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Wie EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos am Donnerstag mitteilte, sollen die Direktzahlungen für Landwirte in Zukunft stärker für Umweltmaßnahmen eingesetzt werden. Im EU-Haushalt von 123 Milliarden Euro ist der Agrarbereich mit 58 Milliarden Euro der größte Posten. Über fünf Milliarden Direktzahlungen fließen jährlich nach Deutschland. Interne Papiere aus dem Landwirtschaftsministerium belegen: Geht es nach Aigner, so ändert sich daran nichts.
Aus den Augen, aus dem Sinn mag sich die Ministerin gedacht haben, als sie vergangene Woche die Offenlegung sämtlicher Empfänger von Agrarsubventionen verbot, zu denen zum Beispiel der Braunkohletagebau von RWE gehört. Anlass für die neue alte Intransparenz ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 9. November: Landwirte, die Agrarzahlungen erhalten, dürfen nicht mehr pauschal im Internet veröffentlicht werden.
Das Urteil bezog sich jedoch ausdrücklich auf Einzelpersonen, nicht auf Unternehmen. Die Namen von Großunternehmen und Agrarkonzernen (juristischen Personen) samt ihren erhaltenen Agrarsubventionen können weiterhin veröffentlicht werden. Der EuGH befand, hier gebe es ein großes öffentliches Interesse und keine Datenschutzbedenken.
Seit dem 1. Mai 2009 mussten sämtliche Empfänger von EU-Agrarsubventionen im Internet veröffentlicht werden. Der Datenschutzbeauftrage der Bundesregierung begrüßte seinerzeit die EU-Regelung, mit der politische Entscheidungsprozesse transparenter gestaltet und die Verwendung finanzieller Mittel für jeden Bürger nachvollziehbar gemacht werden sollte. Doch der Bauernverband lief Sturm und Aigner versuchte bis zuletzt, die Transparenzinitiative in Deutschland zu unterlaufen.
Durch die komplette Sperrung der Internetseite könnten jetzt viele absurde Subventionstatbestände, die überhaupt erst durch die Veröffentlichung bekannt geworden sind, wieder in Vergessenheit geraten. Dazu gehören Direktbeihilfen für Golfplatzbesitzer, Aufforstungsgelder auf einem Schießplatz des Waffenkonzerns Rheinmetall oder eben die Coca Cola-Förderung für US-Kasernen.
{image_r}Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace: Steuerzahler haben das Recht zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht, wofür es ausgegeben wird und wer die größten Nutznießer des jetzigen Agrarsystems sind. Anderenfalls steigt die Gefahr, dass Steuergelder in falsche Kanäle fließen. Zum Beispiel in die Verpflegung auf Kreuzfahrtschiffen oder Interkontinentalflügen oder für die Verwendung von Zucker als Geschmacksverstärker in der Zigarettenproduktion.
Ilse Aigner will keine öffentliche Diskussion über die Verteilung der Agrargelder, weil sie keine Änderung der bisherigen Agrarpolitik will, sagt Hofstetter. Dabei verursacht die deutsche Landwirtschaft mehr Klimagase als der nationale PKW-Verkehr. Nur ein grundlegender Wandel kann die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre beheben.
Hofstetter fordert konkrete finanziell gut ausgestattete Maßnahmen, die das Artensterben beenden, den Ausstoß von Klimagasen aus der Landwirtschaft drastisch reduzieren und die Erzeugung gesunder Lebensmittel im Einklang mit der Natur fördern. Kommissar Ciolos habe begriffen, worauf es ankomme, Ministerin Aigner leider noch nicht.