Greenpeace-Serie: Was die EU im Gran Chaco anrichtet.
- Unterwegs
Im zweitgrößten Wald Südamerikas wird die Zerstörung immer dramatischer.
Das EU-Mercosur-Abkommen droht, die Abholzung des Gran Chaco weiter zu beschleunigen.
Zwei Wochen waren wir in Argentinien unterwegs und haben die Zerstörung mit unseren eigenen Augen gesehen.
In unserer YouTube-Serie „Giftvertrag EU-Mercosur“ zeigen wir euch die Schattenseiten vom globalen Handel. Und auch wie vor allem Großkonzerne aus der EU vom Pestizid-Handel profitieren. Und das auf Kosten der Gesundheit der Menschen vor Ort. In der dritte Folge geht es dafür nach Brasilien.
Hier geht's zur Dokuserie
Der Gran Chaco ist nach dem Amazonasgebiet einer der am stärksten von Waldzerstörung betroffenen Orte der Erde. Das, was hier passiert, ist ein Verbrechen. Von 1998 bis 2021 wurden fast 7 Millionen Hektar im argentinischen Chaco, eine Fläche ähnlich der von Schottland, vernichtet.
Abholzung des Gran Chaco: ein Verbrechen an der Natur
Aufgeteilt auf Argentinien, Paraguay, Bolivien und einen kleinen Teil Brasiliens, beherbergt der Gran Chaco 3.400 Pflanzenarten, 500 Vogelarten, 150 Säugetiere, 120 Reptilien und 100 Amphibien. Dazu gehören unter anderem: Flachlandtapire, die seltenen Chaco-Pekaris, Brüllaffen und auch Jaguare. Einst lebte der mächtige Schleicher noch weiter südlicher, doch menschlicher Einfluss hat ihn aus seiner Heimat vertrieben. Im argentinischen Teil leben nur noch etwa 20 Tiere. Für Paraguay und Bolivien gibt es keine sicheren Daten.
“Die Entwaldung in den Tropen führt zu starken CO2-Emissionen, zum Verlust der Artenvielfalt und trägt zur Ausbreitung von Zoonosen bei”, erklärt Noemí Cruz, Waldexpertin von Greenpeace Argentinien. Auf vielen abgeholzten Flächen werden landwirtschaftliche Rohstoffe wie Rindfleisch oder Sojabohnen produziert. Diese werden dann in die ganze Welt verschifft, unter anderem nach Europa und Deutschland.
Argentinien ist der viertgrößte Exporteur von Rindfleisch weltweit. 2020 führte das Land 819.000 Tonnen Fleisch und Rindsleder im Wert von umgerechnet 2,8 Milliarden Euro aus – vor allem nach China und Deutschland. Rindfleisch macht etwa fünf Prozent der gesamten Exporte aus.
Waldzerstörung im Gran Chaco - ein Verbrechen an indigenen Gemeinschaften
Im argentinischen Chaco leben rund 200.000 Indigene aus neun Gemeinschaften. Eine von ihnen ist Noolé. Sie gehört zur Gruppe der Pilagá und baut zusammen mit ihrer Familie Wassermelonen und Kartoffeln an. Doch dieses Lebensmodell gerät zunehmend unter Druck. Denn die Bäume werden abgeholzt, um Platz für große Soja- und Rinderfarmen zu schaffen, die den weltweiten Nahrungsmittelbedarf decken sollen. "Wir, die Pilaga, sind von der Landrodung sehr betroffen. Denn die Abholzungen führen zu Trockenheit”, erklärt Noolé, die im Gran Chaco in der Nähe der Kleinstadt Las Lomitas lebt.
Und Noolés Situation könnte sich durch den EU-Mercosur Giftvertrag sogar noch verschlechtern. Das Handelsabkommen soll der europäischen Industrie offenen Zugang zum südamerikanischen Markt liefern. Im Gegenzug soll die südamerikanische Landwirtschaft mehr Produkte in Europa absetzen dürfen – oft genau jene Produkte, für die die südamerikanischen Ökosysteme zerstört werden. Steigen Absatz und Nachfrage nach Produkten wie Rindfleisch, wird sich also auch die Zerstörung der Wälder für Rinderweiden erhöhen.
"Das Abkommen ist für die Wirtschafts- und Geschäftswelt gedacht", sagt Noolé. "Für uns als indigene Gemeinschaft ist die Realität, dass wir nicht Teil dieses Abkommens sind. Wir waren nie an den Verhandlungen beteiligt. Sie haben uns nie berücksichtigt.” Hinzu kommen laut Noolé Konflikte mit anderen indigenen Gemeinschaften: Die Abholzung habe oft zur Vertreibung und Enteignung von Land von Menschen geführt, die seit Jahrhunderten in dieser Region leben.
Waldzerstörung im Gran Chaco - ein Verbrechen an kleinbäuerlicher Landwirtschaft
Ähnlich klingen die Worte und Schicksale von Teofila Palma und Mariela Soto. Beide sind Kleinbäuerinnen in der Provinz Formosa im Gran Chaco. Beide versuchen, sich in der “Frente Nacional Campesino” zu organisieren, um ihre Landrechte nicht zu verlieren. Denn sie hätten aus der Geschichte gelernt und erinnern an die Gründungsgeschichte ihrer Organisation. 2011 war das. 200 Familien wurden ganz in der Nähe enteignet und haben 90.000 Hektar Land verloren - während der Staat dabei zugesehen habe. “Bei vielem, was uns passiert, kennen wir unsere Rechte nicht. Wenn irgendein Unternehmen oder eine Person kommt, die mehr von Recht und Gesetzen weiß, schüchtern sie uns ein. Dann fühlt man eine große Machtlosigkeit”, sagen die beiden Frauen.
In den letzten Jahrzehnten wird das Land in der Provinz Formosa zunehmend von großen Agrarbetrieben erschlossen. Im Mittelpunkt steht dabei die Anpflanzung riesiger Monokulturen, beispielsweise von Soja. "Seitdem ist die Temperatur noch höher. Viele lokale Erzeuger haben ihre Tiere verloren. Die Abholzung hat auch noch dazu geführt, dass der Boden erodiert und kein Weideland mehr wächst".
Waldzerstörung im Gran Chaco - ein Verbrechen am Klima
Der Gran Chaco ist eine wichtige Kohlenstoffsenke, und die Abholzung hat zu einem massiven Ausstoß von Treibhausgasen geführt, was die Klimakrise beschleunigt hat. Ähnlich wie im Amazonasgebiet treibt die Industrie Rodungen und Abholzungen im Gran Chaco systematisch voran. Sie will sich Flächen für die Land- und Viehwirtschaft sichern, vor allem für den Export nach China und Europa. Denn Argentinien leidet an einer Wirtschafts- und Finanzkrise: Die jährliche Inflationsrate ist auf 102,5 Prozent gestiegen. Mit Exporten versucht der Agrarstaat Argentinien vor allem Euros und Dollar ins Land zu holen, um den Preisverfall einigermaßen abzufedern.
In vielen Ländern gibt es Einfuhrbestimmungen, die illegale Abholzung verhindern sollen, und Argentinien hat 2007 ein Waldgesetz erlassen. Selbst lokale Beamte bestätigen jedoch, dass die regionale Durchsetzung lückenhaft ist und niedrige Geldstrafen oft nicht abschreckend genug seien.
Die Abholzung verschärft die Klimakrise und führt zu extremen Ereignissen wie Dürren und schweren Stürmen. Landwirtschaft, Viehzucht, Forstwirtschaft und Entwaldung sind für 37 % der Treibhausgasemissionen in Argentinien verantwortlich.
Das Wichtigste auf einen Blick
Der Gran Chaco
Der Gran Chaco ist eine Region im nördlichen Teil von Argentinien und erstreckt sich über mehrere Provinzen, darunter Salta, Santiago del Estero, Formosa und Chaco. Die Region ist bekannt für ihre trockenen Wälder, Savannen und ihre Artenvielfalt, darunter seltene Tiere wie der Jaguar und der Tapir.
Der argentinische Gran Chaco ist der am stärksten von der Abholzung betroffene Teil. Von 1998 bis 2021 wurden fast 7 Millionen Hektar, eine Fläche ähnlich der von Schottland vernichtet.
Etwa 80 % der Abholzung in Argentinien erfolgt in den vier nördlichen Provinzen Chaco, Formosa, Salta und Santiago del Estero (Provinzen der Waldregion Gran Chaco).
- Der Preis für Land (mit Wald) in den Provinzen des argentinischen Gran Chaco liegt zwischen 300 und 1.000 USD pro Hektar.
- In der Pampa-Region liegt der Preis für Land (ohne Wald) bei 5.000 bis 30.000 USD pro Hektar.
Landwirtschaft, Viehzucht, Forstwirtschaft und Entwaldung sind für 37 % der Treibhausgasemissionen des Landes verantwortlich.
Europas Verantwortung: Neuverhandlung des Giftvertrags EU-Mercosur nötig
Waldzerstörung, Vertreibung von Indigenen und Kleinbauern und -bäurinnen - Den Giftvertrag EU -Mercosur zu unterstützen, ist gegenüber der Natur, den Menschen in Südamerika und gegenüber künftigen Generationen scheinheilig, neokolonial und klimafeindlich, erklärt Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha: “Solange es klimaschädliche Produkte fördert wie billiges Fleisch, Futtersoja oder Verbrenner-Fahrzeuge wird das EU-Mercosur Handelsabkommen die Zerstörung des Amazonas, des Gran Chaco und anderer lebenswichtiger Ökosysteme vorantreiben und die Klima- und Naturkrise beschleunigen. Ohne ein radikales Umdenken und eine umfassende Überarbeitung bleibt das Abkommen ein schlechtes. Wir fordern von der Bundesregierung, diesen alten Giftvertrag im Sinne des Klimas und der Natur grundlegend neu zu verhandeln, statt es einfach auf die Schnelle durchzuwinken."
Greenpeace und Misereor haben im Mai 2021 mit einem Rechtsgutachten belegt, dass nur Neuverhandlungen das Abkommen wirklich nachhaltig machen können.