpfungsmittel) werden eingesetzt, um etwas abzutöten wie etwa Pilze, Unkräuter oder Schadinsekten. Das ist wie mit Kanonen auf Spatzen schießen, denn der Eingriff ins Ökosystem ist massiv. So vernichten Pestizide auch die natürlichen Feinde von Schadinsekten und bringen so das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Zudem schaden Rückstände von Insektenvernichtungsmitteln oder Anti-Pilzmitteln der menschlichen Gesundheit. Viele Insektenvernichtungsmittel wirken auch als Nervengifte auf den Menschen.
Sind Pestizide auch im Essen nachweisbar?
Greenpeace hat in der Vergangenheit immer wieder Lebensmittel ins Labor geschickt und Pestizide in Lebensmitteln nachgewiesen. Bei importiertem Obst sogar in Deutschland nicht zugelassene Wirkstoffe.
Oberflächlich anhaftende wasserlösliche Pestizide können durch Waschen zumindest reduziert werden. (Lauwarmes fließendes Wasser ist besser als kaltes.) Andere Pestizide werden von Pflanzen während des Wachstums aufgenommen und können nicht abgewaschen werden. Bei Bio-Lebensmitteln werden diese Stoffe nicht verwendet.
Was kann ich gegen das Insektensterben tun?
Kaufen Sie möglichst Lebensmittel aus ökologischem Anbau. Öko-Landwirtschaft setzt keine chemisch-synthetischen Pestizide ein und arbeitet mit robusten Pflanzensorten und vielfältigen Fruchtfolgen. Im Garten und auf dem Balkon können Sie durch insektenfreundliche Pflanzen für ein zusätzliches Nahrungsangebot sorgen – versuchen Sie dabei, die ganze Saison mit blühenden Pflanzen abzudecken. Weitere Tipps im Bienenratgeber von Greenpeace.
Wie kann ich mich klimafreundlich ernähren?
Als Faustregel gilt, möglichst regional und saisonal Lebensmittel einzukaufen – und wenig tierische Produkte zu konsumieren. Wer im Winter jedoch nicht nur Rüben essen möchte, fragt sich: Was ist besser? Der Apfel aus dem regionalen Kühlhaus oder der importierte? Die Antwort: Es kommt drauf an – weitere Infos dazu finden Sie auf zeit.de. Lesen Sie auch unsere „10 Tipps für gutes Essen“.