Nordische Wälder enden als Verpackungsmüll
Eine Greenpeace-Recherche.
Holz aus nordischen Wäldern landet als kurzlebige Einwegverpackung in den Supermarktregalen der EU. Aktivist:innen protestieren gegen das Verladen von Papierrollen im Hafen von Lübeck.
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Nebel liegt noch über der Lübecker Trave. Die Sicht ist nicht besonders gut in den frühen Morgenstunden am Terminal in Schlutup. Für 33 Aktive aus sieben Ländern ist das aber kein Problem. Pünktlich zum Sonnenaufgang setzen sich drei Schlauchboote in Bewegung. Ihr Ziel: der Frachter „Thuleland“ im Hafen von Lübeck. Das Schiff war in den letzten Tagen zwischen Skandinavien und Deutschland unterwegs, in wenigen Augenblicken soll es entladen werden. An Bord: unter anderem große Mengen Papierrollen.
Kahlschläge in finnischen Wäldern für Einwegverpackungen in Deutschland
„In den nördlichen europäischen Ländern werden riesige Waldflächen kahl geschlagen, insbesondere in Finnland”, erklärt Gesche Jürgens, Waldexpertin von Greenpeace Deutschland den Hintergrund des frühmorgendlichen Zusammentreffens. “Das Holz wird zu Papier und Zellstoff weiterverarbeitet und zum Beispiel hierher nach Lübeck verschifft. Am Ende entstehen daraus dann auch kurzlebige Wegwerf-Produkte wie Verpackungen.” Noch während die Kampaignerin ihre letzten Sätze ausformuliert, erreichen die Aktivist:innen die Kaikante. Nur wenige Meter trennen sie jetzt noch von der „Thuleland“, die auch für das finnische Forstunternehmen Metsä die überdimensional großen Papierrollen transportiert.
„Das Schiff und die Metsä Group stehen stellvertretend für die Ausbeutung der Natur und eine Politik, die immer noch wirtschaftliche Interessen über jene von Klima und Umwelt stellt", erklärt Matti Liimatainen von Greenpeace Finnland.
Greenpeace Protest in Lübeck
Greenpeace-Recherche zeigt: Auch Urwälder von Abholzung betroffen
Eine Analyse der Lieferketten des finnischen Forstunternehmens durch Greenpeace Finnland hat gezeigt, dass auch in finnischen Urwäldern eingeschlagen wird. Am Ende kann also auch Holz aus Urwäldern, deren Anteil an der Waldfläche in der EU inzwischen unter drei Prozent liegt, als Verpackungen in europäischen Supermarktregalen oder als Paket bei der Post landen. “Die Dokumentation unserer finnischen Kolleg:innen zeigt wieder einmal, dass es dringend bessere politische Rahmenbedingungen braucht, die verhindern, dass Produkte aus Kahlschlags-Forstwirtschaft auf dem EU-Binnenmarkt landen”, erklärt Jürgens.
Eine solche Rahmenbedingung sollte naturnahe Waldwirtschaft fördern und Kahlschläge verhindern. Letztere sind in Finnland, aber auch in vielen anderen Ländern, immer noch an der Tagesordnung. Und wenn es nach der finnischen Regierung geht, soll sich daran auch nichts ändern.
Greenpeace Finnland hat die Waldzerstörung dokumentiert
EU-Gesetz für weltweiten Waldschutz
Doch es könnte sich etwas ändern. Am 09. November verhandeln die EU-Mitgliedstaaten mit EU-Parlament und EU-Kommission erneut über den finalen Text eines Gesetzes, das Wälder weltweit besser schützen soll. Auf den EU-Binnenmarkt sollen nur noch Produkte gelangen, die nachweislich nicht zur Zerstörung oder Schädigung von Wäldern beigetragen haben. Und hinter der Schädigung von Wäldern verbirgt sich auch die Art und Weise, wie Wälder bewirtschaftet werden. Gegen ein ambitioniertes Gesetz sträubt sich insbesondere die finnische Regierung. “Weil die Holzlobby in Skandinavien so stark ist, müssen unsere zuständigen deutschen Minister:innen Lemke und Özdemir sich jetzt für eine ambitionierte Verordnung umso mehr ins Zeug legen ”, sagt Jürgens.
Um die Greenpeace-Forderung für ein lückenloses Gesetz zu weltweiten Waldschutz zu unterstreichen, weht nun auch ein Banner an der Thuleland. Mit schwarzer Schrift auf gelben Hintergrund steht geschrieben: “European Ministers, protect our forests”.
Kahlschläge in finnischen Wäldern treiben Erderwärmung an
Schweden und Finnland verfügen über die größten Waldflächen in der EU. Aber nur 8,8 Prozent der gesamten schwedischen Waldfläche sind formell geschützt. In Finnland stehen etwas mehr als 6 Prozent der Waldfläche unter strengem Schutz. Diese Blockade-Haltung hat letztendlich dazu geführt, dass inzwischen mehr Bäume gefällt werden als nachwachsen können. Und das hat verheerende Konsequenzen: Bis zum Jahr 2021 haben diese Wälder mehr CO2 aufgenommen als abgegeben. Doch wegen des massiven Holzeinschlags sind sie heute sogar eine Emissionsquelle. Und das könnte noch schlimmer werden, denn:
Die Metsä Group macht den größten Umsatz in Finnland und Deutschland und will weiter expandieren. Sie plant die Vergrößerung einer Zellstoff-Fabrik im nordfinnischen Kemi. Dies erhöht den Druck auf die verbliebenen Wälder des Landes noch weiter.
Waldzerstörung der EU
Derweil am Lübecker Hafenterminal: Die Aktiven stehen seit ein paar Stunden vor dem Schiffsdeck und protestieren. Man hört Wortfetzen auf Englisch, Deutsch, Finnisch, Tschechisch, Dänisch. “Waldschutz ist ein internationales Projekt, eine internationale Verantwortung, denn die EU ist nach China leider die größte Abnehmerin von Produkten, für die Wälder zerstört werden”, sagt Jürgens." Die Politik muss jetzt Verantwortung für unser Handeln übernehmen und für ein starkes Waldschutzgesetz stimmen. Als einzelne Personen können wir auch etwas tun und unseren eigenen Konsum überdenken: Zum Beispiel weniger online bestellen, um Kartons zu sparen oder unverpackt einkaufen. Denn diese Produkte waren einmal Wälder und landen häufig nach einmaligem Gebrauch einfach im Müll. Das ist Verschwendung auf Kosten des Klimas und der Umwelt.”