
Plastikmüll verschmutzt unsere Umwelt
Petition gegen Einwegplastik unterzeichnen- mitwirkende Expert:innen Moritz Jäger-Roschko
- Hintergrund
Plastik ist überall. Es steckt in Lampen, im Shampoo – und als Müll in der Umwelt. Plastik ist dadurch zu einem weltumspannenden Umweltproblem geworden. Was nun zu tun ist.
Nachttischleuchte, Radiowecker, Kaffeemaschine, Duschgel und Shampoo – schon in den ersten Minuten unseres Tages kommen wir kaum ohne Kunststoff aus. Dabei ist die industrielle Massenfertigung von PVC, PET und anderen Kunststoffen gar nicht mal besonders alt: Der Siegeszug der Plastikprodukte begann in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts, sie eroberten jedoch in den folgenden Jahrzehnten rasch die Konsumwelt: Lag die Plastikproduktion 1950 noch bei 2,1 Millionen Tonnen, waren es 2024 unfassbare 502 Millionen Tonnen weltweit.
Dazu fließen nicht nur massenhaft Ressourcen wie Erdöl, Chemikalien oder Wasser in die Produktion. Die Herstellung setzt ebenso giftige Schadstoffe wie klimaschädliche Treibhausgase frei. Und am Ende der oft recht kurzen Nutzungszeit landet weltweit nur neun Prozent des Plastikmülls im Recycling, die 2,5-fache Menge davon direkt in der Umwelt.
- Die Produktion und Entsorgung von Plastik verursachen circa fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Das entspricht ungefähr 514 Kohlekraftwerken.
- Wenn sich nichts ändert, könnte bis zum Jahr 2050 die jährliche Emission durch Plastikproduktion und -entsorgung auf 56 Gigatonnen CO2 pro Jahr steigen.
- Mehr als 13.000 Chemikalien nutzt die Industrie für die Herstellung von Plastik, davon sind nur etwa 7000 ausreichend analysiert – 3200 hat das UN Environment Programme als gesundheitskritisch eingestuft. Diese Chemikalien können Krankheiten wie Diabetes, Übergewicht, Brustkrebs, Fruchtbarkeitsstörungen oder Entwicklungsstörungen bedingen.
- Flip-Flops, Tüten, Fischernetze – was davon in den vergangenen Jahrzehnten den Weg in die Natur fand, ist bis heute da: Plastik verrottet nicht. Es zerfällt nur in immer kleinere Teile. Plastikflaschen etwa zersetzen sich erst nach Hunderten von Jahren.
Wie Plastik in die Umwelt gelangt
Plastik ist dadurch zu einem weltweiten Umweltproblem geworden – und findet sich auch als Plastikmüll im Meer. Bis zu 23 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle landen jährlich in Gewässern. Flüsse transportieren den Müll bis an die Küsten. Sogar unser Abwasser steckt voller Plastik: Die Hersteller vieler Kosmetikprodukte verwenden Plastikgranulate in Peelings und flüssiges Plastik, um die Konsistenz von Cremes und Shampoos zu verbessern. Die Mikroplastik-Partikel sind zu klein, um sie herausfiltern zu können. Gelangen sie ins Meer, werden sie unter anderem von Muscheln und Fischen aufgenommen, die wiederum auf unseren Tellern landen können. Von wegen „aus den Augen, aus dem Sinn“: Was wir ins Meer werfen oder über Flüsse ins Meer gelangt, kehrt unter Umständen über die Nahrung zu uns zurück.
Eine weitere Quelle für Plastikmüll im Meer ist die Fischerei – etwa durch abhandengekommene Fischernetze, sogenannte Geisternetze. Diese sind entweder an Unterwasserhindernissen hängen geblieben, bei hohem Seegang verloren gegangen oder wurden von Fischer:innen absichtlich im Meer entsorgt. Über eine Million Tonnen Plastik gelangt durch die Fischerei jedes Jahr in unsere Ozeane. Mit fatalen Folgen: In den Geisternetzen verfangen sich weiterhin Fische und andere Meerestiere. Fische in den Maschen der Geisternetze werden zum Köder für größere Fische und Meeresräuber wie Schweinswale, Seehunde und Kegelrobben. Auch sie bleiben in den Netzen hängen, ertrinken oder verhungern langsam und qualvoll.
Auch die Modeindustrie kann sich nicht von der Plastikverschmutzung rein waschen. In der Fast Fashion-Branche ist der Einsatz von Chemikalien und Plastik allgegenwärtig. Viele Kleidungsstücke bestehen aus synthetischen Fasern wie Polyester, die beim Waschen Mikroplastik freisetzen. In Ländern wie Ghana, Kenia oder Tansania landen ganze Kleiderberge in der Umwelt. Schuld daran sind Staaten wie Deutschland, die große Mengen minderwertiger, unbrauchbarer Altkleider nach Afrika exportieren. Dort kämpfen die Menschen zunehmend mit den Umweltauswirkungen dieser Plastik-Textilabfälle, die Böden und Gewässer verschmutzen.
Der Mythos vom Plastikmüll-Recycling
Ebenso wenig wie Altkleider sinnvoll weiterverwendet werden, wird Plastikmüll recycelt. Dabei rechtfertigen wir mit der Recyclingquote die Konsumgewohnheiten hierzulande. Doch die Wiederverwertung funktioniert nicht besonders gut. In Deutschland werden zwei Drittel des Plastikmülls verbrannt, ein Drittel wird recycelt - oder besser gesagt: downgecycelt. Denn aus dem hochwertigen Plastik aus dem gelben Sack entsteht durch das Recycling vor allem minderwertiger Mischkunststoff. Das liegt auch daran, dass miteinander verklebte und unterschiedliche Kunststoffsorten, wie bei Joghurtbechern und -deckeln, in Wertstoffanlagen nur schwer getrennt werden können. Dieser Mischkunststoff eignet sich nicht für Verpackungen etwa für Lebensmittel. Er fließt zum Beispiel in Gartenmöbel, die am Ende ihrer Nutzungszeit mit dem Restmüll entsorgt und verbrannt werden.

“Aktuell sorgt Recycling also nicht dafür, dass weniger Kunststoff eingesetzt wird, es ist im besten Fall wie langsames Wegwerfen. Recycling kann die Plastikkrise nicht lösen. Das oberste Ziel ist, in Zukunft weniger Plastik zu verwenden."
Was nicht recycelt wird, landet entweder in der Verbrennung, in der Umwelt oder wird ins Ausland verschifft. Von den jährlich in Deutschland gesammelten 5,6 Millionen Tonnen Plastikmüll gehen circa 13 Prozent in den Export, zum Beispiel in südostasiatische Länder wie Malaysia oder die Türkei – und enden dort dann oft auf illegalen Mülldeponien und in der Umwelt.
Plastikmüllexporte – von Deutschland durch die ganze Welt
Obwohl es internationale Abkommen gibt, die den Export von Plastikmüll regulieren sollen, landen immer noch große Mengen an nicht recyclebarem Plastikmüll aus Deutschland in Ländern wie Malaysia oder der Türkei. Dort wird der Abfall häufig nicht ordnungsgemäß recycelt, sondern wandert oft auf wilde Deponien, was gravierende Umwelt- und Gesundheitsprobleme verursachen kann. Deutschland mit knapp 700.000 Tonnen im Jahr der größte Exporteur von Plastikmüll in der EU.
Immer mehr ostasiatische Länder stoppen den Import von Plastikmüll. China hatte 2019 genug vom Plastikmüll und verhängte einen Importstopp. Die Folge war jedoch nicht, dass die reichen Industrieländer ihren Müll behielten – er nahm andere Wege: zum Beispiel nach Malaysia, Indonesien oder Thailand. Der dorthin verschiffte Abfall macht Menschen krank und deren Heimat unversehens zur Deponie. So geschehen im indonesischen Sumengko: Fast über Nacht verwandelte sich der Ort in eine internationale Müllhalde, auf der sich die Plastikabfälle bis zu zwei Meter hoch stapeln. Ein gemeinsam mit der „Global Alliance for Incinerator Alternatives“ Greenpeace-Report zeigt die internationalen Verschiebebewegungen von Plastikmüll.
Anfang 2025 hat auch Thailand die Schotten für Plastikmüll dicht gemacht und ein Importverbot für Plastikmüll verhängt. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die reichen Industrieländer des globalen Nordens deshalb weniger Plastikmüll exportieren. Stattdessen wird der Müll wieder neue Wege finden.
Wege aus der Plastikkrise
Doch selbst wenn die Entsorgung des Plastiks so funktionieren würde, dass es nicht in der Umwelt endet, löst das nicht unser Plastikproblem. Denn es gibt viel zu viel Plastik. Die Lösung liegt in einem nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen:
- Die Plastikproduktion muss um 75 Prozent sinken bis zum Jahr 2040.
- Die hergestellten Produkte müssen langlebiger und reparierbar sein.
- Am Ende der Lebenszeit müssen Produkte und Komponenten wiederverwendet werden. Recycling darf nur die letzte Option sein, denn es ist energieintensiv und es geht dabei auch immer Material verloren. Außerdem löst Recycling nicht die gesundheitlichen Probleme, die durch Plastikchemikalien und Mikroplastik verursacht werden.
30 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Plastiks wird für Verpackungen verwendet – fast ausschließlich Einwegverpackungen. “Im Verpackungsbereich wird unglaublich viel vermeidbares Plastik eingesetzt", so Jäger-Roschko. "Statt auf Einwegverpackungen zu setzen, die nach Minuten oder maximal Tagen zu Müll werden, muss Mehrweg in allen Bereichen drastisch ausgebaut werden."
Schon 2021 forderte Greenpeace die Bundesregierung auf, dafür die Grundlagen zu schaffen. Die Mehrwegangebotspflicht trat am 01.01.2023 in Kraft. Seitdem müssen Restaurants, Imbisse und Lieferdienste, die Essen zum Mitnehmen verkaufen, Mehrwegbehälter ohne Aufpreis anbieten. Dieses Gesetz soll die riesigen Mengen an Plastikmüll durch Einwegverpackungen verringern. Leider hat das Gesetz bislang nicht die erwünschte Wirkung gezeigt. Eine Studie vom WWF zeigt, dass weiterhin nur 1,6 Prozent der Speisen im To-Go-Bereich in Mehrweg ausgegeben werden.
“Mehrweg muss das neue Normal werden”, sagt Jäger-Roschko. “Hierfür brauchen wir einen Ausbau von Pfandsystemen und Mehrwegsystemen, sowie eine Mehrwegquote für alle Verpackungen und eine deutschlandweite Verpackungssteuer.” Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Censuswide im Auftrag von Greenpeace International zeigt, dass sich 90 Prozent der Befragten für die Umstellung von Einweg-Plastikverpackungen auf Mehrweg-Alternativen aussprechen.
Ein globales Plastikabkommen
Die Plastikkrise ist weltweit angekommen – auch in den Regierungen. So haben im März 2022 die Vereinten Nationen verkündet, Verhandlungen über ein rechtsverbindliches globales Abkommen zur Plastikvermeidung aufnehmen. Und zwar eines, das den gesamten Zyklus der Plastikverschmutzung abdeckt – von der Produktion bis zu Kunststoffabfällen in den Meeren. Zum ersten Mal sollte von einem Gremium der Vereinten Nationen das Plastikproblem ganzheitlich angegangen werden. Eine historische Chance der Weltgemeinschaft, die Plastikvermüllung zu stoppen.
Allerdings endeten die Verhandlungen Anfang Dezember 2024 ohne Beschluss. Aus über 170 Ländern waren Regierungsdelegierte zusammengekommen. Mit vielen verbündeten Umweltschutzorganisationen war auch Greenpeace vor Ort und forderte erneut, die Plastikproduktion durch das UN-Abkommen bis zum Jahr 2040 um 75 Prozent zu reduzieren. Die Plastiklobby zerstörte mit ihrer Einflussnahme die Hoffnung auf ein erfolgreiches Ergebnis. Die Positionen der verhandelnden Länder lagen so weit auseinander, dass keine Einigung möglich war: So setzten sich Länder wie Iran, Saudi-Arabien, China, Russland und anderen Länder mit großen petrochemischen Industrien für einen Vertrag ein, der den Schwerpunkt auf die Abfallwirtschaft legt und nicht auf den gesamten Zyklus von Kunststoffen, wie es ursprünglichen in der Resolution zum Abkommen hieß. Über einhundert Länder, darunter Deutschland und die EU, haben sich öffentlich zu einer Reduktion der Plastikproduktion bekannt. Eine weitere Verhandlungsrunde in 2025 ist nun erforderlich.
EU-Plastiksteuer zu gering
In der EU gilt seit dem 1. Januar 2021 eine Plastikabgabe: Alle EU-Mitgliedsstaaten müssen für jedes Kilo Plastikmüll, das nicht recycelt wird, eine Abgabe von 80 Cent an die EU bezahlen. Das ist die sogenannte “Plastiksteuer” – auch wenn sie rechtlich gesehen gar keine Steuer ist, sondern eine Abgabe. Für Deutschland sind das im Jahr rund 1,3 Milliarden Euro, bezahlt aus dem Staatshaushalt. Die Zahlungen sollen Anreize schaffen, Einwegplastik zu vermeiden, und den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft ebnen.
Die Plastiksteuer kann jedoch keinerlei Lenkungswirkung entfalten, wenn sie nicht von den Verursachenden entrichtet wird, kritisierte 2021 ein Bündnis zu dem auch Greenpeace gehört in einem offenen Brief an den Bundestag. Denn so würden die Bürger:innen für die Versäumnisse der Plastikindustrie zahlen: für schlechte Recyclingquoten und fehlende Konzepte zur Kreislaufwirtschaft. Stattdessen müsse die Abgabe dort erhoben werden, wo Kunststoffe in den Verkehr gebracht werden. Eine faire Plastiksteuer muss gestaffelt sein nach Recyclingfähigkeit der Produkte und dem Anteil an recyceltem Material darin. Das heißt auch: Neues Plastik wird für die Produzenten am teuersten. Das Bündnis fordert zwei Euro für das Kilo Kunststoff.
Wir dürfen die Plastikkrise nicht länger als Müllkrise verstehen. Das Plastikproblem beginnt schon bei der Produktion und Verwendung von Plastik. Um unsere Gesundheit, Umwelt und Klima vor den schädlichen Auswirkungen von Plastik zu schützen, muss die Plastikproduktion drastisch reduziert werden. Dazu gehören langlebigere und reparierbare Produkte, Mehrweg-Quoten für Verpackungen und Verbote für vermeidbares Einwegplastik.