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Pierre Gleizes / Greenpeace

Der Klimawandel bereitet deutschen Winzern Kopfschmerzen

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„Das erinnert mich überhaupt nicht an Riesling“, hört Andreas Klumpp deutsche Weintrinker bereits klagen. „Weine werden mit steigenden Temperaturen anders schmecken und fremde Charakteristika entwickeln“, prophezeit der Winzer aus dem nordbadischen Bruchsal künftigen Jahrgängen. Während in Südeuropa in den kommenden Jahrzehnten ganze Anbaugebiete verloren gehen, kämpfen deutsche Weinbauern – noch – mit anderen Folgen der Klimaerwärmung: neuen Schädlingen wie der Kirschessigfliege, extremen Wetterphänomenen und einem immer schwieriger zu beherrschenden Produkt.

Dass dank der hohen Temperaturen mittlerweile auch Rotweine wie Syrah oder Cabernet Sauvignon in Deutschland angebaut werden, ist erst einmal keine schlechte Entwicklung für deutsche Weinbauern. Doch die neuen Voraussetzungen schaffen neue Probleme bei der Lese. „Zwei bis drei Tage können entscheidend sein, ob ein Wein 13 oder 13,5 Prozent Alkoholvolumen hat“, so Klumpp. Und das ist neu. Wärmere Sommer bedeuten mehr Zucker in den Trauben, das heißt mehr Alkohol im Endprodukt. Ab einem gewissen Punkt wird der Jahrgang unverkäuflich: „Beim Weißwein wird ein Alkoholgehalt von 14 Prozent vom Verbraucher nicht mehr akzeptiert.“

Ein Rekordjahr – aber kein Grund zum Feiern

Mit den hohen Temperaturen werden sich Klumpp und seine Winzer-Kollegen wohl arrangieren müssen. Nachdem bereits das erste Halbjahr einen globalen Hitzerekord aufgestellt hat, gehen Wissenschaftler schon jetzt davon aus, dass 2015 das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wird. „Es gibt beinahe keine Möglichkeit, dass 2015 nicht das wärmste Jahr in den Akten wird“, sagt Jessica Blunden, Klimaforscherin der Nationalen Ozean- und Atmosphärenverwaltung (NOAA). Die Institution in Washington gab Anfang der Woche bekannt, die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche habe im Juni 2015 16,33 Grad Celsius betragen – 0,12 Grad mehr als die Messung aus dem letzten Jahr, die ihrerseits den Rekord brach.

Noch besorgniserregender ist der Abstand, mit dem die bisherige Höchstmarke übertroffen wurde. Dass die Erde wärmer wird, ist bedauerlicherweise nichts Neues. Die Geschwindigkeit überrascht allerdings selbst Experten. In der Vergangenheit lagen Rekordtemperaturen um wenige Hundertstel-Grad über dem Vorjahr – nicht um Zehntel, so Jessica Blunden. Nimmt man die Durchschnittstemperatur für den Juni im 20. Jahrhundert als Basis, liegt 2015 sogar 0,88 Grad über dem Monatsmittel.

„Die extremen Temperaturen jetzt im Juli zeigen, dass die Folgen des Klimawandels auch in Deutschland immer spürbarer werden“, sagt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Klima. "Aber es gibt nicht nur mehr Hitzewellen. Auch die immer häufigeren Starkregen und Jahrhundert-Hochwasser sind nicht mehr allein durch natürliche Schwankungen zu erklären."

Hagelstürme kommen früher im Jahr

Diese Entwicklung spürt Andreas Klumpp am eigenen Leib – und in seinen Lagen. „Bei uns regnet es ja nicht mehr normal; ich freue mich mittlerweile riesig über einen einfachen Landregen“, sagt er. „Früher bekamen wir durchschnittlich 500 bis 550 Millimeter Niederschlag pro Jahr, heute sind es 400 bis 450 Millimeter.“ Das Problem ist dabei nicht die Wassermenge, sondern die Heftigkeit des Niederschlags. Hagelstürme können schon einmal 60 Prozent der Ernte vernichten – sie kommen mittlerweile häufiger und früher im Jahr.

Schuld daran sind vom Klimawandel angefachte Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen. Zu diesem Schluss kommt der Aufsatz einer Gruppe um Jascha Lehmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, erschienen in der Fachzeitschrift „Climatic Change“: Durch die Erwärmung sammelt sich mehr Feuchtigkeit in der Luft, die sich in extremem Starkregen ergießt.

Konzentriert und anschaulich ist das bei dem Wetterphänomen El Niño zu beobachten, das nach fünf Jahren Pause gerade wieder im Pazifik wütet. Was dort auf vergleichsweise kleinem Raum in rasender Geschwindigkeit passiert, geschieht auf der ganzen Welt langsam und im großen Maßstab. Nach den Erkenntnissen aus Potsdam war in den vergangenen 30 Jahren im Durchschnitt einer von zehn Rekordregen auf die Klimaerwärmung zurückzuführen, 2010 waren es bereits vier.

Klimaerwärmung – in deutschen Weinbergen und weltweit

Darum ist es umso wichtiger, dass die Politik schnellstens handelt: Bei der Internationalen Klimakonferenz in Paris soll Ende des Jahres ein Weg gefunden werden, wie der weltweite Temperaturanstieg unter der kritischen Grenze von zwei Grad bleiben kann. Dafür ist es notwendig, die CO2-intensive Energiegewinnung aus Kohle-, Öl-, und Gasvorräten auf saubere, erneuerbare Energien umzustellen. Denn nur dann ist es möglich, die von Menschen gemachte Klimaerwärmung entscheidend zu verlangsamen. „Noch liegt es in unserer Hand, den unkontrollierten Temperaturanstieg zu bremsen“, sagt Karsten Smid. „Es lohnt sich, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen."

Die Sorgen deutscher Winzer sind klein, nimmt man die globalen Auswirkungen als Maßstab. Doch sie sind ein sehr handfester Indikator der fortschreitenden Klimaerwärmung, deren Folgen hier zweifelsfrei zu beobachten sind. „Bei der Weinlese sind wir heute in der Regel zwei bis drei Wochen früher dran als noch vor 20 Jahren“, sagt Klumpp. Im Weinberg treffen über Generationen gesammelte Erfahrungswerte auf zunehmend unberechenbares Wetter. Auf die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für die Ernte ist, werden deutsche Winzer in den kommenden Jahren jedenfalls immer wieder neue Antworten finden müssen.

  • Weinreben in Bruchsal

    Rein organisch

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  • Andreas und Markus Klumpp

    Zwei Brüder

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  • Zerstörter Weinberg nach Hagel

    Wütendes Wetter

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