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Lucas Wahl/Greenpeace

“Dafür stehe ich nicht zur Verfügung”, erklärte vergangenen Freitag Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. Gemeint ist die Zukunftskommission Landwirtschaft, in die er im September 2020 von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berufen wurde – gemeinsam mit weiteren Vertreter:innen aus Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft sowie Agrar- und Lebensmittelwirtschaft. Deren Auftrag war, Empfehlungen für eine nachhaltige, ökonomisch tragfähige und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft zu erarbeiten. Nun hat er seinen Ausstieg aus dieser Kommission verkündet. Im Interview begründet Kaiser die Entscheidung.

Greenpace: Du hast die Zukunftskommission Landwirtschaft verlassen. Was ist der Grund für den Ausstieg?

Martin Kaiser: Eine von der Regierung eingesetzte Kommission braucht politische Relevanz, wenn sie dazu beitragen soll, die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten. Diese Relevanz ist der Zukunftskommission in der vergangenen Woche von der Kanzlerin und ihrer Landwirtschaftsministerin abgesprochen worden: Denn bei der wohl wichtigsten Weichenstellung für die Agrarpolitik in diesem Jahrzehnt, nämlich der Entscheidung darüber, wie Steuergelder in Milliardenhöhe in den kommenden Jahren als Agrarsubventionen verteilt werden, soll die Zukunftskommission nicht mitreden dürfen. Die EU-Agrarförderung ist aber entscheidend, um jetzt den Umbau der Landwirtschaft voranzutreiben.

Wir können die Klimaziele in der Landwirtschaft nur erreichen und das dramatische Artensterben auf dem Land nur stoppen, wenn wir Landwirtinnen und Landwirte unterstützen und gezielt fördern, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen. Julia Klöckner denkt aber gar nicht daran. Die Bundeslandwirtschaftsministerin will, mit Rückendeckung der Kanzlerin, mehr als 40 Mrd. Euro weitere sieben Jahren lang nach dem Gießkannenprinzip in der deutschen Landwirtschaft verteilen. Die Betriebe mit den größten Ackerflächen sollen auch künftig die meisten Subventionen als Direktzahlungen erhalten -  weitgehend unabhängig davon, ob sie ökologisch wirtschaften. Julia Klöckner will in den nächsten Wochen ihren Gesetzentwurf dazu durchpeitschen. Der sieht vor, dass die Förderung von Umweltmaßnahmen weiter zusammengestrichen wird, statt sie deutlich auszubauen. Die Zukunftskommission soll dabei außen vor bleiben und lediglich Empfehlungen abgeben, die die fernere Zukunft betreffen. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. 

Warum hast du dich denn im vergangenen Jahr dazu entschieden, in der Zukunftskommission Landwirtschaft mitzuarbeiten? 

Ich bin im September der Einladung der Bundeskanzlerin gefolgt, Greenpeace in der Kommission zu vertreten. Denn wir brauchen eine echte Agrarwende, damit die Treibhausgasemissionen deutlich sinken und die Artenvielfalt bewahrt wird. Dazu müssen wir einen breiten gesellschaftlichen Dialog darüber führen, wie eine nachhaltige Landschaft in Zukunft unsere Versorgung mit gesunden Lebensmitteln und faire Einkommen für Bäuerinnen und Bauern sichert. Weil die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) das wichtigste Werkzeug zum Umbau der Landwirtschaft ist, hatte die Zukunftskommission auch das klare Mandat, Empfehlungen zur Reform der GAP abzugeben. Die sollten gehört und berücksichtigt werden, bevor die nationale Umsetzung der Agrarförderung beschlossen ist. Angela Merkel hat das in der ersten Sitzung betont und wir haben erwartet, dass die Bundesregierung bereit ist, die Ergebnisse dieses Dialogs in der Zukunftskommission ernst zu nehmen und in politisches Handeln umzusetzen. Nach dem Gespräch der Kommission mit der Kanzlerin und der Landwirtschaftsministerin am Dienstag vergangener Woche mussten wir erkennen, dass das nicht der Fall ist. 

Wie sieht deine Bilanz der Arbeit in der Kommission aus?

In den vergangenen Monaten habe ich in der Kommission gemeinsam mit den Vertreter:innen der Umwelt- und Tierschutzverbände, Wissenschaftler:innen und den Vertreter:innen von Landwirtschaft, Wirtschaft, Einzelhandel und Verbraucher:innen sehr intensiv gearbeitet. Wir haben nach Lösungen gesucht und um Kompromisse gerungen. Gerade die Arbeitsgruppe, in der es um die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik ging, war ein großes Stück vorangekommen. Bis dann kurz vor Verabschiedung der gemeinsamen Position schon erreichte Kompromisse - etwa zum Ausstieg aus den Direktzahlungen - vom Deutschen Bauernverband und den Vertreter:innen der Agrarindustrie einseitig aufgekündigt wurden.

Für uns war dieses Ergebnis ein sehr wichtiger Punkt. Denn wir fordern schon lange, dass die Direktzahlungen auslaufen und die frei werdenden Mittel für eine gezielte Förderung von Maßnahmen zum Klima-, Umwelt- und Artenschutz in der Landwirtschaft verwendet werden. Offenbar wurde im Hintergrund ein übles Spiel gespielt, bei dem Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied und Klöckner die Fäden gezogen haben. Der Kompromiss zur GAP wurde verhindert, weil man offenkundig kein Interesse hatte, dass die Kommission im laufenden politischen Prozess ein Zeichen setzt.

Aber der Bauernverbandspräsident ist doch selbst Mitglied der Kommission.

Das stimmt. Aber Joachim Rukwied hat gerade mal an zwei Kommissionssitzungen teilgenommen und in keiner einzigen Arbeitsgruppe mitgearbeitet. Der Präsident des Bauernverbands hatte also ganz demonstrativ Wichtigeres zu tun, als sich mit der Zukunft der Bäuerinnen und Bauern zu befassen und einen breiten gesellschaftlichen Rückhalt für eine zukunftsweisende Agrarpolitik zu organisieren. Lieber sorgt er mit Julia Klöckner dafür, dass die Agrarpolitik von gestern fortgesetzt wird. Eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Zukunft der Landwirtschaft ist aber nicht möglich, wenn der wichtigste Vertreter der Landwirt:innen sich daran nicht beteiligt. Zwar hat Rukwied seinen in vielen Belangen dialogbereiteren Stellvertreter Werner Schwarz in die Kommission geschickt. Offenbar wollten die beiden in der Kommission aber nur Good Guy/Bad Guy mit uns spielen und sich alle Möglichkeiten offen halten.  

Wie muss die Agrarförderung gestaltet werden, um die Zukunft der Landwirtschaft zu sichern?

In der Agrarförderung muss das Prinzip gelten: Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Dies gilt umso mehr, wenn die öffentlichen Haushalte mit der Bewältigung der Corona-Krise belastet und die finanziellen Spielräume ausgereizt sind. Deshalb sollten die Subventionen für die Landwirtschaft in den kommenden Jahren besonders umsichtig eingesetzt werden. Angesichts der Herausforderungen vor denen wir als Gesellschaft stehen, muss auch in der Landwirtschaft die Bewältigung der Klimakrise und der Schutz der Artenvielfalt höchste Priorität haben.

Wenn wir die jährlich sechs Milliarden Euro Fördermittel, die im Rahmen der GAP nach Deutschland fließen, nicht für die gezielte Förderung von Umweltmaßnahmen auf den Höfen verwenden, fehlen die finanziellen Mittel für den unvermeidlichen Umbau. Darauf zu hoffen, dass die Steuerzahler:innen in Zeiten leerer öffentlicher Kassen bereit sein würden, zusätzliche Milliardenbeträge für die Agrarförderung aufzubringen, wäre fahrlässig. Denn es ist kaum damit zu rechnen, dass sich diese Hoffnung erfüllt. Wenn sich die ökologische Krise verschärft, müssen ordnungspolitische Vorgaben durchgesetzt werden, während gleichzeitig das Agrarfördergeld ungezielt verteilt wird. Das ist ein Subventionsmodell ohne Zukunft, von dem wir uns zum Wohle der Landwirt:innen und der Umwelt besser heute als morgen verabschieden sollten.

Was soll dein Ausstieg aus der ZKL bewirken?

Es braucht verantwortliche Politiker:innen, die wirklich zuhören, die von der Kommission erarbeiteten Ergebnisse aufnehmen und dann entschlossen handeln. Angela Merkel und Julia Klöckner sind dazu nicht bereit. Die Zukunftskommission darf aber nicht dazu missbraucht werden, überkommene Interessenpolitik der CDU/CSU für ihre angestammte Klientel aus der industriellen Landwirtschaft zu kaschieren. Wir stehen auch dafür nicht zur Verfügung. Wir wollen mit unserem Ausstieg ein klares Zeichen setzen, damit der gesellschaftliche Dialog, den viele in der Zukunftskommission mit großem Engagement führen, von der Politik ernst genommen wird. Dafür müssen auch die Vertreter:innen der Landwirt:innen bereit sein, sich an diesem Austausch ernsthaft zu beteiligen. 

Bei vielen der Umwelt- und Tierschützer:innen in der Kommission ist die Begründung deines Ausstiegs auf Verständnis gestoßen, sie unterstützen deine Forderungen, auch wenn sie selbst die Arbeit in der Zukunftskommission fortsetzen möchten. Vertreter:innen von Landwirtschaft und der Agrarindustrie haben sich dagegen kritisch geäußert. Sie bewerten dein Ausscheiden aus der Kommission als Beleg, dass Greenpeace zu einer konstruktiven Arbeit an den Problemen der Landwirtschaft nicht bereit ist. Was ist deine Antwort auf diese Kritik?

Greenpeace hat mehrfach bewiesen, dass wir gesellschaftliche Dialoge konstruktiv mitgestalten. Ich selbst war in der Kohlekommission der Bundesregierung und habe einen schwierigen Kompromiss - mit Sondervotum zum Ausstiegsdatum - mitgetragen. Die Entscheidung, dass ich mein Mandat in der Zukunftskommission Landwirtschaft niederlege, haben wir uns nicht leicht gemacht. Sie ist nach langen, reiflichen Überlegungen und Diskussionen im Agrarwendeteam von Greenpeace gefallen. Ich habe über Monate viel Zeit und Arbeit investiert, um in der Kommission zu konstruktiven Ergebnissen zu kommen. Dieses Engagement haben übrigens durch die Bank alle Mitglieder der Zukunftskommission gezeigt - mit Ausnahme des abwesenden Bauernverbandspräsidenten. Wenn man dann aber feststellen muss, dass die Ergebnisse dieser gemeinsamen Arbeit von den politisch Verantwortlichen ignoriert, ja sogar bekämpft werden, ergibt eine Fortsetzung der Arbeit keinen Sinn. Deshalb verstehen wir meinen Ausstieg als Weckruf. Wir können uns in der Landwirtschaft keine folgenlose Kommissionsarbeit und die Fortsetzung der Ankündigungs- und Aufschiebungspolitk von Julia Klöckner und Angela Merkel mehr leisten. Dafür sind die Herausforderungen viel zu drängend. Wir brauchen eine ernsthafte und breite gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft.

Wie wird sich Greenpeace an dieser Debatte weiter beteiligen?

An der Debatte haben wir uns vor meiner Berufung in die Zukunftskommission aktiv beteiligt - etwa auf Barcamps mit Landwirt:innen oder durch wissenschaftlich fundierten Studien wie zur Tierwohlabgabe, deren Ergebnisse von der Borchert-Kommission aufgenommen wurden. Und das werden wir selbstverständlich auch weiterhin tun - in den kommenden Monaten etwa mit Studien zum Abbau der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft. Oder indem wir weiter für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung kämpfen und Argumente für ein Fleischwerbeverbot in die Debatte einbringen. Den gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft und den Weg zur Agrarwende werden wir also auch außerhalb der Kommission engagiert und konstruktiv weiter führen!











 

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