Detox 2014 - die Erfolge
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Die Kampagne für saubere Kleidung hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Was sie erreicht hat und was 2015 kommt, verrät Manfred Santen, Greenpeace-Experte für Chemie.
Greenpeace: Von Lidl über Adidas bis Burberry: Insgesamt 23 Firmen haben sich bislang verpflichtet, gefährliche Chemikalien aus der Textilproduktion zu verbannen. Dabei läuft die Greenpeace-Detox-Kampage für saubere Kleidung erst seit dem Jahr 2011. War damit zu rechnen, dass das so schnell geht?
Manfred Santen: Nein, damit haben wir nicht gerechnet. Die Strategie, mit großen Firmen wie zum Beispiel Nike und Adidas anzufangen, hat einen Sog ausgeübt auf den gesamten Sektor. Die Unternehmen haben durchaus Respekt und wissen, dass wir so schnell nicht lockerlassen.
Eine Käuferin teilte uns auf Facebook mit, dass sie eine der von Greenpeace getesteten und mit Schadstoffen belasteten Regenjacken zurückgegeben hat. Wie wirkt so etwas auf Firmen? Welche Rolle spielen die Verbraucher beim Detox-Erfolg?
Die Verbraucher sind natürlich wichtig. Wenn jemand eine Jacke zurückschickt, weil er sagt 'So etwas will ich nicht haben, da sind Schadstoffe drin', oder 'Nimm das zurück und recycel das vernünftig' - das ist super! Es zeigt, dass die Kampagne beim Verbraucher ankommt. Das macht Eindruck auf die Geschäftsleitungen und Nachhaltigkeitsabteilungen in den Firmen. Und das freut uns sehr.
Verbraucher zweifeln oft daran, dass ihr Handeln als Einzelner etwas bewirken kann. Bringt es etwas?
Der Verbraucher allein kann nicht so viel bewirken. Aber wenn er merkt, dass eine Organisation wie Greenpeace diese Kampagne führt, und dass sich immer mehr Verbraucher anschließen, dann wird der Erfolg deutlich. Dann haben wir unsere Arbeit richtig gemacht. Wir wollen, dass viele Menschen bei dieser Kampagne mitmachen.
Der Bekleidungsmarkt ist groß. Sind die 23 Firmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, oder hat deren Entscheidung gravierende Auswirkungen auf den Markt?
Unter diesen 23 Firmen sind sehr große wie zum Beispiel Zara, Adidas, Nike und Burberry: Modefirmen, die auch einen großen Einfluss auf die Lieferkette haben. Das war der Plan und der funktioniert. Zu den 23 Unternehmen sind jetzt noch sieben Lieferanten hinzugekommen. Also keine Modemarken, sondern Fabriken. Das ist ein tolles Zeichen, dass die Kampagne in der Lieferkette angekommen ist.
Das sind Lieferanten, die eventuell auch Firmen beliefern, die die Detox-Vereinbarung noch nicht unterzeichnet haben.
Genau, das sind Unternehmen, die alle möglichen Marken beliefern. Es rufen auch Zulieferer bei uns an und sagen: 'Wir wollen auch detoxen. Denn wir bekommen mit, dass unsere Kunden, die Markenhersteller, bestimmte Anforderungen haben. Was müssen wir tun?'
Wenn die Unternehmen der Lieferkette feststellen, dass es sinnlos ist, zweigleisig zu fahren - nämlich sowohl schmutzig, als auch nach Detox-Kriterien zu produzieren - dann haben wir unser Ziel erreicht. Dann wird generell nur noch sauber produziert.
Bis zum Jahr 2020 soll der Entgiftungsprozess abgeschlossen sein. Das ist noch eine Weile hin. Warum dauert das so lange, was nimmt in dem Prozess die meiste Zeit in Anspruch?
Die Lieferkette für die Textilindustrie ist kompliziert und zerklüftet. Es dauert, bis man da überall angekommen ist. Und wir haben festgestellt, dass bestimmte Chemikalien wie zum Beispiel Nonylphenol oder die fluorierten Chemikalien schwer zu ersetzen sind: Entweder weil sie in riesigem Ausmaß eingesetzt werden, oder weil es noch keine Alternativen zum Beispiel für Outdoor-Bekleidung gibt, die denselben Zweck erfüllen.
Das bedeutet: Ab dem Jahr 2020 werde ich bei Regenwetter nass?
Nein, das heißt es natürlich nicht. Zwar ist es schwierig, die fluorierten Chemikalien, die die Wasserabweisung gewährleisten, zu ersetzen. Wir haben aber festgestellt, dass derzeit ein großer Aufwand an Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei den Markenherstellern und den Lieferanten betrieben wird. Der wird dazu führen, dass wir 2020 eine umweltverträglichere Alternative haben und nicht nass werden.
Was sollen Verbraucher bis dahin anziehen?
Für die Outdoor-Bekleidung gibt es bereits PFC-freie Alternativen, und wir sehen, dass einige kleinere Firmen schon Alternativen auf dem Markt haben. Auch für alle anderen Kleidungsstücke gibt es Alternativen, die ökologisch hergestellt sind.
Was bedeutet die entgiftete Produktion für die Umwelt? Schillern die Flüsse in China dann nicht mehr in den Farben der aktuellen Mode?
Wir hoffen, dass die Umstellung auf giftfreie Produktion messbar und sichtbar sein wird, dass die Flüsse sauberer werden. Aber in China ist die Umweltverschmutzung so groß - die Textilindustrie ist nur ein Teil davon.
War die Detox-Kampagne in China Thema in der Öffentlichkeit?
Ja, vor allem in den sozialen Medien, die dort für die Nachrichtenverbreitung deutlich wichtiger sind als Printmedien oder Fernsehsender.
Auch die Regierung hat Notiz genommen von der Kampagne: Im neuen Fünfjahresplan wird die Textilindustrie explizit erwähnt, die Chemikalien, die wir in die Diskussion gebracht haben, finden Beachtung. Und für den Textilsektor gibt es neue Regularien, die dann hoffentlich auch ihre Wirkung nicht verfehlen.
Was bedeutet der Entgiftungsprozess für die Arbeiter in den chinesischen Fabriken?
Wir wissen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern, wenn die Fabriken nach modernen Standards errichtet werden. Es gibt zum Beispiel Absaugungen an den Arbeitsplätzen. Das heißt, gesundheitsschädliche Lösungsmitteldämpfe werden abgesaugt, filtriert.
Entgiften ist eine Sache, der Durchlauf in unseren Kleiderschränken eine andere. Denn wir konsumieren mehr Kleidung, als unser Planet verkraften kann. Was ist die Empfehlung für modebewusste Menschen?
Das ist tatsächlich das Hauptproblem: Die Mengen von Klamotten, die gekauft werden und dann irgendwann als Abfall in der Umwelt landen. Deshalb empfehlen wir etwa, an Kleidertauschpartys teilzunehmen, wie sie zum Beispiel Greenpeace-Gruppen organisieren. Es gibt aber auch viele Internetportale, die Secondhand-Kleidung anbieten. Was man auf jeden Fall feststellen kann: Ökologisch produzierte Kleidung ist meistens haltbarer und von besserer Qualität. Das heißt, man braucht viel weniger, als wenn man Billigklamotten kauft.
Wie geht die Detox-Kampagne weiter, was sind die nächsten Schritte?
Unser Ziel ist es, die Textilindustrie bis 2020 zu entgiften. Wir sind auf einem guten Weg, aber längst noch nicht am Ziel. Wir werden auf jeden Fall weitermachen - in China, aber auch in Indonesien und Mexiko werden wir Schwerpunkte setzen. Auch die Outdoor-Industrie begleiten wir weiter, und wir werden uns dem Thema Konsum und Überkonsum widmen. Außerdem werden wir die Firmen auf ihrem Detox-Weg kontrollieren. Anfang 2015 veröffentlichen wir dazu einen neuen Detox-Catwalk – quasi eine Zwischenbilanz: Was haben die Firmen bislang erreicht, und wo sind noch Lücken, wo müssen sie besser werden?
Können sich all die Firmen, die keine Detox-Vereinbarung unterzeichnet haben, entspannt zurücklehnen?
Nein, die können gern anrufen und sich freiwillig melden. Sonst rufen wir bei ihnen an.