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Online-Redaktion: Mit der Ankündigung, die sieben ältesten Reaktoren in Deutschland vorläufig vom Netz zu nehmen, setzt Frau Merkel zumindest für drei Monate eine alte Forderung von Greenpeace um. Geht Deutschland nun der Strom aus?
Robert Werner: Gewiss nicht. Diese Reaktoren könnten heute lediglich rund sieben Prozent des Strombedarfs in Deutschland decken. Ein solcher Anteil lässt sich problemlos mit anderen Kraftwerken kurzfristig ausgleichen. Dafür spricht auch die Erfahrung: Es gab in der Vergangenheit bereits Situationen, in denen in Deutschland sieben Reaktoren vom Netz waren und dennoch Strom nach Frankreich exportiert wurde. Die Situation ist also keineswegs dramatisch, wie das gerne seitens der Atomindustrie dargestellt wird.
Online-Redaktion: Aber mit erhöhten Strompreisen ist doch logischer Weise zu rechnen, wenn dem Markt auf einem Schlag große Mengen Kraftwerkskapazität entzogen werden?
Robert Werner: Das möchte man zunächst vermuten, aber die Realität ist eine völlig andere. Nach der Ankündigung von Frau Merkel, die sieben ältesten Atomkraftwerke sofort vom Netz zu nehmen, hat sich der Strompreis an der Strombörse lediglich um wenige Zehntel Cent nach oben bewegt. Eine solche Preisbewegung stellt selbst bei laufenden Atomkraftwerken keine Besonderheit dar. Das heißt ganz klar, die Stromhändler halten solche Kapazitätsschwankungen derzeit für völlig problemlos. Übrigens entspricht dieses Preisverhalten vielen wissenschaftlichen Prognosen, die vor der Laufzeitverlängerung zu dieser Frage angestellt wurden.
Online-Redaktion: Dennoch muss die Lücke durch Erneuerbare Energien ersetzt werden? Steigt durch diese Nachfrage der Preis für Ökostrom?
Robert Werner: Das Gegenteil ist zu erwarten. Durch den möglichst zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien sinken deren Produktionskosten mittel- bis langfristig. Zudem ist bei den Erneuerbaren Energien zu beachten, dass die variablen Kosten, also die Rohstoff- und Brennstoffkosten, nahezu null sind - mit Ausnahme von Biomasse. Dies ist ein ökonomisch großer Vorteil gegenüber fossilen- und atomaren Kraftwerken. Der Atomausstieg in Deutschland ist für alle Atomkraftwerke bis 2015 machbar. Wir müssen hierfür leistungsstarke, aber hoch flexible Gaskraftwerke bauen, die vor allem zusammen mit Windstrom die Versorgungssicherheit gewährleisten können.
Online-Redaktion: Warum ist für Verbraucherinnen und Verbraucher der Wechsel zu Ökostrom sinnvoll, wenn der Strom im Netz sowieso nicht nach seiner Herkunft unterscheidbar ist?
Robert Werner: Physikalisch gesehen ist der Strom in der Tat immer gleich. Die Art der Produktion ist entscheidend. Diese kann der Verbraucher dadurch beeinflussen, indem er entscheidet, in welchen Kraftwerken das Geld seiner Stromrechnung landet. Deshalb beschaffen wir unseren Strom ausschließlich aus Kraftwerken der Erneuerbaren Energien und bauen selbst Anlagen. Die Macht des Verbrauchers ist nicht zu unterschätzen. Bereits über zwei Millionen Haushalte und Gewerbebetriebe haben in Deutschland zu Ökostromtarifen gewechselt. Und viele nutzen sogar die Chance, selbst Eigentümer ihres Stromversorgers zu werden, was beispielsweise bei der Genossenschaft Greenpeace Energy möglich ist.
Online-Redaktion: Gibt es nach dem Unglück in Japan ein verstärktes Interesse nach Ökostrom?
Robert Werner: Wir registrieren eine überwältigende Resonanz unserer Kunden und bei vielen an Ökostrom interessierten Menschen. Seit dem Wochenende sind bei uns acht Mal so viele Anträge auf Stromwechsel eingangen, wie in der Zeit vor der Katastrophe. Viele Menschen wollen aber nicht nur Ökostrom, sondern auch mit uns in den Dialog gehen. Der Tenor dabei ist, jetzt erst recht für den Atomausstieg und Ökostrom werben. Dabei sind viele Verbraucher und Verbraucherinnen durchaus selbstkritisch. Sie werfen sich vor, dass erst ein Unglück wie in Japan passieren musste, bis sie ihren Hintern hochbekommen und gewechselt haben. Man sieht, dieses Unglück beeindruckt die Menschen tiefgreifend.