
Asyl- und klimapolitische Forderungen der Union rechtlich nicht haltbar
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In Wahlkampf- und Sondierungszeiten spuckt die Union markige Töne, vom Aus des Lieferkettengesetzes bis hin zu dauerhaften Grenzkontrollen für Migrant:innen. Doch was von den Ankündigungen ist überhaupt rechtlich zulässig? Ein Gutachten der Hamburger Anwaltskanzlei Günther untersucht die Asyl- und klimapolitischen Forderungen der Union und kommt zu dem Ergebnis, dass viele Maßnahmen gegen bestehende europäische und internationale Verpflichtungen verstoßen. PROASYL und Greenpeace rufen angesichts laufender Sondierungsgespräche zwischen SPD und Union Politiker:innen zu einer umsetzbaren und realitätsnahen Politik auf.
Das Abstract des Rechtsgutachtens liest sich vernichtend:
“Diese Kurzexpertise analysiert die von Friedrich Merz und der CDU/CSU im Wahlkampf 2024/2025 vorgeschlagenen Gesetzesvorhaben im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht, EU-Recht und Völkerrecht. Dabei werden erhebliche rechtliche Verstöße identifiziert, insbesondere gegen internationale Menschenrechtsverpflichtungen durch die geplante Abschaffung des Lieferkettengesetzes, gegen Umwelt- und Beteiligungsrechte durch die Einschränkung des Verbandsklagerechts sowie gegen Asyl- und Migrationsregelungen durch pauschale Zurückweisungen und unbefristete Inhaftierungen. Zudem gefährden steuerliche Entlastungen ohne Gegenfinanzierung die haushaltsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes, während die Abschaffung von Klimaschutzmaßnahmen gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verstößt. Die Umsetzung dieser Vorhaben wäre nicht nur rechtlich unzulässig, sondern würde auch erhebliche politische und wirtschaftliche Risiken mit sich bringen.“
Auf 45 Seiten untersucht die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Günther, zu der auch die bekannte Klimarechtsanwältin Roda Verheyen gehört, die Vereinbarkeit der von Friedrich Merz und der CDU/CSU im Wahlkampf 2024/2025 vorgeschlagenen Gesetzesvorhaben mit dem deutschen Verfassungsrecht, dem EU-Recht und dem Völkerrecht. Die Analyse zeigt erhebliche rechtliche Bedenken auf und identifiziert zahlreiche Verstöße gegen höherrangiges Recht. Hier nur exemplarisch einige Beispiele:
1. Migration: Rechtsstaat statt symbolischer Grenzpolitik
Eine dauerhafte, unbefristete Wiedereinführung von Grenzkontrollen ist ein Beispiel für diese rechtswidrigen Vorschläge. Solche Kontrollen sind aus zahlreichen Gründen nicht mit dem europäischen Recht vereinbar. Sie verstoßen zudem gegen den Integrationsauftrag im Artikel 23 Grundgesetz und sind somit voraussichtlich verfassungswidrig. Das Rechtsgutachten zeigt, dass eine pauschale Zurückweisung von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen im Widerspruch zur Dublin-III-Verordnung und zum Recht auf Asyl nach Artikel 16a Grundgesetz steht. Auch praktisch ist dieser Vorschlag nicht umzusetzen. Darüber hinaus verstößt die vorgeschlagene unbefristete Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Grundsatz der richterlichen Einzelfallprüfung, die im deutschen Grundgesetz sowie in der EU-Rückführungsrichtlinie verankert sind.

“Nationale Alleingänge gefährden den europäischen Zusammenhalt und bringen keine Lösungen. Nötig ist stattdessen die Einhaltung europäischer Standards, die allen Asylsuchenden ein faires Verfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen garantieren.”
2. Klima: Grundgesetz und Klima schützen
Im Bereich der Klimaschutzgesetzgebung stuft das Rechtsgutachten die angekündigte Abschaffung etwa des europäischen Zulassungsverbots für Neuwagen mit Verbrennungsmotor und das Gebäudeenergiegesetz als problematisch ein. Diese Maßnahmen zurückzunehmen gefährden die Klimaziele und stehen im Widerspruch zu Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen sichert.

“Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten, die europäischen Klimaziele zu erreichen, statt Maßnahmen zu verhindern, um auf den Pfad der Klimaneutralität zu kommen. Eine Politik, die unsere Lebensgrundlagen zur Verhandlungsmasse erklärt, können wir uns nicht länger leisten. Jede Regierung muss sich an geltendes Recht halten, ob es ihr gefällt oder nicht."
3. Lieferkettengesetz
Die geplante Abschaffung des Lieferkettengesetzes steht im Widerspruch zu internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen, da sie das Rückschrittsverbot des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verletzt. Zudem widerspricht sie der Corporate Sustainability Due Diligence Directive der EU und stellt somit einen klaren Verstoß gegen das EU-Recht dar.
Das sind nur drei Beispiele aus einer ganzen Reihe von vielen. Angesichts der aufgeheizten Gemengelage sind nun Schnellschüsse bei den Sondierungsgesprächen zwischen SPD- und Unions-Politiker:innen und für den zukünftigen Koalitionsvertrag zu befürchten. PROASYL und Greenpeace rufen zu einer umsetzbaren und realitätsnahen Politik auf. Das Rechtsgutachten formuliert es so:
“Die Analyse macht deutlich, dass viele dieser Vorhaben nicht nur rechtlich unzulässig sind, sondern auch politische Risiken mit sich bringen. Eine Umsetzung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu juristischen Auseinandersetzungen auf nationaler und internationaler Ebene führen, die sowohl den rechtlichen Rahmen als auch die politische Stabilität Deutschlands belasten könnten.”

Kurzexpertise zu Vorhaben der CDU/CSU
Anzahl Seiten: 45
Dateigröße: 527.08 KB
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