Abschlussbericht der Kohlekommission: Kunstperformance zur Übergabe an Angela Merkel
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Entsetzt schlägt das Mädchen die Hände vors Gesicht: All die Erwachsenen schlafen auf ihrer Kohle. Klammern sich an die Kohle. Vergöttern ihre Kohle. Dann reist sich das Kind aus seiner Lethargie, rüttelt an den Großen: „Wacht auf“, ruft es, „Kohle zerstört unseren Planeten, macht Schluss damit.“ Und tatsächlich erwachen die Erwachsenen, schütteln sich, streifen die Kohle ab und formen die schwarzen Brocken zu einer Losung: „Raus aus der Kohle“. So steht es auf dem Berliner Pflaster, direkt vor dem Kanzleramt.
Dort präsentieren die Vorsitzenden der Kohlekommission Bundeskanzlerin Angela Merkel heute Abend das Ergebnis ihrer siebenmonatigen Arbeit. Dieses Ergebnis, so mahnen das Mädchen und die gut 60 Erwachsenen mit ihrer Performance, muss nun schleunigst umgesetzt werden.
Regierung muss Kohleausstieg gesetzlich regeln
Die Kommission hat die Weichen für einen sofortigen und starken Einstieg in den Kohleausstieg gestellt. „Nach rund zehn Jahren des klimapolitischen Stillstands muss Kanzlerin Merkel jetzt dafür sorgen, dass dieser Ausstieg unverzüglich startet“, sagt Bastian Neuwirth, Greenpeace-Experte für Klima. „Die Bundesregierung muss jetzt schnell gesetzlich festlegen, welches Kohlekraftwerk wann innerhalb der kommenden drei Jahre abgeschaltet wird.“
Zudem muss die Bundesregierung schnell die Unsicherheiten aus dem Bericht nehmen. So gilt es, die Zukunft der von der Abbaggerung bedrohten Dörfer wie Proschim und Pödelwitz politisch auszuhandeln: Schließlich wird die Kohle unter diesen Ortschaften nicht mehr gebraucht. Den Erhalt des Hambacher Waldes erklärte die Kommission für „wünschenswert“ und einigte sich auch auf das dazu nötige Runterfahren von Braunkohlekraftwerken in der Region. Höchste Zeit also, dass die Bundesregierung mit RWE den Erhalt des Waldes verbindlich regelt, damit dort wieder Ruhe einkehren kann.
Abschalten von Braunkohlekraftwerken muss jetzt beginnen
Warum Greenpeace als Mitglied der Kohlekommission dem Abschlussbericht trotz gewisser Mängel und Unsicherheiten zugestimmt hat, erklärt Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser: „Es ist wichtig, dass Deutschland endlich aus seinem klimapolitischen Wachkoma erwacht und mit dem Abschalten von klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken anfängt.“ Vor allem für die erste Phase bis 2022 habe sich die Kommission auf einen ambitionierten Abschaltplan geeinigt, so Kaiser im Interview. Allerdings werde der Abschlussbericht für die Phase 2023 bis 2030 viel zu unkonkret; völlig inakzeptabel sei das Enddatum 2038. Weil damit das so dringende Klimaziel von 1,5 Grad nicht erreicht werden kann, haben Greenpeace und andere Umweltschutzverbände ein Sondervotum dagegen eingereicht.
Nun kommt es darauf an, wie die Bundesregierung den Abschlussbericht der Kohlekommission umsetzt, welche Zwischenziele und Fahrpläne sie mit den Energiekonzernen aushandelt, und wie sie die Abschaltung der Kohle und die Förderung der Erneuerbaren Energien in ein Klimaschutzgesetz gießt.
„Weder die vom Klimawandel betroffenen Menschen in anderen Regionen der Welt noch die künftigen Generationen haben Lobbyvertreter, die so stark für ihre Interessen kämpfen, wie es die Kohleindustrie tut“ so Neuwirth. Immerhin: Seit einigen Wochen gehen auch in Deutschland freitags immer mehr Schüler statt in den Unterreicht für Klimaschutz auf die Straße. „Dieser Druck aus der ´Zivilgesellschaft darf nicht aufhören, damit Deutschland beim Klimaschutz tatsächlich vorankommt“, sagt Neuwirth.