LNG: Wie Deutschland in neue fossile Abhängigkeiten gerät
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Beim weltweiten Run auf fossiles Flüssiggas (LNG) ist die deutsche Bundesregierung mit dabei. Mit dieser Politik treibt sie Deutschland in neue fossile Abhängigkeiten.
Deutschland will eigentlich bis 2045 klimaneutral sein, doch die aktuelle Gaspolitik der Bundesregierung entspricht dem nicht. Die Irrwege dieser Politik zeigt der Greenpeace-Report “Der Gaskanzler – wie Olaf Scholz Deutschland in neue fossile Abhängigkeiten treibt” auf. Seit infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine kein russisches Pipelinegas mehr nach Deutschland fließt, setzt der Bundeskanzler alles daran, neue Quellen für den fossilen Brennstoff zu finden. Zukunftsweisend wäre es, sich stärker dafür einzusetzen, dass die deutsche Wirtschaft energieeffizienter wird, insgesamt weniger Energie verbraucht und schnell auf klimafreundliche erneuerbare Energien umstellt.
Doch stattdessen forciert der Kanzler den massiven Ausbau von Flüssiggas(LNG)-Infrastruktur entlang der deutschen Küste und geht weltweit auf Gas-Shoppingtour. Und obwohl sich Deutschland mit der Unterzeichnung der Glasgow Declaration 2021 dazu verpflichtet hat, ab 2023 keine neuen fossilen Projekte mehr zu fördern, will Olaf Scholz die Erschließung neuer Gasfelder vor der Küste Senegals mitfinanzieren.
Bei dieser Politik scheinen Umweltschäden – etwa durch Fracking in den USA – oder Menschenrechtsverletzungen in Diktaturen keine größere Rolle zu spielen. Höchstpersönlich reiste Scholz etwa nach Katar, um einen Deal über Erdgaslieferungen an das brandneue LNG-Terminal in Brunsbüttel einzufädeln. Auch den Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Alijew, empfing er im Kanzleramt, um erfolgreich über die Steigerung von Exportmengen zu verhandeln. Und das, obwohl der Autokrat zeitgleich die Menschen in der Region Bergkarabach von der Versorgung mit Lebensmitteln abschnitt und damit eine humanitäre Krise auslöste.
Politisch unproblematische Handelspartner scheinen hingegen auf den ersten Blick die deutschen Nachbarn Belgien und die Niederlande zu sein. Doch beide Länder beziehen – neben Fracking-Gas aus den USA – noch immer LNG aus Russland, welches dann über das europäische Pipeline-Netz auch nach Deutschland gelangt.
Zuhause ist die Kontaktpflege in die schöne neue LNG-Welt ebenfalls Chefsache. Mit den beiden Gründern der Deutsche ReGas GmbH & Co., die das LNG-Terminal in Lubmin betreiben und seit Anfang 2024 auch die höchst umstrittene geplante Anlage auf Rügen, traf Scholz sich mehrfach. Mindestens einer der Termine taucht in seinem offiziellen Kalender nicht auf.
Der Gaskanzler Report
Anzahl Seiten: 21
Dateigröße: 2.62 MB
HerunterladenImport von Gas kurbelt die Produktion an
Langfristige Lieferverträge mit Export-Partnern zementieren nicht nur die Abhängigkeit Deutschlands von schmutzigem Erdgas über einen viel zu langen Zeitraum. Sie kurbeln auch international die Gasproduktion an, weil sie langfristige Nachfrage signalisieren. Das bescheinigt auch ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP): Die für 2030 geplanten Förderungen fossiler Energien übersteigen demnach die mit den Pariser Klimazielen zu vereinbarenden Mengen um mehr als das Doppelte – die 1,5-Grad-Grenze kann so auf keinen Fall eingehalten werden. Anstatt, wie dringend nötig, die Förderung von Kohle, Öl und Gas ab sofort drastisch zu reduzieren, wird der Abbau von Kohle demnach noch bis 2030 steigen, die Förderung von Öl und Gas sogar bis ins Jahr 2050. So rücken sämtliche nationale, europäische und globale Klimaziele in weite Ferne und der Planet heizt sich ungebremst weiter auf.
Den Boom der Gas-Infrastrukrur in Deutschland wie in ganz Europa begründen die Regierungen mit der viel beschworenen “Energiesicherheit”. Mehrere Studien kommen jedoch zu dem Schluss, dass europaweit massive Überkapazitäten für LNG-Importe geschaffen werden. So berechnet beispielsweise das Institute for Energy Economics and Financial Analysis, dass die derzeitigen Ausbaupläne für Europa bis 2030 LNG-Importkapazitäten ermöglichen, die mehr als doppelt so hoch liegen als der bis dahin prognostizierte Bedarf. Laut ihrer Analyse wird die jetzt entstehende Infrastruktur im Jahr 2030 nur zu etwa einem Viertel ausgelastet sein und demnach ein Großteil als “stranded assets” (verlorene Vermögenswerte) ungenutzt bleiben. Höhere Auslastungen wiederum wären fürs Klima katastrophal.
Trotz des Widerspruchs zu den Klimazielen und des Risikos, bei unausgelasteten Import-Terminals auf milliardenschweren Investitionsruinen sitzen zu bleiben, ist weder in Deutschland noch auf europäischer Ebene ein Umdenken in Sicht – im Gegenteil. Obwohl die drei schwimmenden LNG-Terminals in Deutschland bei weitem nicht ausgelastet sind und auch im dritten Winter nach Kriegsbeginn keine Gasmangellage zu erwarten ist, soll am Bau von drei festen Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade festgehalten werden.
Neue LNG-Deals mit USA zulasten von Klima und Umwelt
Etwa 85 Prozent der deutschen LNG-Importe kommen aus den USA, wo das fossile Gas größtenteils mit der extrem umwelt- und gesundheitsschädlichen Fracking-Methode ausgebeutet wird. Gerade wegen der verheerenden Folgen für Menschen und Umwelt ist Fracking in Deutschland und den meisten Ländern der EU zu recht verboten.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden hatte 2023 einen Stopp weiterer Projekte zum Export von LNG veranlasst und umfangreiche Umwelt- und Klimaschutzprüfungen angeordnet. Der neu gewählte künftige Präsident Donald Trump hat allerdings angekündigt, dieses Moratorium am ersten Tag nach seiner Amtseinführung aufzuheben. Ohnehin will er getreu seines Mottos “Drill, baby, drill!” die Förderung von klimaschädlichen fossilen Energiequellen massiv vorantreiben.
Angesichts dieses fossilen Hardliners, der nun wieder in weiße Haus einzieht, sollte Europa klare Kante in Sachen Klimaschutz zeigen und die Nachfrage nach US-Frackinggas zurückfahren. Doch das Gegenteil ist der Fall: Um einem Handelskonflikt um Importzölle auf europäische Waren vorzubeugen, hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits wenige Tage nach der US-Präsidentschaftswahl einen Deal mit Trump zum Ausbau der US-amerikanischen LNG-Exporte vorgeschlagen.
“Statt das dreckige Spiel des Klimaleugners Trump mitzuspielen, sollte die EU Führungsstärke beweisen und fossile Abhängigkeiten endlich beenden”, sagt Mira Jäger, Energieexpertin von Greenpeace. “Saubere, sichere und zukunftsfähige Energieversorgung für alle gibt es nur, wenn jetzt alle Kraft und Investitionen in den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren fließen.”