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Die Argumente, mit denen das Atomforum in der Beilage nun wieder wirbt, sind nicht überraschend: Sie drehen sich um billigen Strom, die angebliche Stromlücke und Klimaschutz, also alles Argumente, die sich gut widerlegen lassen. Das machen wir auch:
Roland Hipp, Kampagnen-Geschäftsführer von Greenpeace, für die Beilage des Deutschen Atomforums e.V. am 14. 9. 2008
Atomforum: Acht Jahre nach dem Ausstiegsbeschluss diskutiert Deutschland wieder über die künftige Nutzung der Kernenergie. Ist eine Neubewertung Ihrer Ansicht nach angezeigt oder überflüssig?
Roland Hipp: Wir müssen die Energiesituation immer neu bewerten. Gerade die anstehende Modernisierung des deutschen Kraftwerksparks bietet die entscheidende Chance, unsere Energieversorgung umzubauen. Wir müssen wegkommen von Rohstoffen, die knapper und teurer werden, wir müssen die Abhängigkeit auflösen. Wir müssen weg von klimaschädlichen Kohlekraftwerken und hochriskanten Atomkraftwerken. Sogar die Szenarien der Bundesregierung belegen, dass der Atomausstieg Innovation und Investitionen für Erneuerbare Energien vorantreibt - und damit den Klimaschutz. Es droht keine Stromlücke, sondern eine Investitionslücke, wenn sich die Stromkonzerne dieser Entwicklung verweigern. Wer den mühsam errungenen Atomausstieg jetzt wieder in Frage stellt, sorgt tatsächlich dafür, dass es keine zukunftsfähige und bezahlbare Energieversorgung geben wird. Neu zu bewerten sind übrigens auch die Privilegien der AKW-Betreiber: Die mangelnde Haftpflichtversicherung für Unfallschäden und ihre Milliarden Rückstellungen, mit denen sie eigentlich Atommüll beseitigen sollen, mit denen sie aber ihre Positionen auf dem Energiemarkt ausbauen.
Atomforum: Stichwort Verantwortung: Sind die technischen Risiken der Kernenergienutzung Ihrer Auffassung nach verantwortbar?
Roland Hipp: Nein! Keine andere Technik hat ein so großes Zerstörungspotenzial. Der Betrieb von AKW und der Transport des Atommülls sind gefährlich. Das Problem der Endlagerung des strahlenden Mülls ist nicht gelöst. Völlig unterschätzt werden bislang Terrorgefahren. Bei einem Nischen-Anteil von nur 2,5 Prozent der Atomkraft am weltweiten Energieverbrauch sind die Risiken und der Aufwand für deren Vermeidung viel zu groß.
Atomforum: So umstritten die Kernenergie ist: Deutschland lebt bereits seit Jahrzehnten mit diesem Energieträger - für Sie ein oder kein Argument?
Roland Hipp: Kein Argument. Die Zeit drängt, diese Technik nicht nur in Deutschland sondern auch global zu ersetzen. Die vielen Störfälle - in Brunsbüttel und Krümmel, jetzt in Tricastin - machen immer wieder deutlich, wie unsicher Atomkraft ist. Hinzu kommt die Gefahr des Missbrauchs für den Bau von Atombomben, wie der diplomatische Streit über Atomprogramme im Iran und Nord-Korea zeigt.
Atomforum: Über kaum ein Thema wird hierzulande so emotional diskutiert wie über die Kernkraft. Worauf kommt es jetzt an in der Debatte?
Roland Hipp: Die Debatte muss sachlich und ehrlich geführt werden, auch bei Energiekosten: Sparen und effiziente Technik sind ebenso entscheidend wie der Strom-Mix. In Baden-Württemberg mit einem hohen Anteil an Atomstrom sind die Strompreise hoch. Man darf den Leuten nicht einreden, Öl- oder Gaspreise hingen von Laufzeitverlängerungen ab. Auch gegen den Klimawandel taugt Atomkraft nicht. Eine unrealistisch hohe Zahl AKW - mindestens 1400 - wären dafür weltweit nötig. Für deren Bau bliebe auch gar keine Zeit. Wir brauchen schnelle Lösungen in den nächsten Jahren, wenn wir den Klimawandel noch dämpfen wollen.
Atomforum: Wie sieht für Sie der Energiemix der Zukunft aus?
Roland Hipp: Nach einer Studie eines renommierten Energieinstitutes im Auftrag von Greenpeace (Klimaschutz Plan B) kann Deutschland sogar mit vorzeitigem Atomausstieg bis zum Jahr 2015 die Ziele zum Klimaschutz erreichen. Die Eckpunkte für die Versorgung im Jahr 2020 sind: Durch effiziente und modernste Technik den Energieverbrauch senken, hinzu kommt eine höhere Effizienz in der Produktion durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien und neue Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung. Damit wird Deutschland wesentlich unabhängiger von Rohstoffimporten. Die Preise bleiben stabil und der Ausstoß von CO2 sinkt. Mit diesen Aufgaben muss jetzt begonnen werden. Auseinandersetzungen um den Ausstiegsbeschluss sind verlorene Zeit.