Greenpeace-Gruppen fordern Ressourcenschutz am Earth Overshoot Day
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Auch wenn der Spitzname für den Durchschnittsdeutschen so freundlich und bescheiden klingt: Otto Normalverbraucher ist ein Umweltsünder – er verbraucht zu viel. Dieses Zuviel lässt sich sogar konkret beziffern. Das Global Footprint Network stellt dazu alljährlich eine Rechnung auf, die den endlichen Ressourcen des Planeten den tatsächlichen Verbrauch seiner Bewohner gegenüberstellt. Wie bei einem Konto ergibt das Soll und Haben – ab einem gewissen Punkt ist das Nehmen von der Erde nicht mehr nachhaltig, sondern ausbeuterisch.
Dieser Punkt ist heute erreicht, am 1. August. Dabei bleiben noch fünf Monate bis zum Jahresende. Und in dieser Zeit leben wir über unsere Verhältnisse, auf Pump. „Wir ignorieren konsequent die schlichteste Regel des Wirtschaftens: Niemand kann auf Dauer mehr ausgeben, als er einnimmt“, sagt Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Konsum.
Der Planet schreibt also rote Zahlen. Der Tag, an dem das Konto ins Minus kippt, heißt Earth Overshoot Day, auf Deutsch Erdüberlastungstag. Über 30 Greenpeace-Gruppen sind heute bundesweit auf der Straße, um zu informieren und gemeinsam Wege aus dem Dilemma zu finden. Der deutsche Verbraucher steht dabei mehr in der Pflicht als beispielsweise Konsumenten in Vietnam oder Kuba: Würde die ganze Welt haushalten wie Deutschland, wäre der Earth Overshoot Day bereits Anfang Mai. Und der Tag steht Jahr für Jahr früher im Kalender; vor zehn Jahren war er noch Ende September.
Retouren im Müll
Nicht überraschend: Hier läuft etwas sehr grundsätzlich falsch. Der alte marktwirtschaftliche Grundsatz, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt, ist mittlerweile so sehr aus den Fugen geraten, dass es nicht bloß ein unüberschaubares Überangebot gibt – es ist für Unternehmen sogar wirtschaftlich, den Überschuss zu verbrennen oder zu schreddern, statt ihn irgendwie zu Geld zu machen. Eine Recherche von ZDF und Handelsblatt deckte diese Praxis in Logistikzentren des Onlinehandelsriesen Amazon auf. Dort werden einwandfreie Retouren routinemäßig zerstört, bis zu 30 Prozent der Rücksendungen – weil es billiger ist, als die Ware zu lagern oder an Bedürftige zu verschenken.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die Industrie produziert so viel, dass das Guthaben des Planeten tief in den Miesen steckt, mitunter für Produkte, die ungenutzt im Müll landen.
Die Greenpeace-Aktivisten zeigen, dass man als Verbraucher da nicht mitmachen muss. Wir leben schließlich schon lange im Überfluss: Vieles, was wir brauchen, ist bereits da und kann getauscht oder aus zweiter Hand gekauft, manches mit wenigen Handgriffen selbstgemacht werden. Kleidertausch- und Foodswap-Partys sorgen für Abwechslung in Kommode und Kühlschrank, auch ohne Expresslieferung und Ein-Klick-Bestellung.
Ressourcenschutz nach französischem Beispiel
Um das Ungleichgewicht wieder gerade zu rücken, braucht es viele Ansätze: Ein bewussteres Kaufverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern, nachhaltige Geschäftsmodelle des Handels und einen politischen Rahmen, der zu einem solchen ökologischen Wirtschaften anhält. „Wenn Unternehmen nicht von sich aus verantwortlich mit endlichen Ressourcen umgehen, dann muss die Politik ihnen ordnungspolitische Vorgaben machen“, sagt Viola Wohlgemuth. Eine Idee wäre ein Ressourcenschutzgesetz nach französischem Beispiel: Im Nachbarland dürfen Supermärkte einwandfreie Lebensmittel schon seit 2016 nicht mehr wegwerfen, sondern müssen sie spenden. Derzeit arbeitet die Regierung in Paris daran, das Gesetz zu erweitern und auch das Vernichten neuwertiger Textilien zu verbieten.
So etwas muss es auch in Deutschland geben, finden bisher mehr als 45.000 Unterstützer einer Greenpeace-Petition. Gemeinsam fordern sie von Bundesumweltministerin Svenja Schulze, der Verschwendung per Gesetz Einhalt zu gebieten: Fehlerlose Ware, egal ob Retouren oder unverkaufte Saisonware, darf nicht im Schredder landen, weil es den Unternehmen besser passt.
Grafik: Der ökologische Fußabdruck durch die Jahrzehnte