Nach der Flut von Ahr und Erft
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Das Wasser ist weg – doch ausgestanden ist die Katastrophe nicht. Greenpeace hat im Rheinland mögliche Gesundheitsfolgen der Überschwemmungen untersucht und Böden und Gewässer im Hochwassergebiet auf Giftstoffe überpüfen lassen.
Update vom 27. August 2021:
Greenpeace hat die im Überschwemmungsgebiet genommenen Boden- und Wasserproben ausgewertet. In zwei Fällen konnten unabhängige Labore Auffälligkeiten feststellen:
So finden sich in einer Probe von einer Pferdekoppel in Blessem erhöhte Werte des Lösungsmittels Toluol, auf einer Sperrmülldeponie im selben Ort wurde eine erhöhte Belastung mit Mineralöl-Kohlenwasserstoffen gemessen – beide Werte liegen über den von der Bundesumweltministerkonferenz verabschiedeten Unbedenklichkeitswerten (Zuordnungswert Z0) der „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen – Technische Regeln“ der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall.
Wo immer verunreinigte Flächen nachgewiesen werden, insbesondere solche mit sensibler Nutzung (damit sind zum Beispiel Kinderspielplätze und Sportplätze gemeint), müssen diese intensiv gereinigt werden – mit anschließender Kontrolle, ob die Plätze danach auch tatsächlich sauber sind. Auch landwirtschaftlich genutzte Flächen – für den Gemüseanbau oder die Tierhaltung – müssen entsprechend untersucht und gegebenenfalls instand gesetzt werden. Greenpeace ist weiterhin im Kontakt mit Behörden und Anwohner:innen vor Ort und stellt ihnen die Ergebnisse zur Verfügung.
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Artikel vom 27. Juli 2021:
Die schockierenden Bilder aus Orten wie Schuld oder Bad Neuenahr verschwinden so langsam aus der Berichterstattung, doch für die Menschen in den Überschwemmungsgebieten ist die Katastrophe längst nicht ausgestanden. THW, Feuerwehr und etliche Helfer:innen aus der Umgebung versuchen in der Region wieder so etwas wie Normalität herzustellen. Auch Greenpeace-Freiwillige hatten sich mit Pumpen und Generatoren auf den Weg gemacht, um in den vergangenen Tagen in Orten entlang der Erft anzupacken und aufzuräumen. Doch viele Menschen stehen hier buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz. So groß die Solidarität auch ist: “Normal” wird es vielleicht nie wieder.
“Wenn dieser Fukushima-Moment der Klimapolitik nicht zu sofortigem und konsequentem Handeln führt, verspielt die Bundesregierung endgültig jedes Vertrauen der zukünftigen Generationen”, sagt Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Chemie. Wie viele andere Freiwillige ist sie nach der Katastrophe ins Hochwassergebiet gereist, um zu helfen. Dabei gibt es Folgen der Überschwemmung, die nicht so leicht sichtbar sind wie die unmittelbaren Flutschäden.
Umweltschützer:innen mit mobilem Labor in NRW
Auch nachdem das Wasser gegangen ist, sind die Menschen hier einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt. “Die Gefahr für Menschen und Umwelt ist in den Hochwassergebieten noch lange nicht gebannt”, so Wohlgemuth. “Nach der verheerenden Zerstörung durch die Flut haben sich Chemikalien und Schadstoffe mit den Wassermassen zum Teil unkontrolliert über eine große Region verteilt.” Um mögliche Auswirkungen auf die Bewohner:innen einschätzen zu können, nehmen Greenpeace-Expert:innen ab heute stichprobenartig Boden- und Wasserproben im nordrhein-westfälischen Katastrophengebiet rund um den stark beschädigten Ort Blessem.
Die Proben werden vor Ort aufbereitet und anschließend zur Analyse an zertifizierte Labore übergeben. Besonderes Augenmerk legen die Greenpeace-Expert:innen dabei auf Kinderspiel- und Sportplätze, Privatgärten und Äcker; dort, wo sich Menschen aufhalten. Auch provisorische Mülldeponien, die sich vor Ort gebildet haben, werden untersucht. Mit dem Hochwasser sind Giftstoffe und Chemikalien in die Dörfer geflossen – aus zerstörten Heizöltanks, Industrieanlagen und Tankstellen sowie aus der aufgerissenen Kanalisation.
Darum untersucht Greenpeace Böden und Gewässer nach Verunreinigungen durch Mineralöle, Lösungsmittel, Asbest, Schwermetalle und weitere umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien. “Bevor diese Flächen wieder genutzt werden können, müssen das Ausmaß der Verschmutzung erkundet und eventuell vorhandene Schadstoffe durch fachgerechte Reinigungen beseitigt werden”, sagt Wohlgemuth.
Kosten der Klimakrise
Das sind Verluste der Klimakrise, die in den jetzigen Schadensberechnungen noch gar nicht eingepreist sind. “Kontaminierte Felder und verlorene Existenzen lassen die wahren Kosten einer ungebremste Klimakrise nur erahnen”, so die Chemie-Expertin weiter. Über die Ergebnisse der Greenpeace-Untersuchungen vor Ort informiert die unabhängige Umweltschutzorganisation nach Abschluss der Analysen. Wo Hilfe benötigt wird, unterstützen Greenpeace-Freiwillige weiterhin vor Ort.
In diesem Unwettersommer hat Deutschland gespürt, welche Wucht die Klimakrise entfacht. Starkregenereignisse wie das, in dem mindestens 179 Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ihr Leben verloren, werden durch die Erderhitzung häufiger. Besserer Katastrophenschutz bedeutet darum insbesondere kompromisslosen Klimaschutz. Wenn wir Tragödien wie diese nicht einfach hinnehmen wollen, muss der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas deutlich schneller kommen, der CO2-Ausstoß stärker sinken. Nur so werden Ereignisse wie die Klimaflut nicht zum neuen Normal.