Ist Gold uns das wert? – Goldrausch in Brasilien zerstört Biodiversität
- Hintergrund
Ob Schmuck, Uhren oder ein volles Finanzdepot – Gold bedeutet häufig Reichtum, oft auch Macht. Besonders in der westlichen Welt ist es der Symbolwert, der Gold so begehrt macht. So darf der Goldschmuck zum Beispiel auch unter dem Weihnachtsbaum nicht fehlen. Von der Goldgewinnung profitieren vor allem Unternehmen und internationale Konzerne. Einige wenige transnationale Konzerne dominieren dabei den weltweiten Goldabbau.
Sogar für illegal beschäftigte Arbeiter:innen, die oft zu unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Goldminen schuften oder jene, die im Amazonas Regenwald Gold schürfen, ist das Geschäft noch lukrativ. Oft haben sie keine andere Wahl – illegales Goldgraben wird vergleichsweise gut bezahlt und bietet eine Möglichkeit, die ganze Familie zu ernähren. Das gesundheitliche wie auch rechtliche Risiko dafür ist jedoch sehr hoch!
Mit der Goldgewinnung ist neben den Gesundheitsgefahren für die Arbeiter:innen auch eine immense Naturzerstörung verbunden. Wir alle nehmen so in Kauf, dass der Gold-Abbau Leben und Artenvielfalt zerstört. Dabei sollte uns ihr Erhalt mehr wert sein als funkelnder Reichtum. Hier geht es zu einem Videostatement der Yanomami dazu.
Im Rahmen des Projekts grad.jetzt hat sich das Reiseteam um Naturfotograf Markus Mauthe und Journalistin Louisa Schneider im Amazonas Regenwald auch zum Thema Goldrausch in Brasilien umgehört und berichtet darüber auf Instagram. Besonders indigene Gemeinschaften wie die Yanomami, bei denen das grad.jetzt Team einige Tage gelebt hat, werden von den „Garimpeiros“, den illegalen Goldgräbern, bedroht.
Das Territorium der Yanomami ist mit fast 10 Millionen Hektar eines der größten indigenen Gebiete in Brasilien. Bei einem Flug über das Gebiet dokumentierte Greenpeace Ende 2022 eine 120 Kilometer lange Straße, die illegale Goldgräber:innen in den Amazonas-Regenwald geschlagen haben.
Eine neue Recherche von Greenpeace Brasilien kam zu dem traurigen Ergebnis, dass der Ausbreitung illegaler Goldgruben in indigenen Gebieten in Amazonien jeden Tag eine Fläche von 4 Fußballfeldern zum Opfer fällt. Dies betrug im vergangenen Jahr in den Territorien der indigenen Völker Kayapó, Munduruku und Yanomami 1.410 Hektar Land.„Jede Stunde, in der Goldsuchende in indigenen Gebieten sind, bedeutet, dass mehr Menschen bedroht werden, ein größerer Teil der Flüsse verschmutzt wird und mehr Artenvielfalt verloren geht. Wir brauchen jetzt ein Amazonasgebiet ohne Bergbau", sagte Jorge Eduardo Dantas von Greenpeace Brasilien. Bislang fielen dem illegalen Bergbau in den indigenen Schutzgebieten 26.000 Hektar Land zum Opfer. Das entspricht in etwa der Größe der Stadt Frankfurt am Main.
Der Bau von Straßen und der Einsatz von großen Maschinen wie Baggern steigert die Abbau-Aktivitäten und die Zerstörung des Regenwaldes um ein Vielfaches. Die Straße verbindet mehrere Goldgräber-Gruben miteinander und ist ein weiterer Beweis für das gigantische Ausmaß der organisierten Verbrechen.
Wie wird Gold im Amazonas abgebaut? Umweltschäden durch Chemikalieneinsatz
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland RND geht davon aus, dass im Amazonas-Regenwald derzeit über 20.000 illegale Goldgräber aktiv sind. Die genaue Zahl lässt sich nicht bestimmen, vermutlich sind es viel mehr. Sie schlagen ihre Camps unter dem dichten Dach des Regenwaldes auf und suchen sich unberührte Stellen, um nach Gold zu graben. Dabei holzen sie oft großflächig Bäume ab, graben und fluten tiefe Erdlöcher.
Ist das Loch tief genug, entnehmen die Goldgräber Bodenproben, die darauf schließen lassen, ob hier ein lukrativer Goldgräber-Einsatz weitergeführt werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde bereits massiv in die Umwelt eingegriffen und Biodiversität zerstört. Doch auch der darauf folgende Abbau von Gold hinterlässt große Umweltschäden.
Besonders problematisch: Die Goldförderung verwendet große Mengen an hochgiftigen Chemikalien, um das Gold aus dem Gestein zu lösen. Speziell durch den Einsatz von Quecksilber oder Blausäure (Cyanid) werden die Umwelt und das Grundwasser verseucht. Im Amazonasgebiet ist dabei die Verwendung von Quecksilber üblich. Es bindet das Edelmetall zu Klumpen, wenn es aus der Erde gesiebt wird und bildet eine Legierung (Amalgam), ähnlich wie eine Ummantelung. Durch Erhitzung verdampft das Amalgam und zum Vorschein kommt pures Gold. Ein Vorgang, der beim kleinsten Goldvorkommen angewendet wird – mit verheerenden Folgen.
Die giftigen Quecksilberdämpfe schlagen in der Umgebung nieder und verursachen bei Menschen und Tieren irreversible Schädigungen des Nervensystems. Besorgniserregend ist auch, dass Quecksilber beim Goldabbau in das Grundwasser gelangt und umliegende Flüsse und Seen vergiftet. Für indigene Gemeinschaften im Amazonasgebiet, die im Einklang mit der Natur leben, haben die Gewässer aber eine zentrale Bedeutung. Sie liefern sowohl Trinkwasser als auch Wasser für die Landwirtschaft. Fische, die das giftige Quecksilber in hohen Mengen aufnehmen, sind eine der wichtigsten Proteinquellen für Indigene. Trinken sie das verseuchte Wasser oder essen die hochbelasteten Fische, werden sie unheilbar krank oder sterben.
Abgesehen davon zerstören die Goldsuchenden wertvolles Urwaldgebiet samt Biodiversität. Sprich: die Heimat von Indigenen und die Grundlage funktionierender Ökosysteme.
Nicht selten kommt es dabei auch zu Gewalttaten oder tödlichen Übergriffen. Frauen und Kinder indigener Gemeinschaften werden von den Eindringlingen entführt und sexuell missbraucht. Indigene, die Widerstand leisten und ihr Land verteidigen wollen, werden ermordet. Der Kampf gegen den illegalen Goldabbau ist also sowohl ein Kampf für die Biodiversität als auch ein Kampf für Menschenrechte.
Yanomami im Kampf gegen illegale Goldgräber
Dário Vitório Xiriana Kopenawa leitet die Organisation „Hutukara Associação Yanomami“. Durch seine Arbeit will er unter anderem auf politischer Ebene die Forderungen der Yanomami durchsetzen. Besonders die Übergriffe von illegalen Goldsuchern und organisierten Verbrechen auf ihrem Gebiet stehen im Fokus seiner Arbeit.
„Bereits in den 1980er Jahren fielen um die 40.000 illegale Goldgräber in unser Land der Yanomami ein. Dasselbe wiederholt sich heute. Die Yanomami werden getötet. Die Eindringlinge werden immer mehr. Bedrohlich sind auch kriminelle Gruppierungen wie die PCC (Primeiro Comando da Capital; übersetzt Erstes Kommando der Hauptstadt), die organisierte Verbrechen an den Indigenen begehen“, erzählt Dário Kopenawa.
Auch richtet er sich direkt an führende Politiker:innen der Welt: „Was wir heute in der Region der Yanomami wollen, ist die Hilfe der internationalen Länder. Wir wollen Unterstützung, um Druck auf die brasilianische Regierung auszuüben. Die „Garimpeiros“ müssen sofort abziehen, bevor noch mehr unserer Verwandten, Kinder und Frauen sterben und noch mehr Gewalt entsteht.“
Die brasilianische Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro tolerierte die illegalen Machenschaften in den vergangenen Jahren seiner Amtszeit, ja, ermutigte diese sogar durch seine aggressive Rhetorik. Wie es für die indigene Bevölkerung in Brasilien nun unter der kürzlich gewählten neuen Regierung Lula da Silva weitergeht, bleibt noch abzuwarten – die Hoffnung auf mehr Achtung für Menschenrechte aber ist groß.
Was wir alle gegen illegalen Goldabbau tun können
Wie wichtig Biodiversität für unser aller Überleben ist, rückt immer mehr in den Fokus medialer Berichterstattung und politischer Debatten. Jeder Hektar Wald, der zerstört wird, jeder Liter Wasser, der übersäuert oder vergiftet wird und jedes Gramm CO2, das in die Atmosphäre geblasen wird, erschwert es uns, das Ziel von einem stabilen Klima und einer gesunden Erde zu erreichen.
Stellt sich die Frage, wie wir zum Erhalt von Biodiversität beitragen können? Im Fall von Gold ist es eigentlich ganz einfach: weniger Konsum! Es geht nicht nur um Goldkettchen und Ohrringe, die man seinen Liebsten zu Weihnachten schenken möchte. Auch in technischen Geräten wie Smartphones, Laptops und Kameras stecken Rohstoffe – auch Gold! Man darf demnach nicht verdrängen, dass wir alle etwas mit dem Verlust der Biodiversität im Regenwald zu tun haben – wenn wir konsumieren!
Es lohnt sich also immer die Frage: Brauche ich das wirklich? Muss es das neueste Handy oder der aktuellste Laptop sein? Besonders zur Vorweihnachtszeit und dem Konsumwahn rund um den Black Friday, ist es wichtig, zu bedenken, was unser aller Konsum mit Biodiversitätsverlust zu tun hat.
Die gute Nachricht: Schonender und kluger Konsum ist ganz einfach. Zum Beispiel lässt sich Goldschmuck als Second-Hand-Ware kaufen. Auch elektronische Geräte kann man gebraucht und gut erhalten erwerben. Das spart nicht nur Geld, sondern eben auch Gold.
Außerdem ist Gold recycelbar. Aus alten Kabeln und Elektroschrott lassen sich beispielsweise wertvolle Rohstoffe isolieren und wiederverwerten. Stichwort: Kreislaufwirtschaft. Goldschmieden nutzen zum Beispiel vermehrt recyceltes Gold und bieten es zum Verkauf an. Letztlich bedeutet jedes Gramm, das nicht neu abgebaut werden muss, weniger Gefahr für Biodiversität und Menschenrechte!