- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Und der Skandal weitet sich weiter aus: 1000 Legehennen-, Schweine- und Putenbetriebe sind gestern allein in Niedersachsen gesperrt worden. Aber auch andere Bundesländer sind betroffen. Was das bedeutet, erfahren Sie im Interview mit unserem Chemieexperten Manfred Santen und unserem Landwirtschaftsexperten Martin Hofstetter.
Online-Redaktion: Sind Eier und Fleisch bereits im Supermarkt bzw. beim Verbraucher gelandet?
Manfred Santen: Ja, in jedem Fall - Hunderttausende von Eiern sind ausgeliefert worden. Der Skandal hat seinen Ausgangspunkt ja bereits Mitte November, da sind die Fette ausgeliefert worden, die dann verfüttert wurden. Man muss davon ausgehen, dass die Eier beim Verbraucher gelandet sind.
Online-Redaktion: Wie gefährlich ist der Verzehr - vor allem für Kinder?
Manfred Santen: Eine akute Gefährdung mit Symptomen wie Chlorakne, was man von Dioxin kennt, oder Kopfschmerzen, Übelkeit wird es nicht geben - dafür sind die Konzentrationen zu gering.
Das Problem ist die chronische Toxizität. Keiner weiß, wie viel Dioxin beispielsweise Krebs auslösen kann oder wie viel Dioxin den Hormonhaushalt stören kann. Man weiß einfach nur, dass Dioxin diese Eigenschaften hat und dass es auch in geringen Konzentrationen zu solchen Krankheiten kommen kann. Deshalb gilt das Vorsorgeprinzip: Dioxin hat nichts im Essen zu suchen.
Online-Redaktion: Ob BSE- oder Dioxin-Skandal - wieso kommt es immer wieder zu Futtermittelskandalen?
Martin Hofstetter: Das hat insgesamt damit zu tun, dass Futtermittel staatlicherseits zu wenig kontrollliert werden und dass die Futtermittelindustrie im Grunde ein knallhartes Geschäft macht. Da gibt es auch immer wieder dubiose Firmen, die versuchen, rechtliche Regelungen zu umgehen. Und die versuchen, Billigststoffe, die eigentlich keine Futtermittel sind, einzusetzen.
Online-Redaktion: Wird also regelmäßig eine Gesundheitsgefährdung billigend in Kauf genommen, um an billiges Futter zu kommen?
Martin Hofstetter: Ein Futtermittelhersteller muss wissen, welche Futtermittel er kaufen darf. Das muss nämlich als Futtermittel gekennzeichnet sein. Er hat wissentlich Produkte gekauft, die keine Futtermittel gewesen sind und hat die untergemischt. Und er hat das mit großer Sicherheit aus wirtschaftlichen Gründen gemacht - also um Profit zu machen.
Online-Redaktion: Was muss getan werden, um so etwas zu verhindern?
Martin Hofstetter: Wir brauchen häufigere, bessere und verpflichtende staatliche Kontrollen. Wir brauchen klare Vorgaben, was an Futtermitteln eingesetzt werden darf. Wir brauchen eine offene Deklaration, dass jeder, also auch die Bauern, die Futtermittel kaufen, wissen, was genau im Futter steckt. Das ist im Moment nämlich auch nicht der Fall.
Und wir brauchen wohl auch härtere Strafen: Die Strafen, die es im Moment gibt, scheinen ja keine ausreichende abschreckende Wirkung zu haben.
Online-Redaktion: Wie sieht es mit Bio-Ware aus. Im letzten Jahr war mit Dioxin belastetes Futter an Bio-Höfe geliefert worden. Ist der Skandal vergleichbar?
Martin Hofstetter: Im jetzigen Fall hat es ein vorsätzliches Vorgehen von einem Wirtschaftsunternehmen gegeben, indem es Produkte eingesetzt hat, die als Tierfutter nicht geeignet waren.
Im Fall der Bio-Produkte war es so , dass Mais mit Dioxin verseucht war, dies aber unwissentlich geschehen war. Der Mais war beim Trocknen verschmutzt worden. Dies kann passieren, wenn für die Trocknung Luft benutzt wird, die beim Erhitzen mit Feuer in Kontakt kommt. Um dieses Risiko zu vermeiden, sollte nur über einen Wärmetauscher erhitzte Luft auf das Futter geleitet werden.
Online-Redaktion: Kommen Futtermittelskandale eher in der konventionellen als in der ökologischen Lebensmittelproduktion vor?
Martin Hofstetter: Grundsätzlich ja, weil Bio-Betriebe in viel größerem Maße eigene Futtermittel einsetzen. Und die Probleme tauchen ja vor allen Dingen dort auf, wo Tierfutter kreuz und quer oder auch international gehandelt wird. Da bieten sich ja viel mehr Möglichkeiten der Kontamination und auch des grauen Marktes. Der Bio-Bauer, der im größeren Maße eigenes Tierfutter einsetzt, hat eine viel größere Kontrolle über die Qualität der Futtermittel und er hat natürlich auch kein Interesse, seine eigenen Produkte zu verseuchen.