
Verbrenner-Aus 2035: für Gesundheit und Klima
- Ein Artikel von Simone Miller
- mitwirkende Expert:innen Marion Tiemann & Dr. Benjamin Stephan
- Hintergrund
Das Ende neuer Verbrenner ab 2035 steht fest, doch es regt sich Widerstand. Droht eine Kehrtwende beim Aus für Benzin- und Dieselautos?
Der Straßenverkehr verursacht etwa ein Fünftel der klimaschädlichen europäischen CO2-Emissionen. Deshalb sollen ab 2035 neue Autos nicht mehr mit fossilem Diesel oder Benzin fahren und kein CO2 ausstoßen - diesen klimapolitischen und wirtschaftlichen Wendepunkt beschloss die EU im April 2023. Eine Ausnahme vom Verbrenner-Verbot soll es für umstrittene E-Fuels geben. Bis zum endgültigen Verbrenner-Aus bei Neuzulassungen müssen Autohersteller seit dem Jahr 2021 von der EU festgelegte CO2-Grenzwerte (Flottengrenzwerte) einhalten.
Kurz erklärt
Was sind Flottengrenzwerte?
Flottengrenzwerte sind gesetzlich festgelegte Obergrenzen für den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß aller in der EU neu zugelassenen Fahrzeuge eines Herstellers. Diese Werte sollen dazu beitragen, die Emissionen im Verkehrssektor zu senken und den Klimaschutz zu fördern. In Brüssel drängen immer mehr Autohersteller darauf, die CO₂-Flottengrenzwerte abzuschwächen. Diese sollen eigentlich schrittweise angepasst werden, bis ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden. Halten die Hersteller die Vorgaben nicht ein, drohen ihnen Strafzahlungen. Für 2026 ist eine Überprüfung der Ziele geplant. Sollte die EU dann beschließen, die Regeln zu ändern, könnten die Autobauer länger und mehr Verbrenner verkaufen. Fest steht: 2025 wird ein Schlüsseljahr, in dem die Weichen bis 2035 neu gestellt werden.
Derzeit schlägt die Stunde der Lobbyisten: Die europäische Autoindustrie und der Verband der Automobilindustrie (VDA) attackieren den Ausstieg aus dem Verbrenner. Und sie finden politisches Gehör: Auch die größte Fraktion im EU-Parlament will das Ende des Verbrenner-Verkaufs rückgängig machen – das steht auch in einem Positionspapier des europäischen Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, dem auch CDU/CSU und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angehören. Anfang März hat von der Leyen angekündigt, dass sie den Herstellern mehr Zeit geben will, um ihre CO2-Ziele zu erreichen – sofern das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen. Konkret sollen die CO2-Grenzwerte für Autos aufgeweicht werden: Die Hersteller sollen diese nun nicht mehr jedes Jahr einhalten müssen, sondern sie über drei Jahre miteinander verrechnen können.

Mit der Aufweichung der CO2-Grenzwerte für Autos erweist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Autoindustrie einen Bärendienst. Denn die diesjährige Verschärfung der Flottengrenzwerte zeigt bereits Wirkung: Menschen können E-Autos günstiger kaufen und die Zulassungszahlen steigen. Doch von der Leyens Ankündigung, den Forderungen der Autolobby nachzugeben, bremst diesen positiven Trend aus. Das schadet Klimaschutz, Verbrauchern und den Autobauern. Mit der Abschwächung der CO2-Grenzwerte sabotiert von der Leyen ihr eigenes Zukunftsprojekt, den Green Deal, der Europa in eine bessere Zukunft führen soll. Deutlicher kann man Zukunftschancen nicht verspielen und den Kurs zurück in die Vergangenheit lenken. Ein beschleunigter Umstieg vom Verbrenner auf kleine E-Autos wäre ein erster, wichtiger Schritt für mehr Klimaschutz beim Sorgenkind Verkehr. Zusätzlich braucht es eine Stärkung von Bus, Bahn und Fahrrad.
Mit der Abschwächung der CO2-Grenzwerte sabotiert von der Leyen ihr eigenes Zukunftsprojekt, den Green Deal, der Europa in eine bessere Zukunft führen soll.
Deutlicher kann man Zukunftschancen nicht verspielen und den Kurs zurück in die Vergangenheit lenken. Ein beschleunigter Umstieg vom Verbrenner auf kleine E-Autos wäre ein erster, wichtiger Schritt für mehr Klimaschutz beim Sorgenkind Verkehr.
Zusätzlich braucht es eine Stärkung von Bus, Bahn und Fahrrad.
Dabei ist der Ausstieg aus dem Verbrenner in zehn Jahren ein hart errungener europäischer Kompromiss. Die Umstellung auf abgasfreie Autos bietet viele Vorteile für Klima und Gesundheit. Wer einen Blick in die Zukunft werfen will, kann zum Beispiel nach Norwegen schauen: Hier sind neun von zehn Neuwagen inzwischen Elektroautos.
Warum Diesel und Benziner auslaufen müssen
Diesel- und Benzinfahrzeuge gelten als Auslaufmodelle, weil sie den steigenden Anforderungen an Klimaschutz, Luftqualität und Wirtschaftlichkeit nicht mehr gerecht werden. Ab 2035 sollen nach EU-Gesetz die Emissionsgrenzwerte für Neuwagen so niedrig liegen, dass Verbrennungsmotoren sie nicht mehr einhalten können. Ein Ende von Diesel und Benzin ist daher unvermeidlich. Das EU-Parlament hat beschlossen, die Menge an Treibhausgasen zu begrenzen, um Klimaziele zu erreichen. Eine Verschiebung des Verbrenner-Verbots würde dieses Ziel unerreichbar machen.
Der Übergang zu alternativen Antrieben – insbesondere Elektroautos – ist unumkehrbar. Diesel- und Benzinfahrzeuge werden in den kommenden Jahren immer unattraktiver, sei es durch gesetzliche Vorgaben, steigende Kosten oder den technologischen Fortschritt. Gegen die oft geforderte Einführung von E-Fuels als Ersatz für Diesel und Benzin sprechen ihre schlechte Energiebilanz und die hohen Kosten. Doch auch der klimaschädliche konventionelle Sprit wird ab 2027 deutlich teurer. Mit dem Ausstieg aus dem Verbrenner soll deshalb der Wandel zur Elektromobilität beschleunigt werden: Elektroautos sind effizient, klima- und gesundheitsfreundlich und auf lange Sicht kostengünstig im Vergleich zu Pkw mit Diesel- oder Verbrennungsmotor.
Gesundheitsschutz durch Verbrenner-Ausstieg
Abgase aus Verbrennungsmotoren treiben nicht nur die Klimakrise an, sie schädigen auch die Gesundheit. Besonders bei winterlichen Inversionswetterlagen wie im Februar 2025 warnen Expert:innen vor den Gesundheitsgefahren durch Feinstaub, den vor allem Verbrenner freisetzen. Luftverschmutzung verursacht jährlich mehr als 300.000 Todesfälle in Europa. Auch Greenpeace hat bereits darauf hingewiesen, dass Feinstaubpartikel, vor allem aus dem Autoverkehr, tief in die Atemwege eindringen und schwere Krankheiten wie Asthma, Diabetes, Herz-, Lungen- und Kreislauferkrankungen sowie Krebs auslösen können. Besonders gefährlich sind ultrafeine Partikel, die nicht nur die Lungenbläschen erreichen, sondern auch in die Blutbahn gelangen können, was langfristig das Risiko für Herzinfarkte erhöht. Mehr als 500 Ärztinnen und Ärzte haben Ende Februar EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen aufgefordert, am geplanten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor festzuhalten. In einem offenen Brief warnen die Mediziner vor den gesundheitlichen Folgen einer Verzögerung.
Die von der EU beschlossenen CO2-Flottengrenzwerte und das für 2035 geplante Ende neuer Verbrenner sind entscheidende Schritte, um die Gesundheit von Millionen Menschen zu schützen. Eine bessere Luftqualität würde der europäischen Volkswirtschaft Milliarden an Gesundheitskosten ersparen. Und der Ausstieg in zehn Jahren ist bereits ein Kompromiss: Um einen Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel zu leisten, müsste der letzte Verbrenner in Europa schon 2030 zugelassen werden.
Fragen und Antworten zum Verbrenner-Aus
Worum geht es beim Verbrenner-Aus?
Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bedeutet, dass Autos mit Benzin- und Dieselmotoren nach 2035 nicht mehr neu zugelassen werden dürfen. Ziel ist es, den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor zu senken, die Luftqualität zu verbessern und den Umstieg auf klimafreundliche Antriebe wie Elektrofahrzeuge zu fördern. Der Verbrenner-Ausstieg ist ein zentraler Schritt für den Klimaschutz und eine nachhaltige Verkehrswende.
Die Autohersteller sind verpflichtet, den CO2-Ausstoß ihrer jährlich verkauften Pkw-Flotte zu senken. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß neu zugelassener Autos im Vergleich zu 2021 um 55 Prozent sinken, bis 2035 auf null. Mit diesem Gesetz lenkt die EU den Verkehr klar in Richtung Elektromobilität: Als Maßstab gilt allein der CO2-Ausstoß am Auspuff. Nach heutigem Stand erfüllen nur Elektroautos oder Wasserstoff-Fahrzeuge mit Brennstoffzellen diese Vorgaben.
Gilt das Verbrenner-Aus auch für Gebrauchtwagen?
Gebrauchte Verbrenner genießen Bestandsschutz, denn die EU-Mitglieder haben Autos, die vor 2035 gekauft wurden, vom Verbrenner-Verbot ausgenommen. Ein Verkaufsverbot für gebrauchte Benziner oder Diesel existiert nicht. Das Gesetz betrifft nur Pkw, die ab dem 1. Januar 2035 neu zugelassen werden. Das bedeutet, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die vor 2035 zugelassen wurden, auch danach noch genutzt werden können. Allerdings könnte der Betrieb durch steigende Kraftstoffpreise, strengere Umweltzonen oder höhere Steuern zunehmend unattraktiver werden.
Welche Rolle spielen E-Fuels?
Deutschland und die EU haben beschlossen, bis Herbst 2024 eine neue Fahrzeugkategorie namens "E-Fuels only" einzuführen. Autos mit diesem Label dürfen laut dem Kompromiss von März 2023 auch nach 2035 zugelassen werden. Sie sollen zwar mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sein, aber ausschließlich synthetische Kraftstoffe nutzen.
Die EU-Kommission hat bereits erste Kriterien für die Zulassung dieser Fahrzeuge vorgestellt. Dazu könnte die Pflicht gehören, eine Abschaltvorrichtung in Neuwagen einzubauen. Diese würde verhindern, dass der Motor anspringt, wenn das Auto mit fossilem Kraftstoff betankt wird. Doch solche Überwachungstechnik lässt sich leicht manipulieren – vor allem, weil diese Modelle auch als herkömmliche Verbrenner in anderen Märkten verkauft werden. Wie man sicherstellt, dass diese Autos keinen Erdöl-basierten Sprit tanken, bleibt ungeklärt. Derzeit ist zudem breiter Konsens, dass synthetische Kraftstoffe in ausreichenden und bezahlbaren Mengen für den Autoverkehr reines Wunschdenken sind.
Was will die Auto-Lobby?
In Brüssel kämpft die Autoindustrie seit Monaten in einem Strategiedialog gegen das Verbrenner-Aus – mit ersten Erfolgen: Kommissionspräsidentin von der Leyen musste vor ihrer Wiederwahl bereits Zugeständnisse bei E-Fuels machen. Doch einigen Autoherstellern und konservativen EVP-Abgeordneten reicht das nicht. Sie drängen auf abgeschwächte CO₂-Flottengrenzwerte und Ausnahmen für Plug-in-Hybride, die Verbrennungs- und Elektromotoren kombinieren. Sollten sich die Autoindustrie und die EVP mit der Kehrtwende beim Verbrenner-Aus durchsetzen, müsste die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen sie vorschlagen. Die Behörde kann als einzige EU-Institution Gesetze und Änderungen initiieren. Zudem braucht es im Europaparlament und unter den EU-Staaten eine ausreichende Mehrheit.
Welche Rolle spielt Volkswagen als weltweit zweitgrößter Autohersteller?
Noch im März 2024 unterstützte Volkswagen das europäische Ausstiegsdatum für Verbrenner. Auf der jährlichen Konzern-Pressekonferenz erklärte VW-Chef Oliver Blume, sein Haus werde an der Entscheidung festhalten. „Heutige Elektrofahrzeuge sind Verbrennern haushoch überlegen“, sagte Blume. „Auch aus Klimaschutzgründen müssen sie es sein.“ Doch wegen schleppender E-Auto-Absätze plant Volkswagen im Februar 2025, Autos mit klimaschädlichen Verbrennungsmotoren doch deutlich länger zu verkaufen als bisher zugesagt. Die Marken VW und Audi wollen über das bisherige Enddatum 2033 hinaus Modelle mit Benzin- und Dieselmotor anbieten. Zuvor hatte bereits die VW-Marke Porsche angekündigt, wieder verstärkt in Verbrenner zu investieren.
Schon die ursprünglichen Ausstiegspläne des Konzerns widersprechen den Pariser-Klimaschutzzielen - zu denen sich VW eigentlich bekennt. Greenpeace klagt deshalb seit 2021 gegen den VW-Konzern und fordert mehr Einsatz für den Klimaschutz. VW’s zögerlicher Umstieg auf E-Autos belastet das Klima und verringert das Angebot erschwinglicher Elektrofahrzeuge. In einem offenen Brief fordern Greenpeace und weitere Umweltverbände Oliver Blume auf, am Verbrenner-Aus 2035 festzuhalten: „Das Aufweichen der CO₂-Flottengrenzwerte auf europäischer Ebene befeuert die Klimakrise. Der Wechsel von Verbrennern zu E-Autos ist unvermeidlich und muss ohne Verzögerung erfolgen.“
Seit wann arbeitet Greenpeace zum Verbrenner-Ausstieg?
Greenpeace setzt sich seit vielen Jahren für den Ausstieg aus Verbrennungsmotoren ein, um den Klimaschutz voranzutreiben und die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Bereits 2017 forderte die Umweltorganisation, ab 2025 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, um bis 2035 den Verkehr in Deutschland vollständig ohne Öl zu gestalten. Eine von Greenpeace beim „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass eine radikale Wende in der Verkehrspolitik nötig ist: Konkret werden höhere Steuern für schon zugelassene Autos und ein Zulassungsverbot für neue Autos mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2025 vorgeschlagen.
Im Laufe der Jahre haben Greenpeace-Aktive verschiedene Aktionen und Studien durchgeführt, um auf die Notwendigkeit eines schnellen Verbrenner-Ausstiegs hinzuweisen. Aktuell engagieren sich Greenpeace-Aktivist:innen durch Kampagnen, Petitionen und rechtliche Schritte für einen beschleunigten Ausstieg aus der Verbrenner-Technologie und die Förderung nachhaltiger Mobilitätslösungen.