
Diese Ressourcen aus dem Meer will die Tiefseebergbauindustrie plündern
Jahrmillionen gewachsen, in Minuten zerstört
- Ein Artikel von Andi Nolte
- Hintergrund
Die Tiefsee ist einer der am wenigsten erforschten und faszinierendsten Lebensräume unseres Planeten. Sie beherbergt nicht nur eine einzigartige Artenvielfalt, sondern auch Rohstoffe, die die Industrie ins Visier genommen hat. Doch dieser Schatz hat seinen Preis: den Verlust unersetzlicher Ökosysteme. In den verschiedenen Regionen der Ozeane lagern unterschiedliche metallische Ressourcen. Die Industrie hat es vor allem auf drei Arten von Lagerstätten abgesehen: Manganknollen, Kobaltkrusten und Schwarze Raucher (Massivsulfide).
Manganknollen – der umstrittene Schatz des Pazifiks

© Fred Dott / Greenpeace
Manganknolle
Der Schatz, den die Tiefseebergbauindustrie auf dem Meeresboden im Pazifik sucht, heißt Manganknolle. Solche Knollen befinden sich in einer Tiefe von 3.000-6.000 Metern, insbesondere im Pazifischen Ozean. Man kann sie sich als braun-schwarze Mineral-Klumpen vorstellen, die etwa handgroß in der oberen Schicht des Meeresbodens liegen. Sie wachsen hier in einem Schneckentempo, gerade einmal wenige Millimeter in einer Million Jahre. Manganknollen bestehen vorwiegend aus Mangan- und Eisenverbindungen, enthalten aber auch andere Metalle. Wirtschaftlich ebenfalls interessant sind Nickel, Kupfer und Kobalt, die in der Masse aber nur bis etwa 3 Prozent einer Knolle ausmachen.


©NOAA Office of Ocean Exploration and Research, Hohonu Moana 2016.
Die Tiefseekrake "Casper", entdeckt an der Necker Ridge, Hawaii, in 4290 Metern Tiefe. Ihr Mantel ist etwa 6,4 Zentimeter lang. Diese Aufnahme entstand mit dem US-amerikanischen Tauchroboter Deep Discovery.”
Eines der größten Vorkommen von Manganknollen befindet sich in der Clarion-Clipperton-Zone in der Tiefsee des Pazifik zwischen 4.000 und 6.000 Metern. Auf Manganknollen wachsen unterschiedlichste Wesen wie Korallen und gestielte Schwämme. Die polymetallischen Knollen bilden wiederum die Lebensgrundlage für andere, bewegliche Arten. Ein Beispiel ist eine erst vor wenigen Jahren entdeckte Mini-Krake, die aufgrund ihres transparenten, geisterhaften Aussehens “Casper” getauft wurde. Diese legt ihre Eier auf die Manganknollen, klammert sich an den dort wachsenden Schwämmen fest und bewacht ihre Brut bis zu vier Jahre lang.
2023 hat das Alfred Wegener Institut (AWI) Forschungsergebnisse veröffentlicht, wonach Manganknollen eine erhöhte radioaktive Strahlung aufweisen. Es ist völlig unklar, wie hoch das Risiko bei der Arbeit mit Manganknollen oder einer Lagerung in großen Räumen (wie es bei Bergbauarbeiten auf See der Fall wäre) ist. Der neue Raubbau in der Tiefsee bringt also neben den Meeren wahrscheinlich auch die Menschen in Gefahr, die im neuen Industriezweig vor Ort arbeiten werden.
Darüber hinaus könnte Tiefseebergbau weitere alte koloniale Muster wiederholen: Die meisten Unternehmen stammen aus wohlhabenden Industrienationen, rohstoffreiche Länder verfügen oft nicht über die notwendige Technologie oder die finanziellen Mittel für den eigenständigen Abbau. Stattdessen sind sie gezwungen, Lizenzen an ausländische Firmen zu vergeben – meist zu wirtschaftlich ungünstigen Bedingungen.
Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) soll sich um die Verwaltung von Bodenschätzen in der Tiefsee kümmern, steht jedoch in der Kritik, eher die Interessen großer Unternehmen als den Schutz betroffener Länder zu berücksichtigen. Während Metalle wie Kobalt, Nickel und Kupfer exportiert werden würden, bliebe die lokale Wertschöpfung aus und die betroffenen Länder wirtschaftlich abhängig. Ähnlich wie beim Landbergbau in vielen ehemaligen Kolonien erhalten die Menschen die dort leben kaum wirtschaftliche Vorteile, während Umweltzerstörung ihre Lebensgrundlagen – etwa die Fischerei – bedroht. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt bereits, wie gefährlich und ungerecht der Tiefseebergbau werden kann: Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals erhielt 2011 die erste Genehmigung für Tiefseebergbau in den Hoheitsgewässern von Papua-Neuguinea. Doch statt wirtschaftlichem Aufschwung brachte das Projekt Solwara I nur massive Verluste – für die Bevölkerung, nicht für die Investoren. Umweltgruppen und Einheimische protestierten, rechtliche Auseinandersetzungen folgten, und 2019 ging das Unternehmen bankrott. Zurück blieb ein Schuldenberg von 120 Millionen US-Dollar für die Regierung Papua-Neuguineas. Inselstaaten wie Palau, Fidschi und Samoa fordern daher ein Moratorium für den Tiefseebergbau, da die Risiken für Ökosysteme und lokale Wirtschaftszweige wie Tourismus und Fischerei zu hoch seien. Eine gerechtere Alternative wäre eine globale Rohstoffstrategie, die auf Menschenrechte, Recycling und Kreislaufwirtschaft setzt, statt unberührte Ökosysteme und lokale Gemeinschaften zu gefährden.
Metalle in der Arktis – Kobaltkrusten und Schwarze Raucher

© Jan Steffen/GEOMAR
Kobaltkruste
Durch vulkanische Aktivität am Meeresboden sind über Millionen Jahre hinweg riesige Unterwassergebirge entstanden – sogenannte Seeberge oder Seamounts. Diese Giganten, von denen es schätzungsweise 33.000 in den Weltmeeren gibt, ragen bis zu 4.000 Meter in die Höhe. Ihre sedimentfreien Flanken sind oft mit steinharten, metallhaltigen Belägen überzogen, die in der Fachwelt als kobaltreiche Eisenmangankrusten oder kurz Kobaltkrusten bekannt sind.
Ähnlich wie Manganknollen entstehen diese Krusten über Millionen Jahre hinweg, indem sich Metallverbindungen aus dem Wasser auf dem Gestein ablagern – jedoch noch langsamer: Sie wachsen nur 1 bis 5 Millimeter pro Million Jahre. Diese extrem lange Entstehungszeit macht sie ökologisch besonders wertvoll, denn sie bieten Lebensräume für ganz besondere Tiefseeorganismen, die an diese einzigartigen Bedingungen angepasst sind.
Die Tiefseebergbauindustrie sieht in Kobaltkrusten eine begehrte Rohstoffquelle, da sie große Mengen an Kobalt, Nickel, Mangan und anderen Metallen enthalten. Doch der Abbau wäre technisch aufwändig: Um an die Metalle zu kommen, müssten Kobaltkrusten von den Felsen abgefräst werden – mit schwerwiegenden Folgen für die Ökosysteme. Die Umweltzerstörung ist nicht minder gravierend als die durch den Abbau von Massivsulfiden oder Manganknollen.

© GEOMAR Schmidt Ocean Institute CSSF
Schwarzer Raucher, Niua
Die Tiefseebergbauindustrie hat es in der Arktis außerdem auf Schwarze Raucher abgesehen: Das sind Quellen am Meeresboden, die heißes Wasser ausspucken und dabei einen Cocktail aus verschiedenen chemischen Elementen enthalten. Diese Lösung kann bis zu 400 Grad Celsius heiß werden und setzt besonders viel Schwefel und Eisen, aber auch Kupfer, Zink und andere Mineralien frei. Diese Mineralien häufen sich an und bilden Schornsteine, die sogar bis zu 30 Meter hoch werden können. Die Schwarzen Raucher geben vielen Arten ein Zuhause, beispielsweise Krebsen, aber auch vielen Mikroorganismen, die ganz unten in der Nahrungskette stehen.