Brasilien: Mehr Zerstörung von Amazonas-Regenwald in Indigenen Gebieten
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Greenpeace dokumentiert die Rodung im Amazonas in Brasilien. Die Zerstörung in Indigenen-Gebieten hat um 60 Prozent zugenommen. Besonders betroffen ist das Land der Ituna-Itatá.
Die indigenen Gemeinschaften in Brasilien sind nicht erst seit Covid-19 in großer Gefahr - auch die Zerstörung ihrer Gebiete schreitet nach Greenpeace Recherchen in letzter Zeit dramatisch voran. Die Entwaldung innerhalb indigener Gebiete in Amazonien stieg in den ersten vier Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des letzten Jahres um 59 Prozent an. Dies zeigt eine Analyse von Greenpeace Brasilien auf Basis der offiziellen Entwaldungsdaten der brasilianischen Weltraumbehörde.
Die Entwaldungswarnungen innerhalb des Landes der Indigenen erstreckten sich auf fast 1.320 Hektar zwischen Januar und April 2020 – dies entspricht mehr als 1.800 Fußballfeldern. Im gleichen Zeitraum im Jahr 2019 waren es 827 Hektar. Besonders betroffen: das Gebiet der Ituna-Itatá. Die indigene Gemeinschaft lebt in freiwilliger Isolation, viel ist nicht über sie bekannt. Im vergangenen Jahr wurden dort von der Gesamtfläche von 142.000 Hektar knapp 12.000 Hektar zerstört: dies entspricht etwa der doppelten Fläche des Nationalparks Kellerwald in Hessen. Greenpeace belegte die Zerstörung mit Karten und Überflügen.
Eine Regierung gegen Indigene
Dieser Fall symbolisiert, wie exponentiell zunehmend Wald Im Amazonasgebiet abgeholzt wird. Er spiegelt zudem den beunruhigenden Trend der Invasion von Schutzgebieten durch Landräuber wider. Allein im Gebiet der Ituna-Itatá gibt es bereits mehr als 200 Einträge ins ländliche Umweltregister (CAR). Diese machen 94 Prozent der Gesamtfläche des Gebiets aus. Das Gebiet wurde folglich von Landräubern besetzt, die sich als Eigentümer des Landes ausgeben. Nach Greenpeace-Recherchen verkaufen illegale Landnehmer sowohl Holz als auch Rindfleisch an Händler bzw. Schlachthäuser, wovon die Produkte auch auf den internationalen Markt gelangen.
Im März drängten indigene Gruppen die brasilianische Regierung, ihre Territorien besser zu schützen und Eindringlinge von ihrem Land zu entfernen. Sie forderten auch verbesserte Gesundheitsmaßnahmen, um zu helfen, die Ausbreitung von COVID-19 in den Dörfern zu verhindern.
Statt die Rechte und die Gesundheit der Indigenen zu schützen, gießt die brasilianische Regierung weiter Öl ins Feuer: erst kürzlich hat der Präsident der Indigenen-Behörde FUNAI (die eigentlich für den Schutz der Indigenen zuständig ist) über die Anordnung IN 09 verfügt. Diese öffnet indigene Gebiete, die den Prozess der Anerkennung (Demarkierung) noch nicht vollständig durchlaufen haben, für Landraub.
Gesetz soll Landraub legalisieren
Auch drängt Präsident Bolsonaro den brasilianischen Kongress, in den kommenden Tagen für ein Gesetz (MP 910) zu stimmen, das in vielen Fällen vor dem Jahr 2018 erfolgten Landraub legalisieren würde. Wird das Gesetz beschlossen, schafft es Anreize für Landräuber, sich weitere Territorien anzueignen und zu entwalden. MP 910 wurde bereits Ende letzten Jahres von Präsident Bolsonaro offiziell unterschrieben. Das Gesetz muss allerdings noch vor dem 19. Mai vom Kongress und dem Senat gebilligt werden. Wird nicht innerhalb der Frist darüber abgestimmt, ist die Maßnahme ungültig und kann von der Regierung erst nächstes Jahr wieder vorgelegt werden. Doch durch die Covid-19 Pandemie wurde der Zugang der Zivilgesellschaft im Kongress erschwert. Außerdem sind momentan alle Kommissionen und öffentliche Anhörungen für derartige Maßnahmen ausgesetzt.
"Bolsonaro drückt nicht nur ein Auge zu, wenn Landräuber, illegale Holzfäller und Minenarbeiter während der Pandemie weiterhin indigene Gebiete plündern. Er plant, ihre kriminellen Machenschaften noch zu erleichtern. Es ist komplett inakzeptabel, dass die brasilianische Regierung die Krisensituation ausnutzt und eine Verordnung durchpeitscht, die Kriminalität legalisiert. Der brasilianische Kongress darf dies nicht zulassen“, sagt Gesche Jürgens, Wald-Kampaignerin bei Greenpeace.
Die Corona-Krise breitet sich in Amazonien aus
Covid-19 breitet sich in den Hauptstädten der Amazonas-Region mit erschreckender Geschwindigkeit aus, die Gesundheitssysteme brechen zusammen und der bisherige Umgang der brasilianischen Regierung mit der Krise ist beunruhigend. Erst jüngst hat sich der Bürgermeister von Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaats Amazonas, zu Wort gemeldet und die Klimaaktivistin Greta Thunberg um Hilfe gebeten.
Die Situation in Amazonien bedroht insbesondere die Bevölkerung vor Ort, doch hat auch globale Konsequenzen. Denn die Abholzung zerstört nicht nur die Artenvielfalt und heizt die Klimakrise an, sie macht auch weitere Pandemien wie Covid-19 wahrscheinlicher. Denn der Erreger, der sich derzeit rund um den Globus ausbreitet, ist eine sogenannte Zoonose und wurde von Wildtieren auf Menschen übertragen. Weitere bekannte Zoonosen sind die Schweinegrippe, der Ebola- und der Zikavirus. Etwa 75 Prozent der neuen Infektionskrankheiten sind von Tieren zu Menschen übergesprungen. Der Grund liegt in der fortschreitende Naturzerstörung. Deshalb kommen wir Menschen öfter mit Wildtieren in Kontakt und die Erreger werden übertragen.
Was wir aus der Krise lernen (müssen)
Es gibt vieles das wir aus der aktuellen Covid-19-Pandemie lernen können - und auch lernen müssen. Die um den Erdball rasende Pandemie unterstreicht, wie verwundbar das globalisierte Handelssystem mit einer Kontinente überspannenden Nahrungsmittelproduktion ist. Gleichzeitig ist die industrielle Landwirtschaft und insbesondere die Produktion von Fleisch und Milchprodukten eine maßgebliche Ursache für die Zerstörung von Wäldern und anderen Naturräumen. Eine auf regionale Versorgung ausgerichtete Landwirtschaft ist dagegen weit besser geeignet, gesunde Lebensmittel mit weniger Risiken und umweltschonend zu erzeugen.
Das EU-Mercosur-Handelsabkommen fördert das Gegenteil einer regionalen, naturverträglichen Landwirtschaft. Mit dem Handelspakt sollen unter anderem Agrarprodukte aus Südamerika leichter auf den europäischen Markt gelangen. Im Gegenzug würden Zölle auf Autos, Maschinen und Chemikalien aus der EU gesenkt. Die Bundesregierung will das Abkommen schnellstmöglich ratifizieren. Dabei ist der Vertrag ein Desaster für Umwelt, Klimaschutz und Menschenrechte.
Mercosur stoppen
Durch das EU-Mercosur-Abkommen würde der Transport von Gütern und die damit verbundenen klimaschädlichen Emissionen drastisch steigen. Vielfach ist der Handel über Tausende Kilometer schlicht überflüssig, etwa bei Fleisch oder Zucker. Europa braucht diese Importe nicht. Die deutsche Landwirtschaft produziert so viel Fleisch, dass sie exportieren muss. Gleichzeitig beschleunigt das Abkommen die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes, den wir als Lebensraum und Schatzkammer der Artenvielfalt dringend brauchen.
Internationaler Handel muss Mensch und Natur in den Mittelpunkt stellen. Das EU-Mercosur-Abkommen feuert die fortschreitende Naturzerstörung weiter an. Das darf nicht passieren! Greenpeace setzt sich daher dafür ein, dass der Deal nicht ratifiziert wird. Bitte helfen Sie mit!
>>> Unterschreiben Sie unsere Forderung, das EU-Mercosur-Abkommen zu stoppen! Fordern sie einen fairen Handel, der Klima, Artenvielfalt und Menschenrechte schützt!