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Floods in Migori and Homa Bay Counties in Kenya
© Bernard Ojwang / Greenpeace

Kein Frieden ohne Frauen: Feministische Außenpolitik bringt Sicherheit

Das Grundanliegen feministischer Bewegungen ist eine Welt ohne Sexismus und ohne Diskriminierung. Das bedeutet mehr Gleichberechtigung und Selbstbestimmung nicht nur für Frauen, sondern für alle gesellschaftlichen Gruppen, die bisher wenig gehört werden.

 Für eine feministische Außenpolitik verpflichten sich Staaten, sich bei anderen Staaten stärker für Frieden, Geschlechtergerechtigkeit und eine gesunde Umwelt einzusetzen. In vielen Bereichen gibt es immer noch patriarchale, koloniale und rassistische  Machtstrukturen, die aufgebrochen werden müssen. Feministische Außenpolitik bedeutet also eine Politik zwischen den Staaten, die transformativ (grundlegend verändernd), dekolonial und diskriminierungsfrei ist.

Auch Klimafolgen treffen Frauen und Mädchen besonders schwer. Sie leiden eher unter Ernährungsunsicherheit und sterben häufiger in Extremwetterereignissen. In Friedensverhandlungen sitzen immer noch viel weniger Frauen als Männer – obwohl inzwischen längst bekannt ist, dass Friedensabkommen, an denen Frauen beteiligt sind, länger bestehen. In militarisierten Gesellschaften steht Geschlechtergerechtigkeit gar nicht oder erst ganz unten auf der Agenda der Regierung.

 Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat im Frühjahr 2023 ihre Leitlinien zur feministischen Außenpolitik vorgestellt. Ein wichtiger Schritt! Doch es darf nicht bei guten Vorsätzen bleiben. Wir müssen die deutsche Bundesregierung jetzt daran messen, ob sie feministische Außenpolitik tatsächlich umsetzt. Und da gibt es Widersprüche.

Menschliche Sicherheit oder Aufrüstung?

Neben den Leitlinien für feministische Außenpolitik hat die Bundesregierung eine weitere Strategie für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik verabschiedet: die Nationale Sicherheitsstrategie. Allerdings basiert vor allem auf einem rein militarisierten Sicherheitsbegriff. Es müssen aber menschliche Sicherheit und die Befähigung der Zivilbevölkerung darin ganz vorne stehen. Damit die Zivilbevölkerung frei handeln kann, muss sie sich auf ihre Lebensgrundlagen und auf rechtsstaatliche Strukturen verlassen können. Dazu gehören ein zugängliches Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Maßnahmen gegen die Klimakrise und weltweite Pandemien. 

Waffen stärken die Machtposition eines Staates gegenüber den Menschen. Für menschliche Sicherheit ist die militärische Sicherheit nicht entscheidend. Feministische Außenpolitik fordert deshalb eine nachhaltige Abrüstungspolitik. Die Bundesregierung widerspricht sich also, wenn sie feministische Außenpolitik voranbringen und gleichzeitig mehr Geld in die militärische Sicherheit investieren will.

 

Protest for Climate Protection and Disarmament at CDU Party Conference in Berlin
"Um Frieden zu sichern, müssen die Bedürfnisse der Menschen und nicht die des Staates in den Vordergrund gestellt werden."

Anna von Gall

Politikkampagnerin von Greenpeace Deutschland

Protest for Climate Protection and Disarmament at CDU Party Conference in Berlin
Zitat
"Um Frieden zu sichern, müssen die Bedürfnisse der Menschen und nicht die des Staates in den Vordergrund gestellt werden."
Zitatinhaber, Vorname Nachname
Anna von Gall
Position des Zitatinhabers
Politikkampagnerin von Greenpeace Deutschland

Abkommen zu Ungunsten von Frauen 

Auch ihr konkretes Handeln im Globalen Süden entspricht nicht den Prinzipien feministischer Außenpolitik. Ein besonders frappierendes Beispiel ist die Unterstützung für die Erschließung neuer Gasfelder im Senegal. Diese Ausbeutung ist nicht nur schlecht für die Ökosysteme und das Klima, sondern beeinträchtigt auch massiv die Lebensgrundlagen von Gemeinden an der Küste, indem sie die Kleinfischerei gefährdet. 

Auch das EU-Mercosur-Abkommen treibt Frauen in Südamerika übermäßig in unsichere Arbeit. So wie es jetzt ausgestaltet ist, würde es dort die hochqualifizierten Jobs reduzieren und die Niedriglohnarbeit fördern – zu Gunsten europäischer Konzerne. Forschungen haben gezeigt, dass dies überwiegend Frauen betrifft.

Bisher muss man also feststellen, dass feministische Außenpolitik von der deutschen Bundesregierung noch nicht umgesetzt wird. Wenn Annalena Baerbock es ernst meint mit ihrem Ziel, muss sie dafür sorgen, dass das Handeln der Bundesregierung in allen Bereichen auch damit übereinstimmt.

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Mehr zu feministischer Außenpolitik

Bereits am 19. September 2022 veröffentlichte Anna von Gall auf der Plattform +49 security, Impulse für die Nationale Sicherheitsstrategie einen ausführlichen Artikel zum Thema feministische Außenpolitik, aus dem hier noch einige Auszüge zum Weiterlesen anhängen: 

2021 wurden zwei wichtige Strategien für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik verabschiedet: die Nationale Sicherheitsstrategie und die Leitlinien für feministische Außenpolitik. Die deutsche Bundesregierung hätte hier die Chance gehabt, diese beiden Konzepte stärker miteinander zu verbinden. Dazu einige Gedanken: 

Wir leben in einer Zeit, in der Sicherheitspolitik zusammengedacht werden muss mit Klimaschutz, Ressourcenschutz, sozialer und globaler Gerechtigkeit sowie Sicherheit inner- und außerhalb Europas: als eine umfassende Friedenspolitik. Der Krieg in der Ukraine zeigt gnadenlos, wie eng Energiesicherheit mit Außen- und Sicherheitspolitik verwoben ist und wo es an Kohärenz dieser drei Politikfelder fehlt. Nicht erst seit Ausbruch des Krieges wurden energie- und sicherheitspolitische Entscheidungen getroffen, die ein ausgedientes Verständnis von Sicherheit und Außenpolitik offenlegen und deren Konsequenzen erneut zukünftige Generationen treffen werden. Wenn wir aber unter Sicherheit wirklich den Zustand verstehen, der uns frei von Sorgen um essenzielle Lebensgrundlagen lassen soll, dann wird gerade wenig unternommen, um diese zu fördern. 

Was ist “Menschliche Sicherheit” 

Es gibt zwei Konzepte, die der zunehmenden Militarisierung und der Abwendung von Klimaverpflichtungen entgegenwirken und die angemessener für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind: die Konzepte ​‚menschliche Sicherheit‘ und ,feministische Außenpolitik‘. Das Konzept menschliche Sicherheit nimmt nicht nur die Sicherung staatlicher Strukturen in den Blick. Vielmehr liegt der Fokus auf unterschiedlichen Maßnahmen, wie auf vielfältige Formen von Unsicherheit, etwa soziale Ungerechtigkeit, Hunger, Armut oder Umweltkatastrophen, reagiert werden kann (siehe GA Resolution 66/​290). Menschenrechte, Friedenssicherung, menschliche Entwicklung und Konfliktprävention müssen zusammengedacht werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf präventiven Maßnahmen. Um Frieden zu sichern, müssen die Bedürfnisse der Menschen und nicht die des Staates in den Vordergrund gestellt werden. Dazu gehört auch eine intakte Umwelt. Eine nachhaltige Sicherheitspolitik mit dem Fokus auf menschliche Sicherheit muss also in erster Linie die Befähigung der Zivilbevölkerung im Fokus haben. Damit die Zivilbevölkerung frei agieren kann, muss sie sich auf rechtsstaatliche Strukturen verlassen können und eine Garantie für ihre essentiellen Lebensgrundlagen haben. Dazu gehört der Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Maßnahmen gegen die Klimakrise und gegen weltweite Pandemien.

Was ist “feministische Außenpolitik”

Einen ähnlichen Anspruch erhebt  das Konzept “feministische Außenpolitik" an die Politik eines Staates. Danach sollten Staaten u.a. ihre „ Interaktionen mit anderen Staaten sowie mit Bewegungen und anderen nichtstaatlichen Akteuren so gestalten, dass Frieden, Gleichberechtigung der Geschlechter und ökologische Integrität Vorrang haben, die Menschenrechte aller geachtet, gefördert und geschützt werden, koloniale, rassistische, patriarchale und männerdominierte Machtstrukturen aufgebrochen und erhebliche Ressourcen, einschließlich für Forschung, zur Verwirklichung dieser Vision bereitgestellt werden.” Feministische Außenpolitik ergänzt das Konzept der menschlichen Sicherheit also darum, transformativ, intersektional und dekolonial zu wirken.

Welchen Einfluss diese beiden Konzepte auf die Politikgestaltung haben können, soll anhand zweier wichtiger Themenfelder – Auswirkungen der aktuellen deutschen Energiepolitik und zunehmende Militärausgaben – genauer beleuchtet werden.

Deutsche Energiepolitik

Ein Beispiel aus der Zeit vor dem Krieg gegen die Ukraine ist Aserbaidschan. 2020 siegte  Aserbaidschan überraschend über Armenien nach einem jahrzehntelangen militärischen Patt. Zuvor waren die aserbaidschanischen Streitkräfte massiv aufgerüstet worden, finanziert auch durch Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas. Ob die Kriege in der Ukraine oder in Aserbaidschan ohne den Kapitaltransfer aus der Bundesrepublik und der EU ausgeblieben wären, lässt sich nicht seriös beantworten. Sicher ist aber, dass die Aufrüstung ohne die Milliarden, die für den Kauf von Erdöl und Erdgas nach Moskau und Baku flossen, geringer und die Intensität der Kriegführung schwächer ausgefallen wären.

Der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat die Abhängigkeit Europas von russischen fossilen Brennstoffen noch mal in vollem Umfang offenbart. 

Problematisch ist der europäische Energiehandel zudem aufgrund der direkten negativen Auswirkungen in den Erzeugerländern durch den Abbau fossiler Brennstoffe. Nicht nur die EU, sondern die Industrieländer insgesamt lagern diese Schäden an benachteiligte, oft indigene Gemeinschaften auf der ganzen Welt aus. Grundlage dafür ist letztlich das globale Klassensystem zwischen ehemaligen Kolonialmächten und kolonialisierten Gesellschaften, das bis heute Ungerechtigkeit zementiert. Es wird aktiv aufrechterhalten durch die neokoloniale ​„Montagelinie” der Energieerzeugung. Ein Beispiel hierfür ist die aktuelle Debatte um die deutsche Unterstützung eines Projektes zur Gasgewinnung vor der Küste Senegals.

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Waffen statt menschliche Sicherheit

Ein weiteres Politikfeld, in dem deutlich wird, dass Aspekte menschlicher Sicherheit und feministischer Außenpolitik missachtet werden, ist Aufrüstung. Der Fokus auf Waffen ist eine Stärkung der staatlichen Machtposition gegenüber der Zivilbevölkerung. Menschliche Sicherheit stellt aber nicht die militärische Sicherheit in den Fokus. Auch die feministische Außenpolitik fordert eine nachhaltige Abrüstungspolitik. Hier besteht ein deutlicher Widerspruch zwischen dem deutschen Bekenntnis zur feministischen Außenpolitik und dem Bestreben, die Ausgaben für militärische Sicherheit zu erhöhen.

Militärische Aufrüstung ist keine Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Das Sondervermögen wird Deutschland geopolitisch nicht stärken. Möglicherweise werden auch die militärischen Ziele nicht erreicht. Wird das Beschaffungswesen der Bundeswehr nämlich nicht radikal reformiert, könnten bis zu einem Drittel des Geldes verschwendet werden. Ob das geplante Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz dem Rechnung trägt, bleibt abzuwarten. 

Besonders bezeichnend: Die Ampel-Koalition plant, den Etat des Auswärtigen Amts für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland um 1 Milliarde Euro zu kürzen. Das entspricht einer Kürzung von etwa 34 Prozent. Auch der Etat für Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung, Klima- und Sicherheitspolitik  soll um 27 Prozent gekürzt werden.

VENRO (Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe) berechnet, dass für die aktuelle Legislaturperiode 31,2 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe fehlen, um wichtige Zielmarken zu erreichen. Darüber hinaus halten die Industriestaaten ihr Versprechen nicht ein, eine angemessene Klimafinanzierung (für Klimaschutz und Anpassung) bereit zu stellen, oder vergeben Klimahilfen in Form von Krediten, die die Schuldenlast der betroffenen Ländern sogar noch erhöhen. 

Was Deutschland stattdessen dringender denn je benötigt, ist ein Wandel hin zu einer Politik, die unterdrückende Regierungssysteme bekämpft. Menschliche Sicherheit und feministische Außenpolitik stellen zusammengedacht nicht nur das Individuum in den Vordergrund. Sie untersuchen auch einen politischen Prozess daraufhin, ob Frieden, Gleichberechtigung der Geschlechter und ökologische Integrität Vorrang haben und die Maßnahmen transformativ, intersektional und dekolonial wirken. Dafür gibt es aktuell einen politischen Raum, der genutzt werden muss – denn immer mehr Regierungen erkennen die Notwendigkeit einer feministischen Außenpolitik an. Konkret ist also die Aufgabe, sich aktuelle politische Prozesse wie die Nationale Sicherheitsstrategie, Energiesicherheitspolitik oder Haushaltsplanungen genau anzuschauen und einen transformativen Ansatz im Sinne einer feministischen Außenpolitik zu integrieren: Welche Konsequenzen hat beispielsweise ein Rüstungsexportkontrollgesetz, das geschlechtsbezogene Gewalt bei Exportentscheidungen nicht ausreichend berücksichtigt? Welche Punkte sind entscheidend für einen transformativen und geschlechtergerechten Haushaltsplan? Wie kann eine geschlechtergerechte und dekoloniale Energie- sowie Klimasicherheit und ‑gerechtigkeit aussehen? Für die Ampelkoalition bietet sich jetzt eine große Chance zu zeigen, wie eine feministische Regierung aussehen kann. Für die Menschen, die direkt von den Konsequenzen deutscher Außenpolitik betroffen sind, wäre das ein großer Fortschritt — eine positive, notwendige Zeitenwende.

 

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Waffenexporte und VNSR 1325

Waffenexporte und VNSR 1325

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