Interview mit Klima-Experte
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Online-Redaktion: Inzwischen scheint klar, dass der Mensch den Klimawandel maßgeblich vorantreibt. Trotzdem gibt es zahlreiche Skeptiker, die das leugnen und behaupten, der Mensch sei dafür nicht verantwortlich. Wie groß schätzt du deren Einfluss weltweit und in Deutschland ein?
Karsten Smid: Der Einfluss der Klimaskeptiker ist nicht zu unterschätzen, insbesondere in den USA. Die erzkonservativen Denkfabriken erhalten von der Öl- und Kohleindustrie Millionen Dollars, um Zweifel an der Klimaerwärmung zu streuen und die Folgen des Klimawandels in Frage zu stellen. Das Geld kommt von ExxonMobil und von den Brüdern Charles und David Koch, die die Verbreitung der Thesen der Klimaskeptiker fördern. In Deutschland hat die Rolle jetzt RWE übernommen, mit RWE-Manager Fritz Vahrenholt an der Spitze.
Online-Redaktion: Der amerikanische Thinktank, dessen Dokumente veröffentlicht wurden, ist das Heartland Institute in Chicago. Wie arbeitet dieses Institut?
Karsten Smid: Das Heartland Institute finanziert sich durch solch unredliche Kampagnenarbeit. Es bezahlt beispielweise den Klimaskeptiker Fred Singer. Er reist dann in der ganzen Welt herum und verbreitet unsinnige Behauptungen zu Fragen des Klimawandels.
Heartland finanziert auch Studien, die den Klimawandel leugnen und den Weltklimarat diffamieren. Die Klimaleugner vom Europäischen Institut für Klima und Energie (EIKE) übersetzen diesen wissenschaftlichen Murks - unter anderem von Fred Singer - und vertreiben ihn über den Buchhandel. Holger Thuss, Vorsitzender vom Committee for a Constructive Tomorrow (CFACT)-Europe, betreibt in Jena einen Verlag, der das herausgibt. Der Verein CFACT-Europe ist ein Ableger vom amerikanischen CFACT, der wiederum Gelder von ExxonMobil bekommt. Thuss ist gleichzeitig auch Präsident von EIKE. So schließt sich der Kreis.
Online-Redaktion: Ist es normal, dass wissenschaftliche Einrichtungen solch hohe Spendengelder von Großkonzernen bekommen wie das Heartland Institute? Kann man deren Arbeit dann noch als unabhängig bezeichnen?
Karsten Smid: Nein, das sind keine wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Arbeit ist nicht unabhängig. Diese Leute betreiben über informelle Zirkel übelste Meinungsmache - eine perfide Manipulation der öffentlichen Stimmung, die zutiefst antidemokratisch ist. Das ist politische Propaganda gegen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit, denn Kapital schlagen daraus nur die Konzerne. Leidtragende sind die Ärmsten der Armen, die die Folgen des Klimawandels als erstes zu spüren bekommen.
Online-Redaktion: Funktioniert das in Deutschland beziehungsweise in Europa ähnlich wie in den USA?
Karsten Smid: Uns ist vor ein paar Jahren ein internes Dokument zugespielt worden, das belegt, wie amerikanische Thinktanks in Europa Stimmung gegen Klimaschutz machen wollen. Das Papier wendet sich an RWE. Darin heißt es: Industrieorganisationen seien die falsche Plattform - stattdessen solle RWE Klimaskeptiker unterstützen. Dies habe bereits zu großen Erfolgen in den USA geführt. RWE hat mit Fritz Vahrenholt einen profilierungssüchtigen Provokateur gefunden, der diese zweifelhafte Arbeit jetzt macht.
Online-Redaktion: Welche Folgen wird diese Veröffentlichung von internen Dokumenten des Heartland Institute und vom Klimaskeptiker Chris Horner deiner Meinung nach auf die Diskussion um den Klimawandel haben?
Karsten Smid: Die Dokumente beweisen, dass Konzerne hinter den Kampagnen der Klimaskeptiker stecken. Der Fundraising-Plan des Heartland Institute für das Jahr 2012 zeigt einen perfiden Plan, mit dem die etablierte Klimawissenschaft und der Weltklimarat mit Desinformationskampagnen unterminiert werden soll.
Die Präsentation des Klimaleugners Chris Horner zeigt auf, dass die amerikanischen Klimaleugner bereits vor Jahren aktiv auf RWE zugegangen sind, um Desinformationskapagnen im US-Stil auch in Europa und in Deutschland zu initiieren. Vahrenholts Buch Die kalte Sonne ist letztendlich das Resultat dieser Bemühungen.
Das Problem dabei ist, dass die Skeptiker nicht zum Ziel haben, die etablierte Klimawissenschaft zu widerlegen. Ihnen reicht es, Zweifel zu streuen und damit notwendige politische Entscheidungen zu verzögern. Fred Singer hat früher für die Tabakindustrie gearbeitet und behauptet, dass Passivrauchen nicht krebserregend sei. Heute bekommt er vom Heartland Institute fünftausend Dollar im Monat plus Auslagen, um den Klimawandel zu leugnen und zu behaupten, dass die CO2-Abgase aus den Kohlekraftwerken nicht klimaschädlich seien. Da unterscheidet er sich auch nicht von Vahrenholt: Der hat sein Geld von RWE bekommen - und RWE ist mit 165 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß Europas größter Klimakiller.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch.
Karsten Smid ist Klimaexperte bei Greenpeace.