Greenpeace-Recherche: Wie Politik und Rüstungslobby Hand in Hand gehen
- Recherche
Bundestagsmitglieder pflegen enge Verbindungen zur Rüstungsindustrie, während die Lobbyarbeit von Think Tanks und Agenturen einflussreicher ist als angenommen.
In einer neuen von Greenpeace in Auftrag gegebenen Recherche wird deutlich, dass die Verbindung zwischen Politik und Rüstungsindustrie in Deutschland noch viel enger ist als bisher angenommen. Die Untersuchung "Revolving Doors - wie Politik und Rüstungsindustrie gemeinsame Sache machen" von Anne Zetsche und Ingrid Knorr zeigt auf, wie Mitglieder des Bundestages eng mit der Rüstungsindustrie verknüpft sind. Dabei werden Think Tanks und bisher wenig bekannte Lobbyagenturen als einflussreiche Akteure in der Sicherheitspolitik identifiziert.
Die Ergebnisse der Recherche in Kürze:
- Doppelrolle von Bundestagsmitgliedern: Mitglieder des Deutschen Bundestages, insbesondere im Haushalts- und Verteidigungsausschuss, agieren als "Diener zweier Herren" indem sie sowohl für den Bundestag als auch für Organisationen der Rüstungsindustrie aktiv sind.
- Einflussreiche, unbekannte Lobbyagenturen: Wenig bekannte Lobbyagenturen wie Concilius, friedrich30, WIMCOM und Rasmussen Global spielen eine bedeutende Rolle in der deutschen Rüstungslandschaft. Sie beschäftigen ehemalige Politik-Insider:innen und haben so Einfluss auf die Rüstungspolitik.
- Mangelnde Unabhängigkeit führender Think Tanks: Die absolute Unabhängigkeit von führenden Think Tanks wie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ist fragwürdig, da sie teilweise von der Rüstungsindustrie finanziert werden. Sogar die Münchner Sicherheitskonferenz, ein wichtiges sicherheitspolitisches Forum, wird von Rüstungskonzernen gesponsert.
Revolving Doors - wie Politik und Rüstungsindustrie gemeinsame Sache machen
Anzahl Seiten: 41
Dateigröße: 1.23 MB
HerunterladenDie “Diener:innen zweier Herren”
Politiker:innen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Wolfgang Hellmich (SPD), Andreas Schwarz (SPD), Siemtje Möller (SPD) und Henning Otte (CDU) tragen gleich zwei Hüte, indem sie die Weichen für die Rüstungsindustrie in politischen Entscheidungszentren stellen und gleichzeitig in Organisationen der Rüstungsbranche aktiv sind. Der Zugang zu relevanten Informationen wird durch ihre Mitarbeitenden erleichtert, die als Vermittler fungieren. Einer dieser “Diener zweier Herren” ist Andreas Schwarz. Er war Schirmherr eines Informationsabends des US-amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin im Bundestag, bei dem für das Kampfflugzeug F-35 lobbyiert wurde.
Die “Seitenwechsler:innen”
Personen wie Fritz Felgentreu (SPD), Robert Hochbaum (CDU), der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler oder der frühere Inspekteur der Luftwaffe Karl Müllner wechselten alle von Politik, Ministerien oder Militär zur Rüstungsindustrie. Jetzt setzen sie sich in deren Auftrag für den Kauf von Rüstungsgütern ein. Unternehmen wie Concilius und Friedrich30, politische Beratungsagenturen, profitieren durch den Personaleinkauf ehemaliger Politiker:innen oder Militärs von ihrer Expertise. So können sie politische Kompetenz und erstklassige Netzwerke für Kund:innen wie beispielsweise Raytheon, einem der weltweit größten Unternehmen im Bereich der militärischer Luftfahrt, oder Atos Information Technology GmbH, einem IT Dienstleister, der bei der Digitalisierung von Streitkräften unterstützt, bereitstellen.
Die “angeblich Unabhängigen”
Nicht nur Politiker:innen, sondern auch Think Tanks und einige ihrer Expert:innen wie Thomas Enders, Christian Mölling oder Nico Lange spielen eine zentrale Rolle bei langfristigen Lobby-Bemühungen der Rüstungsindustrie. Insbesondere die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), eine einflussreiche außen- und sicherheitspolitische Organisation in Deutschland, ist durch ihr Personal eng mit der Rüstungsindustrie verbunden. DGAP-Präsident Thomas Enders war zuvor Vorstandsvorsitzender der Airbus SE. Airbus wiederum hat großzügige Spenden an die DGAP geleistet, genauso wie die Rheinmetall AG.
Dieses Netzwerk von engen persönlichen Beziehungen in Unternehmen, Verbänden und Think Tanks schafft privilegierte Zugänge zu politischen Entscheidungsträger:innen, die anderen gesellschaftlichen Gruppen verwehrt bleiben. Wir brauchen eine Debatte in Deutschland, die die Interessen der Bevölkerung in den Vordergrund stellt. Außerdem ist eine Sicherheitspolitik notwendig, die nicht in erster Linie Aufrüstungsinteressen bedient.