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Greenpeace Aktivisten protestieren mit Giftfässern, kleinen Bäumen und Banner im Europäischen Parlament gegen die Verabschiedung der EU-Chemikalienreform (REACH). Durch die Lobbyarbeit der chemischen Industrie ist die Reform stark verwässert worden.
Pierre Gleizes/Greenpeace

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Greenpeace-Online:Sind wir künftig besser vor gefährlichen Chemikalien geschützt?

Corinna Hölzel: Wir werden besser geschützt sein, aber noch lange nicht ausreichend! Gut ist, dass die besonders langlebigen, sich im Körper anreichernden Chemikalien vom Markt verschwinden müssen, wenn es Alternativen gibt. Das gilt leider für die erbgutschädigenden und krebserregenden Stoffe nicht. Die dürfen weiter verwendet werden, selbst wenn es sicherere Alternativen gibt. Das ist völlig unzumutbar für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Greenpeace-Online: Was heißt das konkret? Wie sieht es beispielsweise bei den Perfluorierten Tensiden (PFT) aus, die Greenpeace in Aalen, in Pommes Frites und jüngst auch im bayerischen Fluss Alz nachgewiesen hat?

Corinna Hölzel: Das wird bei den verschiedenen PFT unterschiedlich sein. Es ist zum Beispiel nicht klar, ob der Stoff, der unter anderem für die Beschichtung von Teflonpfannen verwendet wird, durch eine Alternative ersetzt werden muss. Er ist zwar sehr langlebig, doch ein sehr strenger Richtlinienkatalog kann dafür sorgen, dass er trotzdem durchrutscht und nicht ersetzt werden muss. Die Stoffe, die den strengen Kriterien nicht entsprechen, würden dann genauso behandelt wie krebserregende, hormonell wirksame und ergutschädigende Chemikalien.

Greenpeace-Online: Was passiert denn mit denen?

Corinna Hölzel: Stoffe wie Weichmacher (Phtalate), die in großen Mengen in Alltagsprodukten wie Duschvorhängen, Regenjacken und Kabeln stecken, sind hormonell wirksam und können zum Beispiel das Kind im Mutterleib schädigen. Trotzdem gilt für diese Substanzen die Substitutionsregel nicht. Das heißt, gefährliche Chemikalien können weiter eingesetzt werden, auch wenn es sicherere Alternativen gibt. Es muss lediglich dafür gesorgt werden, dass der Einsatz angemessen kontrolliert wird. Das halten wir in der Praxis für überhaupt nicht umsetzbar.

Greenpeace-Online: Warum hat es so lange gedauert, bis Parlament und Ministerrat dieses Gesetz beschlossen haben?

Corinna Hölzel: REACH war ein äußerst hart umkämpftes EU-Gesetz. Niemals zuvor wurde so viel Lobbyarbeit für ein Gesetz betrieben. Klar: Die Chemieindustrie sollte erstmals in die Pflicht genommen werden und Licht in die riesige Blackbox aus 100.000 ungeprüften Substanzen bringen. Das wollte sie mit aller Macht verhindern. Tatsächlich wird jetzt auch nur noch ein Drittel, nämlich 30.000 Chemikalien, untersucht. Das sind alle Substanzen mit einer Jahresproduktion von über einer Tonne. Je geringer die Produktionsmenge, umso weniger Sicherheitsdaten werden verlangt.

Greenpeace-Online: Warum ist es wichtig, dass die Chemieunternehmen selbst die Sicherheitsdaten vorlegen müssen? Können sie da nicht manipulieren?

Corinna Hölzel: Die Chemieunternehmen müssen mit wissenschaftlich nachprüfbaren Tests belegen, welche Auswirkungen die von ihnen hergestellten Stoffe haben. Das ist im Grunde so wie in anderen Branchen auch: Ein Autohersteller muss auch beweisen, dass die von ihm neu eingeführten Bremsen auch wirklich funktionieren! Überprüft werden die Tests dann von einer unabhängigen Agentur. Aber die Kosten für die Untersuchungen tragen die Unternehmen selbst. Bis jetzt war es so, dass Behörden im Einzelfall und nur bei einem konkreten Verdacht getestet haben. Diese Umkehr der Beweispflicht ist ein riesiger Fortschritt!

Greenpeace-Online: Und wie geht es jetzt weiter? Müssen alle 30.000 bislang ungeprüften Chemikalien jetzt neu zugelassen werden?

Corinna Hölzel: Zunächst einmal müssen die genannten 30.000 Chemikalien jeweils für jede Anwendung registriert werden. Dafür müssen die Chemiefirmen Sicherheitsdaten vorlegen. Eine neu zu schaffende Chemieagentur in Helsinki mit rund 400 Mitarbeitern wird dann überprüfen, ob die Chemikalie als sehr besorgniserregend einzustufen ist. Ist das nicht der Fall, bleibt die Substanz am Markt. Hält die Behörde in Helsinki den Stoff jedoch für sehr bedenklich, darf die Substanz nur dann weiter vermarktet werden, wenn sie zugelassen wird. Die Zulassung erfolgt so, wie ich bereits gesagt habe. Man schätzt, dass das bei etwa 1.500 bis 2.000 Chemikalien der Fall sein wird.

Greenpeace-Online: Können Verbraucherinnen und Verbraucher, kann Greenpeace jetzt noch etwas tun?

Corinna Hölzel: Das gerade verabschiedete Gesetz war nur die Theorie. Jetzt kommt die Praxis! Das heißt, die eigentliche Arbeit beginnt nun erst. Die EU-Kommission und das Parlament müssen kontrollieren, wie das Gesetz konkret umgesetzt wird. Wer sitzt in der Chemiebehörde in Helsinki, wie arbeitet die Behörde? Außerdem ist das Gesetz nicht in Stein gemeißelt, sondern wird im Laufe der Zeit überprüft und angepasst. Darauf werden auch wir ein wachsames Auge haben!

Datum
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