Interview mit Modedesign-Professorin Martina Glomb zur Make Something Week
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Shoppen ist ein schrecklicher, nüchterner Prozess, findet Martina Glomb. Im Interview und auf der Make Something Week erzählt die Professorin für Modedesign, wie es besser geht.
Eine Halle voller Kreativer, die Sachen machen – folgerichtig heißt die Veranstaltung, die an diesem Wochenende in Berlin stattfindet MAKESMTHNG. „Mach etwas“, fordert die Reihe, die Greenpeace in der Vorweihnachtszeit in gut 60 Städten in Deutschland und aller Welt organisiert, darunter Rom, Hongkong, Barcelona und Peking. Alle Interessierten sind von heute bis Sonntag eingeladen, zuzuschauen und mitzumachen, wenn in der Berliner Kreativ-Fabrik Flutgraben Neues aus vorhandenen Materialien gefertigt wird. Die Teilnehmer werben damit für einen einfallsreichen und schonenden Umgang mit Ressourcen.
Sie nennen sich selbst „Maker“ – dabei kommen neue Technologien wie 3D-Drucker, aber auch ganz alte Handwerke wie Nähen und Stricken, Fermentieren und Färben zum Einsatz. Der Hintergrund: Der Konsum überflüssiger Waren richtet ökologische Schäden an, dazu gehören wachsende Müllberge, der hohe Energieverbrauch sowie steigende CO2-Werte aufgrund der Transporte um den Erdball. Das Motto der Veranstaltung, die heute beginnt, lautet darum: „Buy nothing, make something.“
Ebenfalls in Berlin dabei ist Martina Glomb, Professorin für Modedesign an der Hochschule Hannover. Sie betreut das Forschungsprojekt „Slow Fashion“, das sich mit nachhaltigen Strategien im Modedesign auseinandersetzt, außerdem diskutiert sie am Samstag beim Talk „Die Zukunft aus dem Drucker?“ mit. Im Interview spricht sie darüber, warum Selbermachen aufregender als Kaufen ist, und warum ihre Studierenden auf einmal wieder stricken können.
Greenpeace: Leute leben ökologisch bewusst, trennen den Müll, kaufen Bio, aber selbst die sagen von sich, sie hätten zu viele Klamotten. Warum ist es offenbar so schwierig, gerade in diesem Lebensbereich auf Nachhaltigkeit zu setzen?
Martina Glomb: Wir denken alle, wir leben nachhaltig, unser Selbstbild ist da aber immer ein bisschen besser als es tatsächlich sein müsste. Dass die Kleiderschränke vollhängen, wissen wir aus Untersuchungen. Aber womit eigentlich? Wir haben zum Beispiel in unserem Studiengang die Übung „Bad Taste Day“, da müssen die Studierenden etwas aus ihrem Schrank anziehen, in dem sie so schrecklich wie möglich aussehen. Daraus lässt sich viel lernen: Was ist für mich Qualität? Was steht mir? Was mag ich, warum mag ich etwas nicht? Das hilft, genau wie das Selbermachen von Kleidung, letztlich bessere Entscheidungen zu treffen und nicht so viele Fehlkäufe im Schrank zu haben.
Vom kurzfristigen Euphorieschub beim Shoppen ist offenbar schwer loszukommen. Aber wer Kleidungsstücke selber näht oder strickt, spricht dann auch gerne mal von „Stolz“ – kriegt man Leute damit vielleicht dazu, weniger zu kaufen: Übers Gefühl, wenn es schon über den Verstand nicht klappt?
Wenn man etwas selbst gemacht hat, ist man auch stolz darauf, das ist doch klar. Sogar auf die Fehler, die da drin stecken: eine Masche fallengelassen oder so. Das ist eben echt. So ein Objekt ist ja ein Zeitmesser: Wenn ich etwas stricke, wird das Teil meiner eigenen Lebensgeschichte. Wir haben mit jungen Leuten ein Slow-Fashion-Poster gemacht, das in ganz vielen deutschen Klassenräumen hängt. Ein Slogan darauf lautet: „Weniger kaufen, mehr erleben.“ Mehr lachen, mehr tanzen, mehr spielen. Das trifft doch den Punkt! Wir haben Jahrzehnte hinter uns, nach dem Wirtschaftswunder, in denen Kaufen ein Lustgewinn war. Freundinnen treffen sich samstags um neue Tops zu kaufen, und wenn die dann doch verkehrt sind, kann man sie ja wieder wegwerfen, kosten ja kaum mehr als eine Tüte Eis.
An der Stelle muss man gegensteuern. Das eigentliche Erlebnis ist doch: Man trifft sich, man zieht sich wild an, man geht aus. Das hat aber mit Shopping nichts zu tun. Leider sind die Begriffe Erlebnis und Konsum stark miteinander verbunden, die müssen wir wieder auseinander kriegen. Einkaufen muss man, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dann kann man sich überlegen, ob man wirklich diesen schrecklichen, nüchternen Prozess durchzieht.
Viele kaufen sich eher ein neues Hemd, als einen Knopf wieder anzunähen, auch weil sie es vielleicht gar nicht können. Ist dieses Wissen aufzufrischen der erste Schritt, dass Leute Kleidung wieder wertschätzen?
Genauso ist es. Nur was wir kennen, bewahren wir uns. Und das fängt mit so simplen Sachen wie Knöpfen annähen an. Wir gehen mit Projekten in die Schulen, auch weil dort der Kunstunterricht gekürzt wird. So etwas wie Werkunterricht gibt es kaum noch. Diese ganzen Techniken waren früher selbstverständlich. Da hat man nicht vorm Fernseher gesessen, sondern Äpfel für den Apfelkuchen geschält oder gestopft und gestrickt. Leute meiner Generation können das nebenbei, weil sie das eben von Kind auf gelernt haben. Dieses Können müssen wir uns wieder beibringen, aber auf eine lustige und wilde Art – nicht alleine auf der Couch, sondern in Repair-Cafés oder auf öffentlichen Plätzen.
Das haben Sie mit einem vielbeachteten Kunstprojekt versucht.
Ja, der Wollator, den wir mit Studierenden entwickelt haben, macht genau das: Der ist laut, der macht Krach, der klingelt und ist bunt. Das ist ein mit Wollspindeln versehener Einkaufswagen, den wir zum Fashion Revolution Day im vergangenen Jahr gebaut haben. Da ist ein Fahrradlenker draufgeschweißt und eine alte Strickmaschine aus den Achtzigern. Und tatsächlich hat genau das geklappt, was wir erreichen wollten: Die Leute sind stehengeblieben. Omas sagten: „Was, damit wollt ihr stricken? Ich zeig euch mal, wie das geht.“ Plötzlich strickten alte Leute und junge Leute gemeinsam an Wollresten. Den Wollator haben wir jetzt schon häufiger präsentiert, und er war immer ein Erfolg.
Beispielsweise durch YouTube-Tutorials werden jetzt alte Kulturtechniken wie Stricken, Häkeln und Nähen wieder populär und sogar cool gemacht. Sehen Sie in der Vernetzung eine große Chance?
Ja klar! Ohne die Digitalisierung wäre diese Maker-Bewegung gar nicht möglich. Aber wichtig ist eben auch, dass man die alten Techniken mit den neuen verbindet, dass man fließend von einer zur anderen springt. Das passiert natürlich auch durch solche Tutorials. Alle meine Studenten können dadurch Armstricken, da kann ich als Dozentin ganz anders ansetzen. Jeder, der eine neue Technik lernen will, macht das heutzutage über solche Tutorials. Das sofort ausprobieren zu können – da ist ja viel mehr Spannung drin als beim gemeinsamen Shoppen. Ohne Internet oder digitale Techniken – unmöglich!
Für manche ist ja der Weg zur Nachhaltigkeit Minimalisieren, also dass man nur sehr wenige Stücke behält. Ist das auch ein richtiger Weg – oder für Sie als Modedesignerin zu langweilig?
Minimalismus ist sehr beschränkend – und ich glaube auch, dass die Versuchung groß ist, wenn man nur graue einfach geschnittene Teile hat, etwas anderes zu kaufen. Für manche funktioniert das trotzdem gut. Aber genau darüber wollen wir als Modedesigner auch sprechen, ohne gleich zu sagen, Minimalismus ist gut oder schlecht.
Denn das ist bestimmt ein richtiger Weg, aber garantiert nicht meiner. Ich kaufe schon seit vielen Jahren so gut wie nichts, aber ich bin zugegebenermaßen auch Profi. Man muss dafür ein bisschen üben und auch Mut haben, aber dann kann man mit dem auskommen, was da ist. Das darf auch radikal sein, zum Beispiel indem man den Ärmel eines Pullovers an einen alten Mantel näht.