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Windkraftanlage vor Steinkohlekraftwerk Mehrum Februar 2004
Paul Langrock / Zenit / Greenpeace

Stromkennzeichnung - Transparenz oder Verbrauchertäuschung?

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Greenpeace hat nach 100 Tagen überprüft, wie die zwei größten unabhängigen Ökostromanbieter sowie die 20 größten herkömmlichen Energieversorger die Stromkennzeichnung umsetzen und festgestellt, dass es vor allem hinsichtlich der Transparenz und der Vergleichbarkeit noch erheblichen Nachbesserungsbedarf gibt. Wenn das Gesetz - wie es der Grundgedanke der EU-Richtlinie war - der Verbraucherinformation dienen soll, dann muss es auch eine übersichtliche Information des Verbrauchers gewährleisten. Dies ist zurzeit nicht der Fall. Im Folgenden haben wir die Kritikpunkte an der Stromkennzeichnung dargestellt.

Kritikpunkt 1: Zugänglichkeit der Informationen

Da es keine Verpflichtung gibt, die Stromkennzeichnung im Internet, und damit in einem allgemein zugänglichen Medium darzustellen, ist ein Vergleich der Unternehmen nur schwer möglich. Die Kennzeichnung der Rechnung beizulegen, so wie es jetzt im Gesetz steht, schließt einen Vergleich zwischen den Anbietern von vornherein aus. Immerhin muss das Unternehmen in Werbematerial, das an Verbraucher gerichtet ist, die Kennzeichnung vornehmen. Im Sinne des Verbraucherschutzes reicht das aber nicht aus.

Kritikpunkt 2: Uneinheitliche Darstellung der Stromkennzeichnung

Die Stromkennzeichnung wird von fast jedem Stromkonzern unterschiedlich angewendet. Von kleinen, schwer leserlichen Fließtexten, bis zu sehr detaillierten Diagrammen gibt es die verschiedensten Umsetzungsformen. Um dieses Wirrwarr an Darstellungsformen vergleichen zu können, muss sich der Verbraucher sehr viel Zeit nehmen. Einheitlichkeit oder gar Übersichtlichkeit ist nicht gegeben.

Kritikpunkt 3: Aufschlüsselung des Energieträgermixes unzureichend

In einer Kennzeichnung sollte darauf geachtet werden, dass wesentliche Informationen enthalten sind. Aus Sicht von Greenpeace ist es unzureichend, dass die fossilen Energieträger Braunkohle, Steinkohle und Erdgas zu einer Kategorie fossile Energieträger zusammengefasst werden, da es hinsichtlich der Klimaschädlichkeit deutliche Unterschiede gibt. So werden zum Beispiel Braunkohle und Erdgas gleich bewertet, obwohl Erdgas im Vergleich zu Braunkohle bei der Verstromung weniger als die Hälfte der Kohlendioxid-Emissionen verursacht. Im Sinne der Transparenz sollten die fossilen Energieträger einzeln benannt werden.

Kritikpunkt 4: Vortäuschung einer umweltfreundlichen Unternehmenspolitik wird erleichtert

Jeder Stromversorger in Deutschland ist nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) verpflichtet, Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen. Das Gesetz stellt sicher, dass dieser Prozentsatz stetig steigt und dass Produzenten von Ökostrom ihr umwelt- und klimafreundliches Produkt ins Netz speisen können. Damit hat jedes Stromunternehmen in seinem Erzeugungsmix einen Anteil von erneuerbaren Energien. Dieser Strom wird unter der Rubrik Erneuerbare Energie geführt. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass das Unternehmen eine umweltfreundliche Firmenpolitik betreibt. Im Sinne des Verbraucherschutzes und der Transparenz sollte hier eine Unterscheidung von Eigenleistung und Verpflichtung nach EEG vorgenommen werden. Nur an dem Anteil Ökostrom, der über die Menge hinaus eingespeist wird, ist die umweltfreundliche Unternehmenspolitik zu erkennen.

Kritikpunkt 5: Es ist nicht klar, aus welchen Ländern der Strom kommt

Die Frage, woher der Strom kommt, bleibt nach derzeitiger Gesetzeslage unbeantwortet. Der Verbraucher sollte jedoch das Recht haben zu erfahren, aus welchem Land das Unternehmen seinen Strom bezieht. Wenn also neben Strom aus deutschen Atomkraftwerken auch tschechischer oder französischer Atomstrom verkauft wird, sollten alle Herkunftsländer des eingekauften Stroms angegeben werden müssen. Das gilt sowohl für Strom, der direkt vom Kraftwerk gekauft wurde, als auch für die über einen Zwischenhändler oder an der Börse bezogene Energie.

Kritikpunkt 6: Unternehmen können ihren Strom schönrechnen

Die derzeitige Fassung der Stromkennzeichnung erlaubt es Unternehmen, die ihren Strom aus dem nicht europäischen Ausland oder über die Börse beziehen oder dessen Quelle nicht eindeutig geklärt werden kann, den sogenannten UCTE-Mix zugrundezulegen. Dabei bleibt es den Unternehmen freigestellt, den UCTE-Mix Deutschland oder Europa zu wählen.

Die UCTE (Union for the Coordination of Transmission of Electricity) koordiniert, standardisiert und überwacht das europäische Stromübertragungsnetz in Europa. Unter anderem veröffentlicht die Vereinigung jährlich eine Statistik der durchschnittlichen europäischen Stromproduktion. Dabei differenziert der UCTE-Mix nur zwischen thermisch (fossile Energieträger), nuklear und Wasserkraft (als einzige regenerative Energiequelle).

In Deutschland beträgt die Wasserkraft anteilig vier Prozent - der europäische Anteil aber liegt bei 13 Prozent. Das heißt, wird der deutschen Stromrechnung die europäische Statistik zugrunde gelegt, so wird eine Einspeisung von Wasserkraft suggeriert, die nicht stattfindet. Der UCTE gehören vor allem die energieproduzierenden Konzerne an; in Deutschland sind dies unter anderem EnBW, E.ON und RWE.

Bei der Verwendung des europäischen Mixes kann sich aufgrund der Zusammensetzung ein deutsches Versorgungsunternehmen schönrechnen. Die Unternehmen sollten dem Verbraucher gegenüber ehrlich sein und den Strom so benennen, wie er ist: Strom unbekannter Herkunft.

Kritikpunkt 7: Die Umweltbelastung muss nicht ausreichend ausgewiesen werden

Jährlich fallen in Deutschland rund 400 Tonnen hochradioaktiven Atommülls aus den 17 verbliebenen Atomkraftwerken an. Bis zum heutigen Tag gibt es kein geeignetes Endlager, in dem dieser für Umwelt und Menschen gefährliche Müll sicher über Jahrtausende verwahrt werden kann. Auf der derzeitigen Stromkennzeichnung wird der Atommüll in Gramm pro Kilowattstunde angegeben. Das führt dazu, dass die Mengenangabe pro Einheit sehr klein erscheint. Dadurch kann der Verbraucher den Eindruck gewinnen, dass das Problem des Atommülls keine Bedeutung hat. Deswegen fordert Greenpeace, in Zukunft den gesamten Atommüll, der in einem Jahr in Deutschland anfällt, verpflichtend auf der Stromkennzeichnung anzugeben.

Was Greenpeace fordert

Eine standardisierte Darstellung der Informationen in der Stromkennzeichnung würde eine Vergleichbarkeit für den Verbraucher gewährleisten. Nur wenn auf den ersten Blick die wichtigsten Informationen erfasst und mit anderen Angeboten verglichen werden können, ergibt sich ein Nutzen für den Verbraucher. Ein Datendschungel ist nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv.

Die Bundesregierung muss über eine Rechtsverordnung wie sie im Energiewirtschaftsgesetz in §42 Absatz 7 vorgesehen ist, Vorgaben zur Darstellung und Information bezüglich der Stromkennzeichnung festlegen. Wesentliche Punkte dabei sind:

  1. Elektrizitätsversorgungsunternehmen müssen verpflichtet werden, die Stromkennzeichnung zusätzlich zu den genannten Medien im Internet abzubilden. Darüber hinaus sind die Unternehmen verpflichtet, auf Werbeträgern aller Art auf dieses Medium hinzuweisen.
  2. Die Bundesregierung muss die Art und Weise der Darstellung zur Vereinheitlichung in einem sogenannten Tortendiagramm festlegen. Dabei ist darauf zu achten, dass Art der Darstellung, Farbgebung und Mindestgröße für alle verbindlich sind.
  3. Die Unternehmen müssen bezüglich der Umweltauswirkungen verpflichtet werden, den jährlich anfallenden Atommüll aus den Atomkraftwerken in Deutschland anzugeben.
  4. Unternehmen müssen verpflichtet werden, die Herkunftsländer ihres Strombezuges auf der Stromkennzeichnung anzugeben.
  5. Sofern dem Strom unbekannter Herkunft eine Zusammensetzung nach dem UTCE-Mix zugeordnet wird, sollte ausschließlich die von der UCTE für die Produktion in Deutschland ermittelte und veröffentlichte Angabe verwendet werden.

(V.i.S.d.P. Jörg Feddern)

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