Greenpeace-Aktivisten wegen Protestaktion in AKW Cattenom vor Gericht
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Update vom 28. Februar 2018
Für ihr Eindringen in das AKW Cattenom hat gestern ein Gericht in Thionville sechs der acht Greenpeace-Aktivisten zu je fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt; zwei Aktivisten sollen für je zwei Monate ins Gefängnis. Zudem bekam ein Greenpeace-Mitarbeiter wegen Komplizenschaft fünf Monate Haft auf Bewährung. Es ist das erste Mal in der Geschichte von Greenpeace Frankreich, dass Umweltschützer für eine friedliche Aktion zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden.
Laut Urteil soll Greenpeace Frankreich zudem eine Geldstrafe von 20.000 Euro zahlen und eine Entschädigungszahlung von 50.000 Euro an den französischen Energiekonzern EDF leisten. Der Betreiber des AKW Cattenom hatte 750.000 Euro Schadensersatz gefordert.
Jean-François Julliard, Geschäftsführer von Greenpeace Frankreich, kommentierte: „Diese harten Strafen sind für uns nicht hinnehmbar. Unsere Aktivisten und Greenpeace als Organisation sind keine Kriminellen – sondern diejenigen, die vor der Gefahr durch die französischen Atomkraftwerke warnen. Auf diese Gefahr werden wir so lange hinweisen, bis sie behoben ist. Und weder EDF noch das Gericht können uns zum Schweigen bringen.“
Greenpeace Frankreich hat angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.
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Acht Greenpeace- Aktivistinnen und Aktivisten stehen nächste Woche in der französischen Stadt Thionville an der Mosel vor Gericht: angeklagt des Eindringens in das Atomkraftwerk Cattenom und des Zündens von Leuchtraketen und Feuerwerkskörpern beim Abklingbecken. Ihnen könnten lange Haftstrafen drohen. Doch das eigentliche Problem sind nicht die friedlichen Greenpeace-Aktivisten – sondern die Abklingbecken. Laut einer Studie von Greenpeace sind sie ein riesiges Sicherheitsproblem, gefährdet durch mögliche Angriffe von außen. Bloß darüber will in Frankreich niemand reden. Gegen dieses Sicherheitsrisiko hatten die Aktivisten am 12. Oktober 2017 auf dem AKW-Gelände von Cattenom protestiert.
„Der französische Energiekonzern EDF zerrt lieber Whistleblower wie Greenpeace und dessen Aktivisten vor Gericht, anstatt sich um die gravierenden Sicherheitsrisiken seiner Kraftwerke zu kümmern“, kritisiert Yannick Rousselet, Experte für Atomkraft bei Greenpeace Frankreich. Bis heute gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Behörden oder der Betreiber die Sicherheitslücken beheben wollen, die Greenpeace im Oktober vergangenen Jahres in einer vertraulichen Studie aufgezeigt hat.
Wasserstoffexplosion im Abklingbecken
Die Abklingbecken in Frankereich sind somit eine verkannte Gefahr. Anders als in Deutschland liegen sie außerhalb des verstärkten Betonschutzmantels des Reaktorgebäudes. Nur dünne Betonwände beherbergen das Radioaktivste, was ein AKW zu bieten hat: die abgebrannten Brennelemente. Sie lagern in Wasser und brauchen permanente Kühlung. Wenn das Kühlwasser zum Beispiel durch ein Loch in der Gebäudewand ausläuft, könnte die Abwärme zu einer Explosion führen, welche hochradioaktive Substanzen wie Cäsium, Uran und Plutonium großflächig freisetzen würde.
In Fukushima wäre das fast passiert – und hätte dann auch Tokio mit radioaktiver Verstrahlung bedroht. Und noch eine Parallele gibt es zu Fukushima: Auch dort hatte ein Bericht schon Jahre vor dem Super-GAU davor gewarnt, dass die Schutzwand nicht standhält – im Fall von Fukushima einem Tsunami. Jahrelang wurde der Bericht ignoriert. Die Schutzwand wurde nicht verstärkt. Bis es am 11. März 2011 zu spät dafür war.
Gefahr vor externen Angriffen
Die Abklingbecken französischer AKW sind also besonders gefährdet durch etwaige Angriffe von außen. Eine Gefahr, die seit Jahren wächst und spätestens nach den Terroranschlägen von Berlin, Paris und Brüssel nicht mehr von der Hand zu weisen ist. Erst im Sommer 2017 warnte Interpol, dass die Gefahr von Anschlägen in Europa weiter zunehme – und das, obwohl sie ohnehin schon auf dem höchsten Stand seit Jahrzehnten liegt. „Eigentlich sollte EDF nächste Woche vor Gericht stehen und nicht Greenpeace“, erklärt Rousselet. „Denn der Konzern gefährdet mit seinem Nichtstun die Menschen in Frankreich und in ganz Europa.“.
Zum Prozessauftakt am 27. Februar ruft Greenpeace zu Kundgebungen in Thionville auf; das Gerichtsurteil gilt als Präzedenzfall. Im Mai folgt dann das Gerichtsverfahren gegen die Greenpeace-Aktivisten, die im November 2017 auf das Gelände des französischen AKW Cruas-Meysse vordrangen und dort ebenfalls Leuchtfackeln zündeten. Vor zwei Jahren hatte Frankreich die Strafen für unerlaubtes Eindringen in Atomanlagen drastisch verschärft. „Potenzielle Attentäter wird das nicht abhalten“, so Rousselet. „Diese Verschärfung ist eindeutig gegen Umweltschützer gerichtet, die auf das Problem aufmerksam machen wollen.“ Denn die französischen Behörden stecken beim Problem Anfälligkeit ihrer AKW durch Angriffe von außen straußengleich den Kopf in den Sand. Und klagen die Überbringer der Warnung an, statt für mehr Sicherheit zu sorgen.