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Über 50 Aktivisten protestieren auf dem Gelände des geplanten AKW Belene in Bulgarien, August 2005
Ratislav Prohazka / Greenpeace

Der ehemalige Ostblock setzt auf Atomkraft - ein Interview

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Greenpeace-Online: Während man in Westeuropa eher über den Ausstieg nachdenkt, plant und baut man in Osteuropa neue AKWs. Wie sieht es derzeit aus?

Jan Haverkamp: Wir reden hier nicht nur über ein paar Atomkraftwerksblöcke, sondern es geht um fast ein Dutzend. In der Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Slovenien und Kroatien, Rumänien sowie Bulgarien sind neue AKWs geplant oder bereits im Bau.

Greenpeace-Online: Bis wann sollen diese neuen Atomkraftwerke stehen?

Jan Haverkamp: Das bereits im Bau befindliche bulgarische AKW Belene soll bis 2012 fertiggestellt sein. Für die übrigen werden Termine zwischen 2018 bis 2022 angestrebt.

Greenpeace-Online: Gibt es neben den bekannten Gefahren der Atomkraft spezielle Gründe, die gegen den Bau der AKWs in Osteuropa sprechen?

Jan Haverkamp: Ja, so ist das AKW-Bauvorhaben in Belene völlig veraltet. Es ist ein Relikt kommunistischen Größenwahns. Die vorgeschlagene VVER 1000-Technik leidet an Sicherheitsmängeln und würde in Deutschland keine Betriebsbewilligung erhalten. Außerdem liegt Belene an einem seismisch auffälligen Platz, an dem in den 70er Jahren ein Erdbeben viele Menschenleben forderte.

Hinzu kommt, dass derzeit die Energieeffizienz in Bulgarien neun Mal schlechter ist als im Durchschnitt der 15 alten EU-Länder. Das ist der Spitzenplatz, aber in den anderen genannten Ländern sieht es nur unwesentlich besser aus.

Greenpeace-Online: Kannst du etwas zu den Kosten sagen?

Jan Haverkamp: Für die meisten neuen Reaktorblöcke liegen bislang erst die Absichtserklärungen in Energiewirtschaftsplänen vor. Aber da kommen Ausgaben im zweistelligen Euro-Milliardenbereich zusammen. Bei Belene kennen wir den Betrag: Rund drei Milliarden Euro soll das neue AKW kosten.

Greenpeace-Online: Wie haben die Regierungen der Öffentlichkeit die Notwendigkeit für die Neubauten verkauft?

Jan Haverkamp: Teilweise mit so plumpen Argumenten wie Ohne AKWs geht das Licht aus. Aber oftmals steht der Strom-Export-Gedanke dahinter. So könnte Bulgarien seinen Atomstrom an Griechenland verkaufen oder Tschechien nach Österreich und Deutschland liefern.

Greenpeace-Online: Neue AKWs werden auch neuen Atommüll produzieren. Wie sieht da die Lösung aus?

Jan Haverkamp: Das Problem wird verlagert. So hat Ungarn ein Abkommen mit Russland, das den Strahlungsmüll abnehmen will. Ein Endlager gibt es nirgends. Außerdem regt sich in der betroffenen Bevölkerung jedesmal sofort heftiger Widerstand, wenn Pläne für ein Lager an einem bestimmten Ort bekannt werden.

Greenpeace-Online: Welche Vorschläge macht Greenpeace, um auf Atomkraft in den Ländern Osteuropas zu verzichten?

Jan Haverkamp: Wichtig wäre es, endlich Pläne für die Steigerung der Energieeffizienz zu entwickeln. Auch die Investition der Milliarden Euro in Windenergie, Biomasse und Solarenergie - gegen die Bedrohung durch den globalen Klimawandel - ist eine Alternative.

Greenpeace-Online: In Bulgarien arbeitet die Greenpeace-Aktivistin Albena Simeonova gegen die Atomkraft. Was ist ihr widerfahren?

Jan Haverkamp: Seit Februar haben die persönlichen Drohungen gegen Albena massiv zugenommen. Wir hielten es deshalb für besser ihr einen persönlichen Schutz an die Seite zu stellen. Zudem versucht man ihren Betrieb - sie leitet einen Bio-Bauernhof mit rund 100 Mitarbeitern - kaputtzumachen.

Vor wenigen Tagen konnten ihre Beschützer sie nur im letzten Moment vor einem heran rasenden Auto retten. Und auf dem Weg zur Aktion in Belene bemerkte sie plötzlich, dass die Schrauben an einem Rad ihres Wagens fehlten und alle übrigen Radschrauben gelöst waren. Doch davon lässt sie sich nicht einschüchtern. Albena wird weiter gegen die Atomkraft in Bulgarien arbeiten.

Greenpeace-Online: Vielen Dank für das Gespräch.

Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/eu-verbot-fossile-energien

Offener Brief: Neue fossile Energieprojekte in Europa verbieten

Wir alle müssen jetzt den klimatischen und ökologischen Notstand als die existenzielle Krise behandeln, die er ist. Unser Leben hängt davon ab. Deshalb fordern wir die EU-Institutionen dazu auf: Stoppt neue Öl- und Gasprojekte!

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