Greenpeace-Aktivisten protestieren gegen Drosselung der Windkraft
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„Die Bundesregierung behandelt den Ausbau der Erneuerbaren Energien wie eine giftige Chemikalie, die nur in begrenzten Dosen verträglich ist. Dieses Denken ist absurd.“ So kommentiert Niklas Schinerl, Greenpeace-Experte für Energie, die teilweise Einigung der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder über eine Reform des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG): Projekte für Erneuerbare sollen künftig ausgeschrieben und der Zubau neuer Anlagen auf 2800 Megawatt im Jahr begrenzt werden. Die alten Netze könnten nicht mehr mit dem Zubau Schritt halten, heißt es unter anderem zur Begründung der Drosselung. „Die alten Netze werden mit Atom- und Kohlestrom verstopft“, kritisiert dagegen Schinerl.
Studie zeigt: Strom aus alten Großkraftwerken verstopft die Netze
Deutschland befindet sich mitten in einer historischen Energiewende. Bis 2022 werden nach und nach die letzten acht Atomkraftwerke vom Netz gehen. Und das Pariser Klimaschutzabkommen erfordert, dass auch die klimaschädlichen Kohlekraftwerke Schritt für Schritt durch Ökostromanlagen ersetzt werden. Schon jetzt erzeugen die Erneuerbaren durchschnittlich 33 Prozent des Stroms, in Spitzenzeiten bis zu 80 Prozent.
Man sollte meinen, dies sei genau im Sinne des Erfinders: Ökostrom ersetzt zunehmend den schädlichen Kohle- und gefährlichen Atomstrom. Doch was gut klingt und die Energiewende voranbringt, nimmt die Bundesregierung nun zum Anlass, die Bremse zu ziehen: Sie will den Ausbau vor allem der Windkraft stutzen. Dass dieser Plan sich keinesfalls rechnet, zeigt eine Studie, die das Institut Energy Brainpool im Auftrag von Greenpeace erstellt hat.
Tatsächlich können die Netze nur eine bestimmte Menge Strom aufnehmen und transportieren. Ist ihre Kapazität ausgeschöpft, wird die Stromproduktion gedrosselt, das heißt: ein Teil der Anlagen hinuntergeregelt. Die Betreiber dieser Anlagen werden für die entgangenen Einnahmen weitgehend entschädigt. Im EEG ist konsequenterweise gesetzlich festgeschrieben, dass die Erneuerbaren-Anlagen Vorrang genießen vor den konventionellen Großkraftwerken.
Erst gefördert, dann weggeregelt
Allerdings trifft das Los der sogenannten Abregelung, also der Drosselung, überdurchschnittlich oft die Erneuerbaren Energien. Vor allem in Schleswig-Holstein. Dort addierten sich die zusätzlichen Netzkosten 2015 auf bis zu 160 Millionen Euro – ein Batzen, der über die Netzentgelte an die Stromkunden weitergereicht wird.
Die Marktspezialisten von Energy Brainpool untersuchten für Greenpeace das Einspeiseverhalten von Großkraftwerken am Beispiel des Steinkohlekraftwerks Moorburg in Hamburg und des Atomkraftwerks Brokdorf in Schleswig-Holstein. Ergebnis: Brokdorf und Moorburg drosselten ihre Produktion auch dann kaum, wenn viel Erneuerbare-Energien-Strom verfügbar war. Vor allem das AKW Brokdorf lief oft mit voller Leistung, obwohl eine Drosselung technisch möglich gewesen wäre. Die Analyse zeigt auch, dass Brokdorf und Moorburg tendenziell dann weniger Strom produzierten, wenn der Strompreis an der Börse unter Null lag. Stieg der Preis, speisten sie mehr ein.
Schädlich fürs Klima, teuer für die Stromkunden
Damit unterlaufen die großen konventionellen Kraftwerke die Energiewende und den Vorrang der Erneuerbaren. Das dürfe nicht auch noch durch eine Energiewende-Bremse belohnt werden, fordert Tobias Austrup, Energieexperte bei der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin: „Statt Windräder muss die Bundesregierung für die Energiewende mehr konventionelle Kraftwerke vom Netz nehmen und Platz schaffen für die Erneuerbaren.“