Erfolg nach zehn Jahren Greenpeace-Kampagne: Urwälder in Finnland geschützt
- Hintergrund
Besser spät als nie: Nach neun Jahren Greenpeace-Kampagne wurden 2009 in Nordfinnland acht Urwaldgebiete von insgesamt rund 100.000 Hektar unter Schutz gestellt, ein weiteres Schutzgebiet von 150.000 Hektar folgte ein Jahr später. Besonders für die Ureinwohner und traditionellen Rentierzüchter in Lappland, die Sámi, sind diese geschützten Naturräume existenziell wichtig.
Im Jahr 2000 startete Greenpeace eine Kampagne zur Rettung der letzten Urwälder Finnlands, die bis dato nur zur Hälfte geschützt waren. Die Urwälder Finnlands sind so genannte boreale Wälder der kalt-gemäßigten Zone der Nordhalbkugel mit Kiefern, Fichten und Birken und gehören zu den letzten Urwaldresten Nordeuropas. Wildtiere wie Braunbären, Vielfraße und Wölfe, aber auch viele nordische Pflanzen- und Pilzarten sind auf intakte Urwälder angewiesen. Außerdem dienen die nördlich gelegenen Urwälder des Landes den traditionellen Rentierzüchtern und Urweinwohnern Nordfinnlands, den Samen oder auch Sámi, im langen Winter als Weideflächen für ihre Rentiere. Wenn das Land tief verschneit ist, ernähren sich die Tiere von Flechten, die von Bäumen herabhängen und nur in Urwäldern mit altem Baumbestand reichlich vorkommen. Darüber hinaus sind die finnischen Urwälder – wie alle der Erde – wichtig für den Klimaschutz. Sie speichern große Mengen Kohlenstoff in den Pflanzen und im humusreichen Boden.
Finnland ist zu drei Vierteln mit Wald bedeckt, mit rund 220.000 Quadratkilometern (22 Millionen Hektar) ist es das waldreichste Land der Europäischen Union. Doch nur etwa 10.000 Quadratkilometer (eine Million Hektar) sind noch in unberührtem Zustand – in den vergangenen rund 60 Jahren wurde der Großteil der finnischen Urwälder abgeholzt und in Wirtschaftswald umgewandelt. In Forsten werden gleichaltrige Bäume nur 80 bis 120 Jahre alt und die Artenvielfalt ist geringer, auch weil weniger morsches Totholz im Wald verbleibt, wo sich Pilze, Käfer und Vögel ansiedeln könnten.
Etwa ein Drittel der finnischen Wälder sind Staatseigentum. Das staatliche finnische Forstamt Metsähallitus bewirtschaftet sie, auch die Urwälder. Mitverantwortlich und Motor für den Urwaldschwund waren die großen Papierhersteller Finnlands, die Holz beim staatlichen Forstamt kaufen: Stora Enso, M-Real und UPM Kymmene. Deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wiederum sind Finnlands wichtigste Papierkunden und tragen damit ebenfalls eine besondere Verantwortung. Rund 20 Prozent des Papiers und ein Drittel der Zellstoffexporte Finnlands sind für den deutschen Markt bestimmt. Kiefern und Fichten enden als Zeitschrift, Verpackungskarton, Kopierpapier oder Briefumschlag in jedem deutschen Haushalt.
Seit dem Jahr 2000 protestierten Greenpeace-Aktivisten mit vielfältigen Mitteln und Taktiken gegen dieses Umweltverbrechen und richteten ihre Forderungen an die wichtigsten Verantwortlichen, darunter die finnischen Papier- und Zellstoffhersteller, die finnische Regierung und große Papierabnehmer in Deutschland.
- Intensiv kommunizierte Greenpeace mit großen deutschen Zeitungsverlagen, die Papier aus Finnland nutzen, und lud Verlagsmitglieder nach Lappland ein, um die Schönheit und den Wert der urigen Wälder persönlich kennen zu lernen. Der Axel Springer Verlag sowie die Verlage Bauer, Burda, Gruner+Jahr und Spiegel setzten sich für den Schutz der letzten ungeschützten Urwälder ein.
- Mehrfach protestierten Greenpeace-Aktivisten auf der Ostsee bei Lübeck gegen Papierlieferungen aus Finnland. So beschrifteten sie 2003 die Bordwand des Papierfrachters "Finnhawk" mit der Botschaft "Forest Crime in Europe". Das Schiff lieferte Ware von Stora Enso, UPM Kymmene und M-Real für den deutschen Markt. 2005 erwarteten Schlauchbootfahrer von Greenpeace den Papierfrachter "Antares" und protestierten gegen die Entladung seiner Fracht aus Urwaldzerstörung.
- Im Frühjahr 2005 bauten Greenpeace-Aktivisten in Inari, Lappland, mitten im Einschlagsgebiet ein Waldschutzcamp auf. Gemeinsam mit Sámi-Rentierhaltern markierten sie die zu schützenden Gebiete mit Schildern. Das Protestcamp im Urwald war ein wichtiger Schritt. Nur wenige Tage, nachdem die Greenpeace-Aktivisten im Urwald eintrafen, entschloss sich das Forstamt zu einem Einschlagstopp.
- Nach Protesten von Greenpeace und deutschen Verlagen sowie der Vereinten Nationen stoppten die finnischen Behörden im Herbst 2005 das Bäumefällen im Gebiet der Sámi. Schwer wog dabei die Erklärung der UN-Menschenrechtskommission, der Einschlag im Urwald verletze die Menschenrechte der Sámi. Doch außerhalb dieser Gebiete wurde weiter eingeschlagen.
- Im März 2007 postierten sich 40 Greenpeace-Protestler aus verschiedenen europäischen Ländern in der nordfinnischen Stadt Kemi vor den Haupeingängen von Stora Enso und Botnia. Botnia ist Europas größter Zellstoffhersteller. Beide Unternehmen bezogen weiterhin Holz aus den letzten acht großen Urwäldern südlich des Sámi-Gebietes.
- Viele Monate und Proteste weiter, im Sommer 2009, wurde Greenpeace zu Gesprächen bei Stora Enso eingeladen, dem mehrere Gespräche folgten. Der Erfolg rückte näher ...
Im Herbst 2009 verhandelten dann das finnische Forstamt Metsähallitus, die Holzindustrie, die Gemeinde Lappland sowie das Umweltzentrum Lapplands und das Parlament der Sámi mit einigen Rentierzüchtern über den Schutz der Urwälder Lapplands und konnten sich darauf einigen, welche Waldflächen zukünftig noch bewirtschaftet werden und welche nicht. Greenpeace hatte zusammen mit dem finnischen Naturschutzbund (Fanc) und Sámi-Rentierkooperativen die letzten acht großen Urwälder kartiert und damit eine Grundlage für die Verhandlungen gelegt.
Der Vertrag besagt: Insgesamt 96.700 Hektar Urwald (eine Fläche viermal so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald) sind für immer geschützt, 9.300 Hektar sollen unter Berücksichtigung besonderer Kriterien nachhaltig bewirtschaftet werden.
Im Dezember 2010 konnte ein weiterer Erfolg verbucht werden: In Inari wurde ein 150.000 Hektar großes Schutzgebiet eingerichtet – erst einmal für 20 Jahre ist es vor den Kettensägen der Holz- und Papierindustrie sicher. Das finnische Forstamt und Vertreter der Sámi unterzeichneten einen entsprechenden Vertrag in Helsinki. Dieser sichert den seit 2005 bestehenden Stopp der Waldzerstörung in Inari nun rechtlich ab.
(Autorin: Nicoline Haas)