Das Recht auf Reparatur
Hier für mehr Ressourcenschutz unterschreiben!- Hintergrund
Das Prinzip “Reparieren” ist so alt wie der erste Faustkeil, der nachgeschliffen wurde. Doch je komplizierter und fehleranfälliger unsere Geräte werden, umso weniger selbstverständlich scheint ihre Reparatur.
Zum Teil ist das so gewollt und hat sogar einen eigenen Begriff: geplante Obsoleszenz. Das heißt, Produkte haben ab Werk eine bewusst geringe Lebenserwartung – damit sie durch neue Dinge ersetzt werden.
So landeten 2020 rund 140.000 Tonnen ausrangierter Elektrogeräte in der Verbrennung – Menschen werfen Technik weg, weil die Wiederherstellung zu teuer oder kompliziert ist, oder schlicht die Möglichkeit dazu fehlt. Bei Kleidung sieht es nicht besser aus, nur jede:r Siebte hat in der jüngeren Vergangenheit seine kaputten Sachen in die Schneiderei oder Schusterei gebracht, so eine Greenpeace-Umfrage. In einem Forderungspapier wenden sich heute Greenpeace, der BUND, Germanwatch, der Runde Tisch Reparatur und 20 weitere Organisationen an die Bundesregierung, damit das im Koalitionsvertrag angekündigte “Recht auf Reparatur” auch tatsächlich umgesetzt wird und seine Wirkung entfacht.
Forderungen an die Bundesregierung
In 13 Punkten erläutert das Bündnis, wo politischer Handlungsbedarf besteht. Dazu gehören unter anderem der Zugang zu angemessen bepreisten Ersatzteilen und reparaturfreundlich konzipierte Produktdesigns. Denn verklebte und festverbaute Teile stehen Reparaturen häufig im Weg. Hier müssen auf europäischer Ebene Produktanforderungen formuliert werden, etwa über die EU-Ökodesign-Richtlinie.
Es braucht außerdem finanzielle Anreize, die Reparaturen attraktiver für Benutzer:innen und Werkstätten machen - etwa durch eine gesenkte Mehrwertsteuer für diese Dienstleistungen oder Boni. (Wien hat das in einem erfolgreichen Pilotprojekt vorgemacht: Bis zu einer maximalen Fördersumme von 100 Euro übernimmt die Stadt unbürokratisch die Hälfte der Reparaturkosten. Auch die Stadt Tübingen hat ein solches Konzept umgesetzt.)
Eine weitere Idee ist ein Reparaturindex, wie ihn Frankreich bereits eingeführt hat. So ein Index soll ähnlich einer Ampel zeigen, ob und wie leicht ein Produkt zu reparieren ist – so können Kund:innen nachhaltigere Kaufentscheidungen treffen.
Reparieren statt wegwerfen
Reparaturen werden unnötig erschwert
Die Forderungen untermauert das Bündnis mit Beispielen aus der Praxis. So kritisieren die Umweltschützenden, dass etwa die Software von Android-Smartphones im Schnitt lediglich über zwei bis drei Jahre Sicherheitsupdates erhält – danach sind User:innen angehalten, das Endgerät auszutauschen. Ein Naturgesetz ist das nicht: Das Betriebssystem von Apple-iPhones ist im Schnitt fünf bis sechs Jahre mit Softwareupdates kompatibel.
Oft werden auch Reparaturen durch Dienstleister, die keinen Vertrag mit dem Hersteller haben (sogenannte Drittanbieter), unnötig erschwert. Ein recht prominentes Beispiel war in den vergangenen Jahren, dass mit dem Austausch einer iPhone-Displayscheibe – eine Allerweltsreparatur, die jeder Handyshop durchführen kann – die Garantie des Gerätes erlosch, was für Benutzer:innen mitunter teuer werden konnte. Diese Richtlinie hat der Konzern mittlerweile aufgegeben. Trotzdem ist der Austausch von Ersatzteilen weiterhin streng von Apple reguliert: Viele Gerätekomponenten sind mit Seriennummern gekennzeichnet und müssen von entsprechend autorisierten Vertragswerkstätten ausgetauscht werden, andernfalls funktionieren sie nicht. Auch das ist allerdings eine Entscheidung des Herstellers, keine Notwendigkeit.
Die Verfasser:innen des Forderungspapiers regen zudem an, neue Technologien zu nutzen und bewährte Infrastrukturen zu erhalten. So würde die Möglichkeit, mit 3D-Druckern passgenaue Ersatzteile auf Zuruf herzustellen, noch zu wenig genutzt; dazu müssen allerdings Hersteller ihre Materialdaten als Gemeinwissen zur Verfügung stellen. Außerdem müssen Werkstätten, die Reparaturen vornehmen, erhalten bleiben und nach Möglichkeit Nachwuchs ausbilden. Ein Bewusstsein soll her, dass Reparaturen eine Selbstverständlichkeit sind, nicht die Ausnahme – bei Verbraucher:innen, Herstellern und Dienstleistern.
Ressourcenschutz ist Klimaschutz
Dass Ressourcenschutz auch immer Klimaschutz ist, versteht sich von selbst: Das klimafreundlichste Produkt ist immer jenes, das es bereits gibt – und nicht treibhausgasintensiv hergestellt, transportiert und schlimmstenfalls gleich wieder entsorgt wird. Mit der Obhutspflicht sollte letzteres eigentlich vom Tisch sein: Warenhändler dürfen neuwertige Produkte nicht länger vernichten – auch wenn Greenpeace-Recherchen etwas anderes zeigen. Auch hier muss die Politik dringend handeln und die Obhutspflicht gegebenenfalls mit Strafen durchsetzen. (Sie können die Greenpeace-Forderung, die Zerstörung von Neuwaren strafrechtlich zu verfolgen, hier unterstützen.
„Artenschutz und der Weg aus der Klimakrise sind nur mit dem Ende der Wegwerfgesellschaft erreichbar”, sagt Viola Wohlgemuth, Kampaignerin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz bei Greenpeace. “Vom Party-Top bis zum Handy muss Reparatur schon beim Design gesetzlich verpflichtend mitgedacht werden.”
Klimafolgen unseres Konsums
Die CO2-Einsparungen, die durch Reparaturen möglich sind, machen einen gewaltigen Unterschied: Die Verlängerung der Lebensdauer von Smartphones, Notebooks, Waschmaschinen und Staubsauger in der EU um fünf Jahre würde bis 2030 jährlich fast 10 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen einsparen. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von 5 Millionen Autos über ein Jahr.
Leider werden die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens bislang stark unterschätzt. In einer aktuellen Studie der Organisation Circle Economy rechnen die Verfasser:innen vor, dass alleine seit dem Inkrafttreten des Pariser Klimavertrags mehr als eine halbe Billion Tonnen Rohmaterialien zu Produkten umgewandelt wurden. Das ist ein gewaltiger CO2-Fußabdruck. Die Wissenschaftler:innen schätzen schätzen, dass 70 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit mit der Herstellung und Nutzung von Produkten zusammenhängen. Doch das Augenmerk der Politik richtet sich vor allem auf fossile Brennstoffe. Konsum als Klimakiller muss dringend auf die Agenda.
Um die Kurve zu kriegen muss sich allerdings auch das Antlitz unserer Innenstädte verändern. „10 Prozent der Verkaufsflächen in Deutschland müssen bis 2030 für Alternativen zum Neukauf bereitgestellt werden”, fordert Wohlgemuth. Erst dann werden Reparatur, Mieten und Second-Hand-Angebote das Stadtbild einer klimagerechten Zukunft prägen und den Weg in eine Kreislaufwirtschaft aufzeigen. Wohlgemuth ist sich sicher: “Lineare Geschäftsmodelle sind nicht mehr zukunftstauglich!"
Forderungspapier: Recht auf Reparatur
Anzahl Seiten: 11
Dateigröße: 421.43 KB
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