VWs gebrochene Versprechen
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Auf der Hauptversammlung inszeniert sich Volkswagen wieder als Vorreiter beim Klimaschutz. Ein Greenpeace-Report zeigt: Seine Klimaversprechen hat der Konzern regelmäßig gebrochen.
Bevor Herbert Diess zu den Aktionären an den Bildschirmen spricht, soll ein Video den Ton für die folgende Rede setzen: Die neuesten Elektromodelle des Konzerns sausen durch grüne Landschaften, ein Bus des Mobilitätsdienstleisters MOIA taucht auf. Dazu der Slogan: “Intensify Decarbonization” - die Dekarbonisierung verstärken. Die Botschaft ist klar: Volkswagen fährt beim Klimaschutz vorneweg, setzt auf saubere Antriebe und CO2-arme Mobilitätsdienste.
Auch in Diess’ Ausführungen auf der diesjährigen Hauptversammlung nimmt der Klimaschutz die wichtigste Rolle ein: Der VW-Vorstandsvorsitzende geht gleich zu Beginn seiner Rede auf die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein, sagt: “Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine Jahrhundertaufgabe.”
Als Beitrag dazu wolle VW den CO2-Fußabdruck seiner Fahrzeuge bis 2030 um 30 Prozent reduzieren, so Diess. Der Konzern sei außerdem auf dem Weg, bis 2025 Weltmarktführer für E-Mobilität werden, baue Schnellladenetze aus und entwickle autonom fahrende Busse.
Gut im Versprechen, schlecht im Halten
Das klingt gut, nach moderner, sauberer Mobilität, nach Verantwortung und Ehrgeiz. Doch wie wenig wert solche Ankündigungen sind, zeigt eine neue Greenpeace-Recherche, die Berichte des Autobauers sowie Redemanuskripte und Interviews von VW-Verantwortlichen der vergangenen Jahre auswertet.
Der Blick in die jüngere Vergangenheit weckt Zweifel an VWs vollmundigen Ankündigungen zu Klima und Umwelt - denn bislang hat der Konzern seine Versprechen auf diesem Feld regelmäßig gebrochen. So hatte VW bereits einmal das Ziel, Weltmarktführer für E-Mobilität zu werden. 2018 sollte es so weit sein - tatsächlich landete der Konzern in jenem Jahr abgeschlagen auf Platz 9.
Entgegen seiner jüngsten Versprechen, die Einführung von Elektroautos zu beschleunigen, hat Volkswagen zudem sein kurzfristiges Ziel für die Elektrifizierung abgeschwächt. Den Anteil von Elektroautos am Gesamtabsatz im Jahr 2025 beziffert VW aktuell mit “bis zu 20 Prozent” - je nach Absatzentwicklung rund zwei bis 2,4 Millionen Fahrzeuge. Zuvor hatte VW stets von “bis zu 3 Millionen” Elektroautos in 2025 gesprochen.
Darüber hinaus lobbyiert Volkswagen bei der EU für Plug-in-Hybride, um auch noch in zehn Jahren von einer Mehrfachanrechnung dieser umstrittenen Fahrzeuge zu profitieren. Der Lobby-Vorstoß steht im Widerspruch zu früheren Aussagen von Herbert Diess, wonach nur eine Fokussierung auf Elektroautos als Leittechnologie das Auto im erforderlichen Tempo klimakompatibel machen könne.
Und auch bei MOIA sind die Ankündigungen längst von der Realität eingeholt: Bis 2021 sollte der Ridepooling-Dienst in “mehr als 20 Städten” aktiv sein. Tatsächlich aber gibt es MOIA bislang nur in Hamburg und Hannover.
Entsprechend vorsichtig sollten die zugeschalteten Aktionärinnen und Aktionäre sein. Nicht alles, was Volkswagen verspricht hält der Konzern auch. Gerade im Schutz des Klimas ist Unzuverlässigkeit inzwischen riskant. Sie kann teuer werden, wenn Strafen fällig werden. Noch gefährlicher aber ist, dass der Konzern damit seine Akzeptanz aufs Spiel setzt. Das katastrophale Hochwasser hat schmerzhaft unterstrichen, dass schwacher Klimaschutz Menschenleben gefährdet. Unternehmen mit einem so gigantischen CO2-Fußabdruck wie Volkswagen müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie genug dafür tun, dass solche Katastrophen in Zukunft nicht häufiger eintreten werden.