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Gegen weitere Braunkohletagebaue in Brandenburg protestieren Greenpeace-Aktivisten mit dem fünf Meter hohen luftgefüllten Schaufelrad eines Braunkohlebaggers vor der Parteizentrale der Partei Die Linken
Gordon Welters / Greenpeace

Greenpeace und die LINKE

Redaktion: In Brandenburg ist die Kabinettsentscheidung für den Braunkohlenplan Welzow Süd II gefallen. Vier Minister der linken Partei haben dem neuen Tagebau in Brandenburg zugestimmt. Was nun?

Karsten Smid: Die Debatte innerhalb der Linken über die Zukunft der Kohle hat gerade erst begonnen. Viele, wie die Ökologische Plattform oder Ortsverbände aus Brandenburg, sprechen sich gegen den Aufschluss neuer Tagebaue in Brandenburg aus. Bundestagsabgeordnete schreiben einen Brief an die Brandenburger Kollegen. Und auf der Bundesausschusssitzung der Linken ist ein Dringlichkeitsantrag mit dem Patt geendet.

Redaktion: Die Linken wollen ein Kohleausstiegsgesetz in den Bundestag einbringen. Raus aus der Kohle bis zum Jahr 2040. Ist das eine Lösung aus dem innerparteilichen Konflikt?

Karsten Smid: Nein. Ein Kohleausstiegsgesetz ist natürlich wichtig, auch Greenpeace fordert ein Kohleausstiegsgesetz. Aber die Entscheidung für das Abbaggern eines neuen Tagebaus steht dem diametral entgegen. Wer für einen Kohleausstieg ist, kann nicht für einen neuen Braunkohle- Tagebau stimmen. Das ist unglaubwürdig. Für den Tagebau Welzow Süd II sollen Menschen vertrieben und zwangsenteignet werden. Es ist Raubbau an der Natur. Und die Verbrennung von Braunkohle ist besonders klimaschädlich.

Redaktion: Ist für die Linken Ökologie und Klimaschutz nur ein Randthema?

Karsten Smid: Es ist nicht nur eine ökologische Frage. Wenn die gigantischen Bagger kommen, sich in die Landschaft fressen und Dörfer zerstören, dann geht es um die Profite von Konzernen. Ein Raubtierkapitalismus auf Kosten von Mensch und Natur. Das trifft ins Herz des linken Selbstverständnisses.

Redaktion: Und das alles für den schwedischen Staatskonzern Vattenfall. Es heißt, Vattenfall hat das Interesse an der Braunkohle verloren und will selbst möglichst schnell die Lausitz verlassen?

Karsten Smid: Ja, Vattenfall will raus aus der Lausitz. Die Unternehmensstrategie kann jeder in den Geschäftsberichten nachlesen. Vattenfall plant die Umwandlung seines Erzeugungsportfolios hin zu einer nachhaltigeren Energieerzeugung, da passt die Braunkohle nicht mehr dazu. Vattenfalls strategische Ziele sind zum einen Wachstum bei der regenerativen Energieerzeugung – insbesondere bei Windkraft. Zweitens will Vattenfall seine Position in Skandinavien stärken, im Umkehrschluss bedeutet das aber einen Rückzug aus der Lausitz. Ein drittes Ziel von Vattenfall ist die Reduzierung der klimaschädlichen CO2-Emissionen durch den ganzen oder teilweisen Verkauf von Kraftwerken. Damit sind die Braunkohlekraftwerke gemeint. Zudem hat der Energiekonzern angekündigt, 2.500 Arbeitsplätze bis Ende 2014 abzubauen, davon 1.500 in Deutschland.

Redaktion: Wie ist das Verhältnis der Brandenburger Linken zu dem Konzern Vattenfall?

Karsten Smid: In Brandenburg klüngelt die Linke mit dem Konzern Vattenfall. Der Wirtschaftsminister der Linken in Brandenburg, Ralf Christoffers, setzt sich immer wieder für den Konzern und für die Braunkohle ein. Sein Argument sind die Arbeitsplätze, aber er macht den Fehler dass er von der Vergangenheit auf die Zukunft schließt. Die Arbeitsplätze bei Vattenfall sind die unsichersten in der Region. Vattenfall hat sich Anfang Februar von seiner Kraftwerksplanungs-Abteilung mit über 500 Mitarbeitern verabschiedet und verkauft sie an den Private Equity Investor Palero capital GmbH. Anfang Mai  kündigt Vattenfall per Presseerklärung selbst den Rückzug von der CO2-Abscheidetechnologie CCS an.

Redaktion: Euch wird von den Linken vorgeworfen, die Vorsitzende Katja Kipping diffamiert zu haben?

Karsten Smid: Das ist Unsinn. Mit einem Spruch von Rosa Luxemburg auf einem Banner zu stehen sehe ich eher als eine Würdigung, nicht als eine Diffamierung. Katja Kipping hat auf unseren Überraschungsbesuch cool reagiert. Sie hat dafür gesorgt, dass wir nicht aus dem Innenhof der Parteizentrale geräumt wurden. Die Polizei war ja schon in Mannschaftsstärke aufgefahren. Durch ihr umsichtiges Verhalten hat sie Schaden von der Partei abgewendet. Eine Räumung der Greenpeace-Aktivisten hätte die Wogen viel höher schlagen lassen. Sie muss als Parteivorsitzende allerdings auch dafür sorgen, dass die klima- und energiepolitischen Grundsatzbeschlüsse in ihrer Partei ernsthaft verfolgt werden. Sonst macht sie sich lächerlich.

Redaktion: Die Linke hat Angst, bei den kommenden Landtagswahlen in Brandenburg Wählerstimmen zu verlieren. Ist Greenpeace daran schuld?

Karsten Smid: Greenpeace hat mit der Aktion die Widersprüche innerhalb der Partei Die Linke aufgedeckt. Wir haben den Finger in die Wunde gelegt. Das schmerzt, das kann ich verstehen. Aber die Widersprüche in der Partei waren auch vorher schon da. Wer diese Fragen verdrängt oder verschleppt, begibt sich immer tiefer in den Sumpf. Die Linke muss eine Antwort zu dem Neuaufschluss des Tagebaus Welzow Süd II finden – das ist ihr Problem. Steht sie auf Seiten des Vattenfall-Konzerns, der Profitinteressen vor Umweltschutz und Allgemeinwohl stellt oder steht sie auf der Seite des Protestes gegen neue Braunkohletagebaue. Diese Frage wird immer brisanter, je näher der Tag der Zwangsumsiedlung kommt, und die Situation wird immer widersinniger, je weiter die Energiewende voranschreitet. Diese Frage muss sich letztendlich aber die Kohle-SPD in Brandenburg ganz genauso stellen. Die SPD setzt sich als gesamte Partei für eine Weiterverwendung von Kohle ein. Auch dort waren wir ja schon mehrfach und haben gegen die Kohlepolitik protestiert.

Redaktion: Wie geht es weiter? Wird der Protest jetzt nachlassen?

Karsten Smid: Der Widerstand gegen neue Tagebaue wächst. Greenpeace hat gerade eine Informationstour zu den Folgen der Braunkohle-Verstromung gestartet. Im August findet ein Klimacamp in der Lausitz statt. Und ein breites Trägerbündnis plant am 23. August eine internationale Menschenkette auf deutscher und polnischer Seite der Lausitz.
 

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