Jetzt spenden
Sara Westerhaus interviewt Gerald Neubauer zu Braunkohle, Januar 2014
Greenpeace

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Im Jahr 1990, als noch viele alte DDR-Meiler liefen, erzeugten Deutschlands Braunkohlekraftwerke knapp 171 Milliarden Kilowattstunden Strom. Mittlerweile sollte diese Zahl dank der Energiewende eigentlich gesunken sein. Doch das Gegenteil ist der Fall - mit 162 Milliarden Kilowattstunden erreichte die Stromproduktion aus Braunkohle 2013 den bisher höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Gerald Neubauer, Klimaexperte bei Greenpeace, über diesen Boom und die Folgen für den Klimaschutz:

Redaktion: Wie konnte es dazu kommen, dass die Braunkohle trotz Energiewende boomt?

Gerald Neubauer: Die Braunkohle ist der schmutzigste aller fossilen Energieträger – Braunkohlekraftwerke heizen den Klimawandel an und schädigen unsere Gesundheit durch Feinstaub, Schwefeldioxid und Schwermetallemissionen. Trotzdem ist die Braunkohle im jetzigen Energiemarkt konkurrenzlos billig. Der gegenwärtige Braunkohleboom liegt vor allem am Einbruch der CO2-Preise, die bei unter fünf Euro pro Tonne dümpeln. Die Regierungen Europas haben es versäumt, den Emissionshandel zu reformieren und davon profitieren nun vor allem die Betreiber von Kohlekraftwerken. Außerdem werden viele externe Kosten der Braunkohle, wie z.B. Gesundheitsschäden durch Schadstoffemissionen, bei der Preisfindung am Energiemarkt nicht berücksichtigt.

Redaktion: Wie wirkt sich der Kohleboom auf Deutschlands Klimaziele aus?

Gerald Neubauer: Wenn die Entwicklung so weitergeht wie zurzeit, wird es kaum möglich sein, das Reduktionsziel für 2020 – minus 40 Prozent CO2 im Vergleich zu 1990 – zu erreichen. Deutschlands CO2-Emissionen steigen seit vergangenem Jahr wieder. Ein zentraler Grund dafür sind die Kohlekraftwerke. Und es wird noch schlimmer: Vier oder fünf neue Kohlekraftwerke stehen kurz davor, ans Netz gehen. Das wird die CO2-Bilanz Deutschlands weiter verhageln.

Redaktion: Wäre eine Reform des Emissionshandels, die zu höheren CO2-Preisen führt, die Lösung?

Gerald Neubauer: Höhere CO2-Preise wären ein wichtiger erster Schritt. Allerdings ist es eine Illusion zu glauben, dass alleine der Emissionshandel den Kohleausstieg herbeiführen wird. Um die Braunkohle zurückzudrängen, bräuchten wir CO2-Preise von über 50 Euro - und das liegt in sehr weiter Ferne. Greenpeace fordert daher ein Kohleausstiegsgesetz, das für die Kohlekraftwerke verbindliche Restlaufzeiten festlegt. Um Deutschlands Klimaziele zu erreichen, ist es unumgänglich, dass Deutschland bis 2030 aus der Braunkohleverstromung aussteigt. Bis 2040 können auch die Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden.

Redaktion: Wird in der neuen Bundesregierung die Notwendigkeit für einen Kohleausstieg erkannt?

Gerald Neubauer: Ganz klar nein. Gerade in der SPD ist die Kohlelobby aus NRW und Brandenburg noch sehr stark. Der neue Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hat vor einem halben Jahr sogar eine Unterschriftenliste für einen neuen Vattenfall-Braunkohletagebau in der Lausitz unterschrieben. Da ist noch sehr viel Überzeugungsarbeit nötig. Ohne einen Beschluss zum Kohleausstieg ist die Energiewende nur eine halbe Energiewende.

  • Luftaufnahme des Braunkohlereviers zwischen Spremberg und Weisswasser in der Lausitz, September 2012

    Braunkohlerevier Lausitz

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie

Online-Mitmachaktion

https://act.greenpeace.de/eu-verbot-fossile-energien

Offener Brief: Neue fossile Energieprojekte in Europa verbieten

Wir alle müssen jetzt den klimatischen und ökologischen Notstand als die existenzielle Krise behandeln, die er ist. Unser Leben hängt davon ab. Deshalb fordern wir die EU-Institutionen dazu auf: Stoppt neue Öl- und Gasprojekte!

Jetzt unterzeichnen
0%
vom Ziel erreicht
0
haben mitgemacht
0%
Datum
Protesters holding yellow banner that says "defend the climate - not fussil fuels"

Mehr zum Thema

Braunkohlekraftwerk Lippendorf: Kühltürme und Schornsteine mit Rauch, davor Bagger im Braunkohletagebau
  • 19.11.2024

Die Lausitzer Kohlegruben der Leag zu renaturieren, wird Milliarden kosten. Das Unternehmen des Multimilliardärs Daniel Křetínský legt viel zu wenig Geld zurück. Wälzt er die Kosten auf den Osten ab?

mehr erfahren
Protest at CCS trade fair in Hamburg
  • 13.11.2024

CO2 unter dem Meer verstecken ist der Plan der Regierung. Doch "Carbon Capture and Storage" ist eine Scheinlösung – sie bremst die Energiewende und ermöglicht der fossilen Industrie ein ‚Weiter so‘.

mehr erfahren
Martin Kaiser auf der Demo in Lützerath
  • 18.01.2023

Das Dorf Lützerath ist nun dem Erdboden gleichgemacht. Wie geht es jetzt weiter mit dem Klimaschutz, der Klimapolitik und der Klimabewegung? Fragen an Greenpeace-Chef Martin Kaiser.

mehr erfahren
35.000 Menschen demonstrieren gegen die Räumung von Lützerath
  • 16.01.2023

Trotz des Protests zehntausender Menschen, trotz tagelanger mutiger Aktionen ist Lützerath nun geräumt. Der Abriss schreitet schnell voran. Doch fürs 1,5 Gradziel darf die Kohle nicht verheizt werden.

mehr erfahren
Auszug aus den NRE-Papieren
  • 22.09.2022

Interne Papiere des NRW-Bauministeriums verstärken den Verdacht auf Zweckentfremdung von Fördermitteln. Laut Greenpeace-Recherche sollen belastete Industrieflächen mit Steuergeldern saniert werden.

mehr erfahren
Mit einer roten Linie zwischen Lützerath und dem Braunkohletagebau Garzweiler  protestieren Greenpeace-Aktivist:innen gegen die Zerstörung des Dorfes durch den Kohlekonzern RWE. Auf  einer Feuerlinie steht "1,5°C LIMIT", auf Bannern ist zu lesen "1,5°C bedeutet: Lützerath bleibt".
  • 20.12.2021

Ganz Deutschland macht Weihnachtsferien. Ganz Deutschland? Nein! Ein kleines Dorf am Rande des Tagesbaus Garzweiler hört nicht auf, der Kohle-Lobby Widerstand zu leisten. Ein Bericht aus Lützerath.

mehr erfahren