Weil Gas knapp wird sollen Braunkohlekraftwerke mehr laufen - echt jetzt?
- Im Gespräch
Zwingt die Gasknappheit uns, auch Braunkohlekraftwerke länger laufen zu lassen? “Quatsch!”, sagt Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace. Ein Interview zum Sinn und Unsinn der Energiedebatte.
Seit einigen Wochen drosselt Gasprom die Zuleitung von Gas nach Deutschland erheblich, auch andere europäische Länder sind betroffen. Längst hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (die Grünen) die zweite Gas-Warnstufe ausgerufen, heute nun gehen bereits abgeschalteten Steinkohlekraftwerke wieder ans Netz. Die Nerven liegen blank: Droht jetzt die große Energiekrise? Wie durch den und die nächsten Winter kommen? Um Gas zu sparen, sollen alte Kohlemeiler reaktiviert werden. Erlebt die Verstromung der Kohleenergie ein Comeback? Ein Interview über den Sinn und Unsinn der aktuellen energiepolitischen Debatte mit Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace. Aus aktuellem Anlass wird das Interview immer wieder ergänzt.
Karsten, was hältst du von der Initiative des Wirtschaftsministeriums, alte Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen zu lassen, um Gas einzusparen? Ist das sinnvoll?
Es ist bitter, aber vorübergehend unumgänglich, dass bereits stillgelegte Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen. Um sich aus der politisch verschuldeten Abhängigkeit von Putins Gaslieferungen zu befreien, müssen Steinkohlekraftwerke kurzzeitig in die Bresche springen. Bei einer drohenden Gasknappheit könnte eine mengenmäßig und zeitlich begrenzte Bereitstellung von zusätzlichen Kohlereserve-Kapazitäten über die Winterhalbjahre 2022/23 und 2023/24 helfen, um so den Verbrauch von Erdgas im Stromsektor einzusparen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Das führt aber zu höheren Treibhausgasemissionen? Ist das egal?
Nein, keineswegs. Klar ist, dass durch den Einsatz von Kohle anstelle von Gas zwangsläufig höhere CO2-Emissionen entstehen. Das Gesetz, dass die Bereithaltung von Kohlekraftwerks-Ersatzkapazitäten regelt, muss deshalb einen Passus enthalten, dass die CO2-Mehremissionen durch spätere Maßnahmen wieder eingespart werden. Es geht hier immerhin um bis zu 40 Mio. Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Zusätzlich!
Karsten, hat Greenpeace die Seiten gewechselt und ist vom Gegner der Kohle zum Befürworter geworden?
Um jedes Missverständnis auszuschließen: Greenpeace ist grundsätzlich gegen Kohle und fordert weiterhin einen schnellen Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2030. Wir sind nicht für die Entscheidung der Bundesregierung, alte Kohlekraftwerke wieder anzufahren, wir nehmen sie lediglich zur Kenntnis. Wir kritisieren die Bundesregierung dafür, dass sie den Ausbau der erneuerbaren Energien viel zu lange blockiert und uns damit die aktuellen Probleme auf dem Strommarkt eingebrockt hat. Angesichts galoppierender Energiepreise, die viele Menschen wirtschaftlich existenziell bedrohen, scheint die Regierung keine andere Wahl zu haben, als im kommenden Winter, also für einen begrenzten Zeitraum, Steinkohlekraftwerke wieder anzufahren.
In den Medien heißt es, Greenpeace „befürwortet“ den Betrieb von Kohlekraftwerken. Ist Greenpeace der Klimaschutz egal?
Das Gegenteil ist der Fall. Wir bedauern diese Situation zutiefst, die durch eine ehrgeizigere Politik der Energieeinsparung und der Entwicklung erneuerbarer Energien hätte vermieden werden können. Wir sollten uns nicht in eine Lage begeben, in der wir zwischen dem Planeten und dem Lebensunterhalt der Menschen wählen müssen. Deshalb ist uns eines sehr wichtig: Die zusätzlichen Emissionen, die jetzt kurzfristig entstehen, müssen durch einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und Effizienzmaßnahmen wieder eingespart werden!
Warum nicht Atomkraftwerke länger laufen lassen?
Ein längerer Betrieb von Atomreaktoren, die bereits heute ohne die notwendigen Sicherheitsüberprüfungen laufen, ist keine Antwort auf diese Krise. Erstens würde dies nur winzige Mengen an Gas einsparen und keine nennenswerten Auswirkungen auf die Gesamtsituation haben. Darüber hinaus ist die Verlängerung des Betriebs ohne die erforderlichen Sicherheitsinspektionen unverantwortlich, vor allem angesichts der derzeitigen angespannten geopolitischen Lage. Die Kernenergie ist eine Hochrisikotechnologie, wie wir durch die GAUs in Tschernobyl und Fukushima erleben mussten und gerade wieder in der Ukraine sehen. Die energiepolitische Geisterdebatte, die letzten Brennstäbe in den alternden Kernkraftwerken zu verbrennen, ist im Kontext der Energiekrise nicht zeitgemäß. Das Risiko steht in keinerlei Verhältnis zu den minimalen Strommengen. Kurz- und langfristige Lösungen sind ganz einfach: Energie sparen und erneuerbare Energien ausbauen.
Wirtschaftsminister Habeck plant auch, zusätzlich noch besonders klimaschädliche Braunkohlekraftwerke im Bedarfsfall weiter zu betreiben.
Habecks Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz schießt weit über das eigentliche Ziel hinaus. Klimakrise und Versorgungssicherheit dürfen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Nutzung der Braunkohlekraftwerke führt zu erheblichen CO2-Mehremissionen, obwohl sie nur einen marginalen Einfluss auf den Ersatz der Gaserzeugung in Deutschland hat.
Aber ist das nicht vorsichtshalber besser?
Die Kapazitäten der Steinkohlekraftwerke von bis zu 10 Gigawatt sind mehr als genug, um im Notfall einzuspringen. Es existiert auch ein funktionierender Weltmarkt, so dass wir nicht auf russische Steinkohlelieferungen angewiesen sind. Es darf jetzt nicht zu einem unnötigen Rollback der Braunkohle kommen. Das ist für die Versorgungssicherheit weder erforderlich noch mit den nationalen Klimazielen vereinbar. Eine zusätzliche Reservebereitschaft für Braunkohlekraftwerke wird für die nationale Energiesicherheit nicht gebraucht, heizt gesellschaftliche Konflikte neu an und ist klimapolitisch kontraproduktiv.
Was meinst du mit neuen gesellschaftlichen Konflikten?
Ganz konkret geht es um den Ort Lützerath im Rheinland am Tagebau Garzweiler. Die Grünen, die im Bund Verantwortung tragen und demnächst wahrscheinlich auch in NRW mit der CDU eine Koalition bilden, können kein Interesse daran haben, wieder einen gesellschaftlichen Großkonflikt vom Zaun zu brechen. Mit dem sinnlosen Plattmachen von Dörfern für die Braunkohle muss endlich Schluss sein. Die Braunkohle unter dem Ort Lützerath muss im Boden bleiben.
Was ist, wenn Putin uns den Gashahn zudreht? Brauchen wir nicht in dieser Notsituation jeden Energieträger, den wir aus der Reserve holen können?
Nein. Im Moment schreien alle Energielobbyisten auf und behaupten, ihr Energieträger sei die Lösung bei einer Gasmangellage. Das ist lautes Lobbygeschrei ohne Substanz. Jeder kommt mit der alten Idee von gestern daher. Weder Braunkohle noch Atom sind die neuen Partner der Energiewende. Diese Energieträger haben uns ja erst in die jetzt zum Problem werdende Abhängigkeit gebracht. Scheindebatten über Atomkraft als Problemlöser helfen kein Stück weiter. Die populistische Rechthaberei von Söder, der die bayerischen Atomkraftwerke länger laufen lassen will, ist da ja nur die Spitze des Eisberges. Söder ist ja einer der Herren, die uns erst durch seine jahrelange Blockade beim Ausbau der Windenergie in die prekäre Lage gebracht hat. Nicht einmal die Atomindustrie selbst denkt an eine Laufzeitverlängerung.
Gibt es denn Szenarien und Studien, die abschätzen was für ein Bedarf kurz- und mittelfristig notwendig ist?
Probleme könnten uns die beiden kommenden Winterhalbjahre bereiten. Es gibt aber keinen energiewirtschaftlichen Zweifel daran, dass Deutschland bei voller Versorgungssicherheit und trotz einer Abkehr von russischen Energieimporten bis zum Jahr 2030 komplett aus der Kohleverstromung aussteigen kann. Dies belegen unter anderem die aktuellen Szenariorechnungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). In einem klimaverträglichen Ausstiegspfad, der Braunkohle-Kraftwerke frühzeitiger als bislang geplant vom Netz nimmt, ließe sich der CO2-Ausstoß - so wie es angesichts der Klimaziele geboten wäre- zudem noch deutlicher senken. Auch die aktuelle Energy Brainpool Studie „Energiewende & Energieunabhängigkeit“ vom Mai 2022 im Auftrag von Green Planet Energy zeigt an Hand einer konkreten Abschaltreihenfolge, bei der zuerst ineffiziente, schmutzige Braunkohlekraftwerke stillgelegt werden, wie Klimaschutz und Versorgungssicherheit gemeinsam gedacht werden können.
Was also ist jetzt zu tun?
Wir müssen als erstes auf Energiesparmaßnahmen setzen. Jeder einzelne im kleinen und natürlich noch mehr die Industrie im Großen. Es gibt gewaltige Einsparpotentiale, die müssen wir jetzt an den Start bringen. Dazu kommt ein radikaler Ausbau der erneuerbaren Energien. Ein wirklich ambitioniertes Ausbauprogramm für Sonnen- und Windenergie im großen Maßstab ist unser Ass auf der Hand. Das müssen wir nur ausspielen. Insbesondere im Wärmebereich muss zudem der Einbau von Wärmepumpen massiv gefördert werden.
Dann ließe sich am Ende auch noch etwas Positives bewirken?
Ja. Deutschland kann mit einem Turbo bei Erneuerbaren Energien schnell unabhängig von russischen Energieimporten werden, seine Versorgungssicherheit gewährleisten und einen mit dem Pariser Klimaabkommen und dem 1,5 C-Limit kompatiblen Pfad für die Energieversorgung einschlagen. Auch in dieser Krise liegt eine Chance: Sie könnte, wenn wir sie nutzen, zur Beschleunigung beim Bekämpfen der Klimakrise werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Kurz und knapp: Was tun bei der aktuellen Gas-Krise
Was hält Greenpeace von dem Vorstoß, wegen der Gas-Krise Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen?
Bei Gasknappheit könnte eine mengenmäßig und zeitlich begrenzte Bereitstellung zusätzlicher Steinkohlereserve-Kapazitäten über die Winterhalbjahre 2022/23 und 2023/24 (also für 2 Jahre) helfen, um den Verbrauch von Erdgas im Stromsektor einzusparen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Ein Bereithalten von Braunkohlekraftwerken zur Abwendung der Gasknappheit lehnt Greenpeace aber ab. Die Nutzung der Braunkohlekraftwerke würde zu erheblichen CO2-Mehremissionen führen, obwohl sie nur einen marginalen Einfluss auf den Ersatz der Gaserzeugung in Deutschland hätte.
Um auszugleichen, dass bei der Kohleverstromung mehr CO2 ausgestoßen wird als bei der Gasverstromung muss das neue Gesetz einen entsprechenden Einsparpassus enthalten.
Wie kann man verhindern, dass die Gas-Krise die Klimaziele torpediert?
Wird mehr Kohle verstromt, um Gas zu sparen, wird zwangsläufig mehr Kohlendioxid erzeugt. Deshalb muss das Gesetz, dass die Bereithaltung von Kohlekraftwerks-Ersatzkapazitäten regelt, einen Passus enthalten, dass die CO2-Mehremissionen durch spätere Maßnahmen wieder eingespart werde. Dies kann durch einen schnelleren Kohleausstieg geleistet werden.
Kommt für Greenpeace auch das Bereithalten von Braunkohlekraftwerken zur Abwendung der Gasknappheit in Frage?
Nein. Klimakrise und Versorgungssicherheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Nutzung der Braunkohlekraftwerke würde zu erheblichen CO2-Mehremissionen führen, obwohl sie nur einen marginalen Einfluss auf den Ersatz der Gaserzeugung in Deutschland hätte. Eine zusätzliche Reservebereitschaft für Braunkohlekraftwerke wird für die nationale Energiesicherheit nicht gebraucht, heizt gesellschaftliche Konflikte neu an und ist klimapolitisch kontraproduktiv.
Was also tun, wenn Putin das Gas zudreht?
Probleme könnten uns die beiden kommenden Winterhalbjahre bereiten. Das Gebot der Stunde ist nun, zügig Energie zu sparen. Die Bundesregierung muss jetzt mit starken Maßnahmen Privathaushalte und die Industrie in allen Branchen dazu bringen, weniger Gas zu verbrauchen. Außerdem muss der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden, denn nichts macht uns unabhängiger vom Import fossiler Brennstoffe als das.
Wie ist die aktuelle Situation bei der Gasversorgung?
Die aktuelle Situation bei der Gasversorgung ist sehr angespannt. Russland hat in den vergangenen Wochen die Gaslieferungen nach Bulgarien, Polen, Finnland, Dänemark, Frankreich und die Niederlande vollständig eingestellt. Seit Mitte Juni hat Russland auch die Gaslieferungen nach Deutschland um 60 Prozent reduziert.
Trotz der reduzierten Gasexporte aus Russland ist die Gasversorgung derzeit noch gesichert. Die russischen Lieferungen werden derzeit vor allem durch vermehrte Importe aus anderen Ländern (Norwegen, Niederlande sowie LNG über Belgien und Niederlande) ausgeglichen. Der Gasverbrauch ist im Sommer jahreszeitlich bedingt viel geringer als im Winter und auch die hohen Preise reduzieren den Verbrauch. Doch im Winter, wenn der Heizbedarf steigt, wird es absehbar zu Engpässen kommen
Wie viel Gas befindet sich in den Gasspeichern?
Um die Gasversorgung im kommenden Winter notfalls auch ohne russisches Gas zu gewährleisten, müssen die Gasspeicher bis zum Herbst gefüllt werden. Die Bundesregierung hat per Gesetz festgelegt, dass die deutschen Gasspeicher bis Oktober zu 80 Prozent und bis November zu 90 Prozent gefüllt sein müssen. Ende Juni waren die Speicher zu rund 60 Prozent gefüllt. Derzeit werden die Gasspeicher weiterhin für den kommenden Winter aufgefüllt, der tägliche Anstieg der Speichermengen ist aber wahrscheinlich nicht ausreichend, um die gesetzlichen Füllstände vor Beginn des Winters zu erreichen.
Was passiert, wenn Russland die Gaslieferungen ganz einstellt?
Bei einem russischen Lieferstopp wäre die Gasversorgung zunächst weiterhin gesichert. Die Gasimporte aus anderen Ländern und das eingespeicherte Gas sind ausreichend, um den Bedarf im Sommer und Herbst zu decken. Allerdings würde es bei einem Lieferstopp sehr viel schwieriger, die Gasspeicher bis zum Herbst ausreichend zu füllen. Im Winter, wenn der Gasverbrauch durch Heizungen stark ansteigt, könnte es zu Versorgungsproblemen kommen. Wie schwer diese Versorgungsprobleme werden, hängt von den Temperaturen im Winter, den bis dahin realisierten Energieeinsparungen und der Verfügbarkeit zusätzlicher Gasimporte ab.
Welche Regelungen sieht der Notfallplan Gas der Bundesregierung für eine Gas-Mangellage vor?
Der Notfallplan Gas der Bundesregierung sieht drei Stufen zur Reaktion auf Versorgungsprobleme vor: die Vorsorgestufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe.
Die Vorsorgestufe hat das Wirtschaftsministerium am 30. März ausgerufen. In dieser Stufe ging es vor allem um ein verbessertes Monitoring der Versorgungssituation, z.B. durch tägliche Lageberichte der Bundesnetzagentur.
Die Alarmstufe hat das Wirtschaftsministerium am 23. Juni als Reaktion auf die gedrosselten russischen Gaslieferungen ausgerufen. Die Alarmstufe ist Voraussetzung für die von der Bundesregierung geplante Reduktion der Gasverstromung durch eine Strafabgabe für Gaskraftwerke. Außerdem kann in der Alarmstufe eine Regelung angewendet werden, die Gasversorgern kurzfristige Preiserhöhungen ermöglicht, um die stark gestiegenen Großhandelspreise an die Kunden weiterzugeben. Diese Regelung wird derzeit von der Bundesregierung aber noch nicht angewendet.
Bei einer weiteren Verschärfung der Situation kann die Bundesregierung auch noch die Notfallstufe ausrufen. Diese Stufe erlaubt der Bundesnetzagentur, bestimmte Gasverbraucher vom Gasnetz abzukoppeln, um die allgemeine Gasversorgung zu sichern. Das würde vor allem Industrie- und Gewerbebetriebe betreffen. Private Haushalte, die Fernwärmeversorgung und grundlegende soziale Dienste wie z.B. Krankenhäuser sind vom Gesetz besonders geschützt.
Welche Auswirkungen auf die Gaspreise sind zu erwarten?
Die Gaspreise für Haushalte, Gewerbe und Industrie werden voraussichtlich sehr stark steigen. Im Großhandel haben sich die Gaspreise im vergangenen Jahr bereits vervielfacht, von ca. 20-30 auf aktuell ca. 120 Euro pro Megawattstunde. Bei einer vollständigen Einstellung der russischen Gasimporte ist mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen.
Die gestiegenen Großhandelspreise können von den Energieversorgern bisher aber nur teilweise und mit einer zeitlichen Verzögerung an die Endkunden weitergereicht werden. Im Rahmen der Alarmstufe im Notfallplan kann die Bundesregierung allerdings auch eine Regelung beschließen, die den Energieversorgern eine kurzfristige Weitergabe der gestiegenen Gaspreise ermöglicht. In diesem Fall würden die Gaspreise für Haushalte, Gewerbe und Industrie sehr schnell sehr stark steigen. Die Bundesnetzagentur hat davon gesprochen, dass je nach Versorgungslage eine Verdreifachung der Gaspreise nicht ausgeschlossen werden kann.
Brauchen wir LNG-Terminals?
Die Bundesregierung plant zum Ersatz von russischem Gas den Bau von bis zu 12 LNG-Terminals, die den Import von LNG-Flüssiggas mit Tankschiffen ermöglichen würden. Um Bau und Genehmigung zu beschleunigen, hat sie diese Projekte mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz zum überragenden öffentlichen Interesse erklärt und für schwimmende Terminals Ausnahmen bei der UVP-Prüfung erlaubt. Vier schwimmende Terminals sollen bereits Ende 2022 bzw. Anfang 2023 betriebsbereit sein. Die geplanten stationären Terminals erfordern hingegen mindestens zwei bis drei Jahre Bauzeit.
LNG ist wegen des enormen Energieaufwands zur Gasverflüssigung und wegen Methanemissionen in der Vorkette klimaschädlicher als Pipelinegas. Der Ersatz von russischem Gas durch LNG-Importe darf daher nur eine vorübergehende Notlösung sein. Der Bau von LNG-Terminals muss daher auf das zur Abwendung einer Versorgungskrise nötige Minimum beschränkt werden. Das heißt, dass maximal die vier bereits angemieteten schwimmenden Terminals für einen Zeitraum von wenigen Jahren genutzt werden dürfen.
Hingegen würde der Bau stationärer LNG-Terminals keinen Beitrag zu den aktuellen, kurzfristigen Versorgungsproblemen leisten, aber einen fossilen Lock-In, d.h. eine langfristig Weichenstellung zum Import von LNG darstellen. Anstatt stationärer LNG-Terminals sollten besser Terminals, die von vornherein zum Import von grünem Wasserstoff konzipiert sind, errichtet werden.
Können länger laufende Atomkraftwerke bei der Gasversorgung helfen?
Nein. Ein Laufzeitverlängerung der verbleibenden drei Atomkraftwerke ist technisch nicht mehr umsetzbar, würde den Gasbedarf nur geringfügig senken und erhebliche Risiken mit sich bringen. Die Atomkraftwerke sind auf eine Abschaltung Ende 2022 ausgelegt, für eine längere Laufzeit würden Brennstäbe und Personal fehlen. Sie würde auch nur geringe Gaseinsparungen bringen, weil die Gaskraftwerke nur ca. 11 Prozent des Gasverbrauchs ausmachen. Das meiste Gas wird in Heizungen und für industrielle Prozesswärme verbrannt, beides können Atomkraftwerke nicht ersetzen. Ein Teil der Gaskraftwerke produziert auch noch Fernwärme, auch das können Atomkraftwerke nicht übernehmen.
Wie steht Greenpeace zur Forderung der FDP, das Fracking-Verbot aufzuheben?
Das Fracking-Verbot muss unbedingt bestehen bleiben. Mit der Fracking-Technologie werden große Mengen Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst, um Schiefergestein aufzubrechen und darin fest eingeschlossenes Gas zu fördern. Schiefergas-Fracking kann wegen der verwendeten giftigen Chemikalien zur Grundwasserverschmutzung führen. Außerdem entstehen bei der Frackinggasförderung große Mengen klimaschädliches Methan. Schiefergas-Fracking wurde daher vor einigen Jahren von der großen Koalition verboten.
Das Frackingverbot aufzuheben, würde keinen Beitrag gegen die aktuelle Versorgungskrise mit Gas leisten. Denn es würde mehrere Jahre dauern, bis das erste Gas gefördert werden könnte.