Niob: begehrtes seltenes Metall
- mitwirkende Expert:innen Alexander Lurz
- Hintergrund
Niob (auch Niobium genannt) ist ein seltenes Metall, das heiß begehrt wird. Es kann für die Energiewende und in der Bauindustrie verwendet werden. Besonders wichtig ist es aber für die Rüstungsindustrie. Nun möchte die EU die Beschaffung des begehrten Rohstoffs über den Green Deal unterstützen und nutzt dabei die Anwendung für die Energiewende als Feigenblatt.
Niob gehört für die EU zu den kritischen Rohstoffen. Er steht daher auf der Rohstoff-Liste des “critical raw materials act” (CRM-Act), einer EU-Verordnung. Diese ist Teil des “Green Deal Industrial Plan” (GDIP), also der EU-Strategie, die europäische Industrie bis 2050 klimaneutral zu machen. Durch den CRM-Act soll für die Industrie der Zugang zu den dafür notwendigen Rohstoffen sichergestellt werden. Also auch Niob (Niobium).
Exemplarisch an diesem Rohstoff hat die Universität Sussex in Zusammenarbeit mit dem Transnational Institute (TNI) und Greenpeace in der Fallstudie “Niob and the EU” untersucht, ob diese neuen EU-Richtlinien ausschließlich der grünen Transformation dienen. Sie kommt zu dem Ergebnis: Zweifel sind berechtigt. Denn das Beispiel Niobium zeigt: Vom Critical Raw Materials Act profitiert neben Automobilherstellern und der Luftfahrtindustrie auch die Rüstungsindustrie.
Was sind CRM-Act und Green Deal?
Der Europäische Green Deal (EGD), wurde 2019 von Ursula von der Leyen ins Leben gerufen. Er ist Kern der ambitionierten Bemühungen, die europäische Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Sie soll mit einer grünen Technologieindustrie eine weltweite Vorreiterrolle übernehmen, wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz sollen keine Gegensätze mehr sein. Damit das funktioniert, wird die EU in den nächsten Jahren viel Geld ausgeben. Allein die Europäische Investitionsbank wird im Rahmen eines “Green Deal Industrial Plans” (GDIP) mehr als 45 Milliarden Euro dafür bereitstellen, die europäische Industrie umweltfreundlich zu gestalten. Viele der dafür benötigten Rohstoffe kommen nicht aus der EU selbst. Sie müssen importiert werden, die Konkurrenz um die begehrten Rohstoffe auf dem Weltmarkt ist groß. Daher wurde von der EU der “Critical Raw Materials Act” (CRM-Act) erlassen. Der CRM-Act ist ein zentraler Bestandteil des GDIP. Er soll mit Investitionen, strategischen Partnerschaften und Handelsabkommen den Zugang zu kritischen Rohstoffen absichern, die für die grüne Transformation notwendig sind.
Niob (Niobium) wird nahezu ausschließlich als Bestandteil von Aluminiumlegierungen verwendet, also als Metall. Diese haben, im Vergleich zu vielen anderen Metallen, besonders günstige Materialeigenschaften. Sie sind vergleichsweise leicht, flexibel und besonders hitzebeständig. Daher hat Niobium, wie von beteiligten Firmen immer wieder betont wird, durchaus ein Potenzial, zum grünen Umbau der EU-Industrie beizutragen. Es kann beispielsweise für die Türme von Windkraftanlagen verwendet werden. Und potenziell kann Niobium auch in Batterien für Elektrofahrzeuge genutzt werden. Die Niobium-Industrie wirbt stark mit diesem Argument. Breite Verwendung findet das Metall dort momentan jedoch bislang nicht.
Im Moment wird der Rohstoff mengenmäßig am meisten in der Bauindustrie verwendet. Besonders wichtig aber ist das Material für die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie. Hier wird Niob (Niobium) in Turbinen von Helikoptern und Kampfjets genutzt, ebenso in Raketenantrieben. Und auch für Hyperschallwaffen ist der Rohstoff essentiell: Das ist eine neue militärische Technik, die sich noch in der Entwicklung befindet und das globale System der militärischen Abschreckung aus den Fugen geraten lassen könnte.
Niob: wichtig für Hyperschallwaffen
Das Besondere an Hyperschallwaffen ist, dass sie manövrierbar sind und sich nicht auf einer berechenbaren Flugbahn bewegen. Sie fliegen mindestens mit fünffacher Schallgeschwindigkeit. Vorhandene Abwehrsysteme sind nicht dafür ausgelegt, solche Gefahren abzuwehren. Das Center for strategic & international Studies, ein anerkannter amerikanischer Think Tank, schreibt, die strategische Bedeutung von Niob für die Verteidigungssysteme der nächsten Generation könne nicht überschätzt werden. “Auf dem großen Schachbrett der Verteidigungs- und Geopolitik hat sich Niobium als [Material] von herausragender Bedeutung erwiesen."
Die Rüstungsindustrie interessiert sich also in besonderem Maße für den Rohstoff und hat allen Grund zur Sorge, wenn es um die Absicherung der Versorgung geht. Denn die von der Universität Sussex vorgelegte und von Greenpeace unterstützte Studie macht durch das aufwendige Kartieren der Lieferketten deutlich, dass die Versorgungslage fragil ist. Denn im Handel mit Niob sind nur wenige Firmen involviert. Mehr als 80 Prozent der globalen Niob-Produktion findet in Brasilien statt und wird von einer einzigen Firma, der Companhia Brasileira de Metalurgia e Mineração (CBMM), durchgeführt. Die Aufschlüsselung der Lieferketten zeigt: Mögliche Endabnehmer von Niobium könnten große Rüstungsunternehmen wie Boeing, Northrop Grumman, Airbus, ThyssenKrupp oder die RTX Corporation sein. Absolute Aussagen hierüber können nicht getroffen werden. Denn Handelsbeziehungen können durch das Kartieren zwar festgestellt werden. Für den Ressourcen-Verbrauch von Firmen gibt es allerdings keine Informationspflicht. Die Studie macht also auch deutlich: Um nachvollziehen zu können, ob ein Rohstoff berechtigterweise auf der Liste des CRM-Act steht, ist wesentlich mehr Transparenz nötig.
Ähnlich: Titan und Aluminium
Niob (Niobium) ist nicht der einzige Rohstoff auf der EU-Liste der kritischen Rohstoffe (CRM-Act), bei dem ein genaueres Hinsehen lohnt. Der CRM-Act bezieht sich ebenso auf Titan und Aluminium. Auch hier profitiert eindeutig die Rüstungsindustrie, wie eine Recherche des Corporate Europe Observatory zeigt. Die Vermutung, es könnte weitere Rohstoffe geben, die durch den CRM-Act gefördert werden, aber nicht vorrangig der grünen Transformation dienen, liegt nah. Weitere Forschung ist dringend nötig.
Was ist Niob?
Niob (auch Niobium genannt) ist ein grau glänzendes Metall. das chemische Element hat das Elementsymbol Nb und die Ordnungszahl 41. Es hat erstaunliche Fähigkeiten. Aber vor allem ist es sehr selten. Früher war es unter dem Namen Kolombium (Columbium) bekannt.
Die Idee, eine Liste mit Rohstoffen aufzustellen, die für die europäische Industrie relevant und kritisch sind, ist nicht neu. Schon 2008 wurde die European Raw Materials Initiative ins Leben gerufen. Dabei ging es allerdings nicht um die CO₂-Reduzierung der europäischen Industrie. Ziel der Initiative war vielmehr, der gesamten Industrie zuverlässigen Zugang zu Rohstoffen zu gewährleisten und so ihre Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Auch die der Automobil-, Luftfahrt- und Rüstungsindustrie. Die in der Initiative formulierten Industrie-Bedarfe wurden nun im neuen CRM-Act adaptiert, einem Instrument, das eigentlich der grünen Wende dienen sollte. Während im Green Deal Industrial Plan (GDIP) nicht von der Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie die Rede ist, wird sie im CRM-Act explizit erwähnt.
Der Green Deal ist das wichtigste Instrument der EU für den Klimaschutz. Unter seinem Deckmantel dürfen allerdings keine klimaschädlichen Industrien, insbesondere nicht die Verteidigungsindustrie, gefördert werden. Daher muss der CRM-Act dringend angepasst werden. Dabei sollte transparent aufgezeigt werden, für welche Produkte die erwähnten Rohstoffe tatsächlich benötigt werden und wie die dazugehörigen Lieferketten aussehen. Ohne diese Maßnahmen droht der GDIP ausgehöhlt zu werden. Ernsthafte Bemühungen um den Klimaschutz stehen auf dem Spiel. Aber auch die Glaubwürdigkeit der EU.